Humanbiologie. Hynek Burda

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Humanbiologie - Hynek Burda utb basics

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Vorfahre der heutigen (weltweiten!) Populationen des modernen Menschen in Afrika im Zeitraum um 200–300 tya zu suchen. Von ein bisschen jüngeren Funden in Äthiopien (Herto) wurde ein besonderes Taxon, H.sapiens idaltu, benannt, der den Vorfahren heutiger Menschen geografisch und stratigrafisch sehr nah steht. Es waren bestimmt nicht die einzigen ziemlich modernen Menschen, die damals Afrika bewohnt haben: eine morphometrische Analyse alter Afrikaner (aus dem Zeitraum 200–60 tya) zeigte eine große Variabilität (größer als bei vergleichbaren Stichproben rezenter Menschen), was von der Existenz einer tief strukturierten menschlichen Population im damaligen Afrika zeugt (Abb. 2.12).

      Abb. 2.12: Schädel von Homo sapiens mit typischen Merkmalen.

      Menschliche Populationen afrikanischer Herkunft können als die Vorfahren der heutigen Menschheit angesehen werden: 115–135 tya wurde von ihnen zum ersten Mal der Nahe Osten besiedelt, 85 tya Südarabien, in den folgenden 10000 Jahren ganz Süd- und Südostasien einschließlich der Großen Sundainseln (die zum asiatischen Schelf gehören, sodass sie zu jener Zeit aus Asien „trockenen Fußes“ zu erreichen waren). Etwas später wurden Neuguinea, Australien und China besiedelt, mehr als 50 tya begann die Ausbreitung nach Europa; um ca. 40 tya war ein Großteil Eurasiens besiedelt und 20–30 tya begann der Mensch damit, sich Richtung Beringia (die damals existierende Landbrücke über die Beringsee zwischen Nordostasien und Nordwestamerika) und danach auch nach Amerika auszubreiten. Ausführlicher werden wir diese Geschichte in den nächsten Kapiteln behandeln – an dieser Stelle sei nur erwähnt, dass die modernen Menschen auf ihrem Weg durch Eurasien ca. 50 tya mehreren Menschenarten begegneten, die Afrika schon lange vor ihnen verlassen hatten – in Europa, im Nahen Osten und Sibirien waren es Neandertaler, in Asien „Denisovaner“, auf Flores „Hobbits“. Und es ist nicht auszuschließen, dass sie in verschiedenen Teilen Asiens auch auf Populationen des H.erectus trafen (obwohl die Sedimente im Gebiet Ngandong auf Java, wo H.erectus soloensis gefunden wurde, von dem angenommen wurde, dass er die Ankunft moderner Menschen erleben konnte, doch etwas älter sind als ursprünglich angenommen, ca. 150–500 tya). Für einen intensiven Kontakt mit sehr altertümlichen Menschentypen in Asien spricht überdies ein merkwürdiger indirekter Hinweis: während die Kopf- und Kleiderläuse (Pediculus humanus) aller Menschen der Alten Welt eine homogene Gruppe bilden, sind die Kopfläuse amerikanischer Indianer ganz unterschiedlich und haben sich genetisch von den Altweltläusen schon vor mehr als einer Million Jahre getrennt. Damals gab es natürlich noch keine modernen Menschen (geschweige denn Indianer) in Amerika. Eine mögliche Erklärung wäre, dass es sich um die Folge eines Austausches von Läusen zwischen den Vorfahren der Indianer und unbekannten Menschen (nach der Datierung der Divergenz wahrscheinlich H.erectus) in Ostasien handelt; diese letzteren Menschen sind ausgestorben, aber ihre Läuse haben in den Haaren jener Vorfahren der Indianer überlebt, die sie später mit nach Amerika brachten.

      Die traditionelle Vorstellung der Entwicklung einer modernen menschlichen Population, die in Afrika entstanden ist und dann den ganzen Planeten besiedelte („Out-of-Africa“), muss sich daher auch mit der Tatsache einer langen Koexistenz des modernen Menschen mit archaischen Formen in Afrika und Eurasien auseinandersetzen. Gegenwärtig können wir über die Interaktionen der verschiedenen Menschenarten einiges aus den genetischen Daten ableiten, denn wir kennen z.B. die kompletten Genome von Neandertaler und „Denisova-Mensch“). Darüber hinaus liefert auch die Paläoanthropologie einige beunruhigende Funde, die das klassische Szenario zumindest zweifelhaft machen. Einer der bekanntesten dieser Funde ist der sogenannte Mungo Man aus Südostaustralien (40–50 tya), der eine moderne Anatomie und modernes Verhalten (Kremation von Toten, rituale Nutzung vom Ocker) aufweist, aber eine archaische mitochondriale DNA besitzt. Dies hat alte Spekulationen neu belebt, dass auch die sogenannten robusten Australier (Kow Swamp, 9–13 tya) Spuren einer alten Kreuzung mit den indonesischen Populationen von H.erectus tragen könnten. Man muss jedoch zugeben, dass alle australischen Ureinwohner, gegenwärtige und subfossile, „robuste“ und sonstige, auf Basis ihrer mitochondrialen DNA in dieselbe Gruppe gehören, wie die anderen modernen Menschen, und dass gerade die besonders „erectoid“ wirkenden Australier viel jünger sind als der Mungo Man. Außerdem wird die zeitliche Überlappung von H.sapiens und H.erectus auf Java inzwischen stark angezweifelt.

