Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

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die Zuverlässigkeit der Messung bzw. des Messinstruments: Wiederholt man den Messvorgang am gleichen Messobjekt, ohne dass sich dieses in der Zwischenzeit verändert hat, sollte man dasselbe Ergebnis erhalten – und zwar unabhängig vom Messenden; außerdem sollte das Messinstrument möglichst robust gegen unbewusste und bewusste Einflüsse des Untersuchten sein. Ein gutes Beispiel für ein reliables Messinstrument ist ein Metermaß: Die Messung eines ausgewachsenen Menschen mittels Metermaß an zwei aufeinanderfolgenden Tagen sollte – jeweils zum selben Zeitpunkt des Tages korrekt ausgeführt – identische Ergebnisse erzielen.

      Eine Messung muss außerdem gültig (»valide«) sein. Das ist sie, wenn sie genau das misst, was gemessen werden soll. Um beim Beispiel zu bleiben: Ein Meterstab ermöglicht eine valide Messung der physischen Größe eines Menschen, wenn darauf die Längenabstände korrekt abgebildet sind. Validität bezieht sich also auf die inhaltliche Richtigkeit sowie sachlogische Gültigkeit. Die Methodenliteratur (vgl. z. B. Brosius et al. 2012, S. 54f; Schnell/Hill/Esser 2011, S. 146ff) unterscheidet drei Arten von Validität: 1) Inhaltsvalidität (Stehen die erhobenen Merkmale tatsächlich für das in Frage stehende Konstrukt? Besteht Intelligenz also tatsächlich aus emotionaler, mathematischer und sprachlicher Fähigkeit? Und misst mein Verfahren genau diese Fähigkeiten?); 2) Kriteriumsvalidität (Sind die erhobenen Daten im Vergleich zu einem anderen Messkriterium gültig? Man könnte das Resultat des Intelligenztests eines Schülers z. B. mit dem Urteil seines Lehrers (= Kriterium) abgleichen); 3) Konstruktvalidität (Sind alle relevanten Aspekte des zu messenden Gegenstands vollständig erfasst? Erfasst also ein Intelligenztest, der emotionale, mathematische und sprachliche Fähigkeiten erhebt, tatsächlich alle Aspekte des Konstrukts »Intelligenz« oder gibt es Aspekte, die fehlen [z. B. räumlich-visuelle Fähigkeit]?).

      Die beschriebenen Postulate und Gütekriterien leiten den gesamten Forschungsprozess an. Sie sind die unabdingbaren Grundlagen und Rahmenbedingungen für alle Entscheidungen, die der Forscher während eines Forschungsprojekts treffen muss. Im Folgenden soll der Prozess für Forschungsprojekte, die dem quantitativen Paradigma folgen, detaillierter beschrieben werden.

      In Abbildung 1 sind die einzelnen Schritte des wissenschaftlichen Forschungsablaufes im quantitativen Paradigma in groben Zügen dargestellt (vgl. z. B. Schnell et al. 2011, S. 3ff; Brosius et al. 2012, S. 14ff). In der Praxis laufen die einzelnen Stufen häufig zeitlich nebeneinander ab und stellen sich wesentlich differenzierter dar als in diesem schematischen Überblick. Das Prinzip jedoch ist letztlich immer dasselbe:

