Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

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Die Methoden der Kommunikationsforschung – Befragung, Inhaltsanalyse und Beobachtung – können demnach auch im Rahmen einer experimentellen Untersuchungsanordnung eingesetzt werden. Dies wäre z. B. der Fall, wenn zwei Gruppen von Befragten einen Fragebogen ausfüllen müssten, in dem lediglich die Reihenfolge von zwei Fragen vertauscht ist. Wenn sich nach der Auswertung der Fragebögen herausstellt, dass sich beide Gruppen in der Beantwortung dieser beiden Fragen systematisch unterscheiden, kann man folgern, dass die Reihenfolge der Fragen einen Effekt auf die Beantwortung hat. Man hätte in diesem Fall eine Befragung im Rahmen eines wissenschaftlichen Experiments durchgeführt (Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S. 469f ). Die streng kontrollierte Variation einzelner Faktoren erlaubt zudem den Nachweis kausaler Zusammenhänge. Demnach wäre die Reihenfolge der Fragen die Ursache, das daraus resultierende Antwortverhalten die Wirkung.

      An diesem Beispiel erkennt man bereits, dass das Experiment sich v. a. zum Testen von Hypothesen eignet (und daher v. a. in standardisierten quantitativen Forschungsdesigns zum Zug kommt). Die drei Erhebungsmethoden (Befragung, Inhaltsanalyse, Beobachtung) werden in quantitativen und qualitativen Forschungsprojekten gleichermaßen eingesetzt. Die gängigsten Varianten werden im Anschluss an die einführenden Bemerkungen zu quantitativer und qualitativer Methodenlehre vorgestellt.

      1 Quantitative Sozialforschung

      1.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien

      Unter einer empirischen Methode versteht man allgemein das Verfahren, wie Daten erhoben werden. Oder konkreter formuliert: Empirische Methoden bzw. Forschungstechniken sind Vorgehensweisen, durch deren systematische Anwendung im Rahmen eines festgelegten Forschungsplans wissenschaftliche Fragestellungen beantwortet werden sollen. In dem Begriff »Forschungstechnik« sind per Definition vier wesentliche Aspekte enthalten:

      1) das Postulat der Wissenschaftlichkeit

      2) die Forderung nach systematischer Anwendung

      3) eine festgelegte, in der Wissenschaft zustimmungsfähige Vorgehensweise

      4) die Beantwortung einer oder mehrerer Forschungsfragen.

      1) Das Postulat der Wissenschaftlichkeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Alltagsverstand. Eine sich sozialwissenschaftlich und empirisch verstehende Kommunikationswissenschaft will gültige Aussagen über Fragen zur sozialen Realität machen. Dies können z. B. Fragen nach den Ursachen für Wahlergebnisse durch Medienberichterstattung, nach Motiven des individuellen Fernsehkonsums oder nach den Themenstrukturen und -agenden von Tageszeitungen sein. All dies sind zunächst Fragen, mit denen sich Menschen auch »privat« befassen. Sie diskutieren das letzte Wahlergebnis, fragen, was die Freunde gestern im Fernsehen angeschaut oder ob sie heute schon die Zeitung gelesen haben. Worin liegt nun der Unterschied zwischen Alltagsverstand und wissenschaftlicher Betrachtung? Der sog. Alltagsverstand, die subjektive Meinung einer einzelnen Person, ist ein willkürlicher, partikularer Aspekt aus vielen ebenfalls existierenden Meinungen. Er hat zwar für die Person, vielleicht für eine Gruppe von Freunden (sog. Peergroups) Relevanz; keineswegs kann jedoch eine singuläre Meinung allgemein relevante Aussagen über »die Gesellschaft«, »den Fernsehzuschauer« oder »die Qualitätszeitungen« machen. Einzelne, spontan beobachtete Meinungen genügen dem Postulat der Wissenschaftlichkeit i. d. R. nicht (vgl. Brosius/Haas/ Koschel 2012, S. 7f). Wissenschaftliches Vorgehen erfordert einen systematischen Plan (s. Punkt 2), muss in allen Schritten transparent und dadurch intersubjektiv nachvollziehbar sein und nach Regeln erfolgen, die in der wissenschaftlichen Teildisziplin zustimmungsfähig sind (s. Punkt 3).