      Eine andere merkwürdige Tatsache ist das Auffinden von menschlichen Fossilien mit einer mehr oder weniger „modernen“ Anatomie in China (Lokalität Zhirendong in der Region Guangxi), die einer Zeitperiode um 110 tya zugeordnet werden, also 60000 Jahre bevor unsere Vorfahren aus Afrika eintreffen sollten.

      Auch die traditionelle Interpretation von modernen, aber sehr alten (115–135 tya) menschlichen Überresten in Israel (Qafzeh and Skhul) als Hinweis auf einen ersten aber erfolglosen Auswanderungsversuch aus Afrika, wird durch aktuelle Molekulardatierung angezweifelt. Demnach scheinen diese Funde ein Beweis für eine frühe Phase erfolgreicher Migration heutiger Menschen aus Afrika zu sein. Darüber hinaus zeigen neue Funde von einander ähnlichen alten Werkzeugen (leider bisher nicht von Skelettresten) offensichtlich nordafrikanischer Herkunft aus weiten Gebieten des Nahen Ostens (bis nach Jebel Faya in den Vereinigten Arabischen Emiraten), dass sich der Mensch dort schon zu einer Zeit erfolgreich ausgebreitet hatte, als er den vorherrschenden Theorien gemäß noch ausschließlich Afrika hätte bewohnen sollen – allerdings ist die Beziehung dieser Population zur heutigen Menschheit ganz rätselhaft. Und auch das umgekehrte Phänomen gibt es, nämlich dass sich Menschen, die morphologisch eher dem „archaischen“ H.sapiens entsprechen, erstaunlich lange gehalten haben: sie überlebten bis ins Holozän in Afrika (Nigeria: Iwo Eleru, 12 tya), und erstaunlicherweise auch in China („Rotwild-Menschen“ aus den Lokalitäten Longlin und Maludong, 11–14 tya), wo sie vielleicht eine eigenständige, in gewissem Sinne parallele Linie zu den europäischen Neandertalern bildeten.

      3 Geschichte gegenwärtiger menschlicher Populationen

      3.1 Innerartliche Diversität

      In der Vergangenheit gab es keine Zweifel darüber, dass der Mensch eine ausdrücklich polytypische Art ist (vergleiche Box 1.2) – und in dieser Hinsicht vergleichbar mit z.B. dem Tiger oder Braunbär. Die unterschiedlichen lokalen Populationen wurden routinegemäß als „Unterarten“ oder „Rassen“ bezeichnet (Box 3.1). Mit dem Konzept der menschlichen Rassen wurde oft auch der „Polygenismus“ verbunden: Die Vorstellung, dass die menschlichen Rassen in einer Isolation auf den einzelnen Kontinenten aus unterschiedlichen lokalen Vorfahren entstanden sind („mongoloide Rasse“ aus Orang-Utan, „negroide Rasse“ aus Gorilla und „europoide Rasse“ aus Schimpansen), überlebte in unterschiedlichen Formen (unterschiedliche Taxonomien der menschlichen „Rassen“) bis in die 1930er-Jahre, obwohl diejenigen Persönlichkeiten, die stellvertretend für die Geburt der Evolutionsanthropologie bereits im 19. Jahrhundert stehen (Darwin, Huxley und Haeckel), den Menschen richtigerweise für eine monophyletische Art gehalten haben.

      Box 3.1

      Der Rassenbegriff in der Biologie, Anthropologie und Politik

      Mit dem Rassenbegriff hängen folgende Fragen zusammen: Kann man die Menschheit in einige wenige Gruppen (Typen) einteilen? Wie groß sind die Unterschiede zwischen diesen Gruppen? Wie sollte man diese Gruppen (falls es sie gibt) nennen? Kann man aus der Existenz der Einteilung in die Gruppen etwas über ihre Wertigkeit ableiten?

      Die letzte Frage wurde durch rassistische Ideologien aufgegriffen, die aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse politische Folgen ableiteten, im Sinne, dass einige Rassen wertvoller sind als andere und das Recht oder die Pflicht haben, die „minderwertigen“ zu beherrschen oder sogar zu liquidieren. Der Rassismus kulminierte mit dem deutschen Nationalsozialismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da deren Ideologien die menschlichen Gruppen als Rassen bezeichneten, haben sie den Begriff der Rasse diskreditiert. Man sollte also stets daran denken, dass Rassismus eine Ideologie und keine Wissenschaft ist, auch wenn oft pseudowissenschaftlich argumentiert wird.

      Der

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