      2) Die Forderung nach systematischer Anwendung einer Methode bedeutet, dass z. B. bei einer standardisierten (quantitativen) wissenschaftlichen Befragung nicht irgendwelche Fragen gestellt werden, die dem Interviewer spontan in den Sinn kommen, sondern dass systematisch aus Theorie und Forschungsstand hergeleitete und konsequent aufeinander folgende Fragen allen zu Befragenden in gleicher Weise gestellt werden. Nur so können bei der Auswertung die Antworten miteinander verglichen werden. Systematische Anwendung bedeutet bei einer wissenschaftlichen Befragung ebenfalls, dass nicht »irgendwer« befragt wird, sondern Personen, die systematisch ausgewählt wurden. Die Forderung nach Systematik ist demnach eine Forderung nach

      • planvoller Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes (z. B. eines Fragebogens),

      • planvoller Auswahl der Untersuchungseinheiten (z. B. die Befragung von Münchner Studierenden),

      • planvoller Durchführung der Erhebung (z. B. festgelegter Ablauf, Regeln über die Rahmenbedingungen),

      • planvoller Analyse der Daten und der Ergebnisdarstellung.

      All dies gilt selbstverständlich auch für wissenschaftliche Inhaltsanalysen, bei denen vom Forscher festgelegt werden muss, welche Medien und welche Beiträge der zu untersuchenden Fragestellung zufolge zu analysieren sind. Ebenso ist bei einer Beobachtung vorzugehen.

      3) Dabei gilt stets, dass sich alle Schritte auf das Forschungsinteresse beziehen und im Forschungsbericht transparent gemacht werden müssen. Insofern gilt als weiteres Postulat die Befolgung einer festgelegten Vorgehensweise, die intersubjektiv nachvollziehbar und dadurch fachlich zustimmungsfähig wird. Wieder am Beispiel der Befragung dargestellt heißt dies, dass etwa die Fragen eines Fragebogens nur dann sinnvoll konzipiert werden können, wenn man zuvor die Aufgabenstellung und Zielsetzung der geplanten wissenschaftlichen Studie genau definiert (vgl. Kap. 1.2).

      4) Eine wesentliche Voraussetzung allen Forschens ist die gesellschaftliche Relevanz des Themas. Die Kommunikationswissenschaft entwickelt entweder eigene Fragestellungen, die der Gesellschaft relevantes Wissen bereit stellen können (z. B. indem sie etwas zu Problemlösungen beitragen), oder bearbeitet Themen, die entweder Teil der öffentlichen Diskussion sind oder die als gesellschaftlich relevante Themen von einem Auftraggeber zur wissenschaftlichen Analyse vergeben werden. Die belastbare Beantwortung solcher Fragestellungen ist der einfachste Nenner, wissenschaftliches Forschen zu beschreiben. Egal, mit welcher Methode man seine Frage beantworten möchte: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozess folgt letztlich immer einer (möglichst sparsamen) Struktur (vgl. Kap. 1.2).

      Aussagen der quantitativ ausgerichteten empirischen Sozialforschung sind letztendlich immer probabilistischer Natur: Man kann nicht von Gesetzmäßigkeiten sprechen (z. B. dass Fernsehgewalt auf alle Menschen gleich wirkt), sondern nur von bestimmten Wahrscheinlichkeiten, unter denen Ursache-Wirkungs-Beziehungen gelten: »Wenn Rezipienten relativ viel gewalthaltige Medieninhalte nutzen, ist die Chance, dass sie danach selbst aggressiver sind, […] größer als bei solchen Rezipienten, die wenig Gewalt sehen« (Brosius et al. 2012, S. 9f). So individuell wie die Menschen sind, die untersucht werden, so variantenreich werden auch die Datensätze, die in der Sozialwissenschaft erhoben werden. Probabilistische Forschung produziert daher immer Aussagen mit Varianz: Unter bestimmten Bedingungen reagieren bestimmte Personen auf Gewaltdarstellungen in den Medien stärker als andere. »Es mag Menschen geben, die von Gewaltdarstellungen im Fernsehen überhaupt nicht beeinflusst werden, und es mag jene geben, die im Sinne einer Nachahmung aggressiv reagieren«. Diese Varianz »geht letztlich auf den Untersuchungsgegenstand, mit dem man sich vorwiegend beschäftigt, zurück: den Menschen. Menschen sind komplex organisiert […]« (ebd., S. 10). Ideal und »Ziel bleibt natürlich die Annäherung an nomothetische [gesetzmäßige] Aussagen, also starke Zusammenhänge zu finden, die mit großer Wahrscheinlichkeit zutreffen« (ebd.).

      Woran kann man erkennen, ob die Ergebnisse einer Untersuchung belastbar sind? In der quantitativen Forschung wird die Güte der Untersuchungsergebnisse an der Reliabilität

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