      Zunächst muss ein gesellschaftlich relevantes Problem in eine wissenschaftliche Fragestellung überführt werden (Stufen 1 und 2), denn sie ist später die Voraussetzung für eine systematische Ergebnisdarstellung. Genauso wichtig sind eine präzise Definition der relevanten Begriffe (z. B. »Gewalt«) und ihre Einordnung in das vorhandene theoretische Wissen über sie (Stufen 3 und 4). Der Forscher greift also auf Theorien und Ansätze der Kommunikationswissenschaft und erforderlichenfalls einschlägiger Nachbarwissenschaften zurück, um seinen Untersuchungsgegenstand wissenschaftlich einzuordnen. In dieser Phase der theoretischen Aufbereitung kristallisiert sich bereits die Wahl der besten Methode heraus (Stufe 5), mit der an ausgewähltem Untersuchungsmaterial die theoretisch begründete Fragestellung empirisch überprüft werden soll. Es kann vorkommen, dass zwei oder mehrere Methoden angewendet werden müssen, um eine Forschungsfrage zu beantworten. Von der Forschungsfrage hängt ebenfalls ab, ob man eine Vollerhebung durchführen kann oder (falls die Grundgesamtheit zu groß ist) auf welches Auswahlverfahren (Stufe 7) zurückgegriffen werden muss, um eine sinnvolle Stichprobe für die Untersuchung zu erhalten. Nachdem die Erhebungsinstrumente (Stufe 6) – also ein Fragebogen, ein Codebuch (Inhaltsanalyse) oder ein Beobachtungsschema – entwickelt und vor der eigentlichen Untersuchung getestet wurden sowie eine Stichprobe gezogen wurde, kann die Feldphase beginnen (Stufe 8). Hierunter versteht man bei einer Befragung die Durchführung der Interviews, bei einer Inhaltsanalyse die Codierung – das ist die systematische Erfassung bestimmter Merkmale von Texten mithilfe eines Codebuchs – und bei der wissenschaftlichen Beobachtung die Erhebung von Verhalten, z. B. das Umschaltverhalten von Fernsehzuschauern mittels elektronischem Messgerät, dem GfK-Meter (vgl. Springer/ Bilandžić/Pürer 2014). In der Feldphase erhebt der Forscher mit seinen Mitarbeitern demnach die Daten, die später in der Datenanalyse (Stufe 9) mit adäquaten statistischen Verfahren ausgewertet werden. Entscheidend ist, dass die Forschungsergebnisse in der abschließenden Darstellung – einem Forschungsbericht, einem wissenschaftlichen Aufsatz oder einer Abschlussarbeit – auf das relevante Problem und die dahinter liegende Theorie rückbezogen werden.

      Jeder dieser Vorgänge und jede Entscheidung, die im Laufe des Forschungsprozesses getroffen wurde, muss im anschließenden Bericht begründet und transparent gemacht werden, um für den Leser intersubjektive Nachvollziehbarkeit herzustellen.

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      Die Ergebnisse angewandter Kommunikationsforschung können in aller Regel zwar immer nur einen kleinen Teil zu Problemlösungen in der Gesellschaft beitragen. Wissenschaft kann in diesem begrenzten Rahmen jedoch helfen, z. B. mit Vorurteilen aufzuräumen und die öffentliche Diskussion etwa zum Thema »Mediengewalt« zu versachlichen. Aufgabe der Wissenschaft ist es, 1) auf Grund eines allgemein nachvollziehbaren, transparenten Vorgehens, 2) der systematischen Bearbeitung der einzelnen Schritte und 3) einer begründeten Auswahl der Untersuchungseinheiten Ergebnisse zu liefern, die eine allgemeinere Gültigkeit besitzen als eine individuell-subjektive Einschätzung zu einem Thema durch eine beliebige einzelne Person oder durch die Betrachtung eines beliebigen einzelnen Falls. Dabei muss die Betrachtung eines Einzelfalls nicht zwangsläufig unwissenschaftlich sein. Insbesondere die qualitative Forschung untersucht weniger »Fälle« in großer Tiefe und leitet hieraus Beschreibungen und Deutungen für zu Grunde liegende Phänomene ab (vgl. Kap. 2). Auf Basis dieser oft reichhaltigen Beschreibungen lassen sich jedoch keine statistisch-repräsentativen Aussagen ableiten. Die quantitative Forschung ermöglicht das durch die Logik des Auswahlverfahrens.

      Ähnlich wie in den anderen Sozialwissenschaften hat man es auch in der empirischen Kommunikationsforschung bei vielen Studien mit dem Problem großer Grundgesamtheiten zu tun. Das gilt für alle Lehr- und Forschungsfelder des Faches: Es wäre z. B. viel zu zeit- und kostenaufwändig, alle rund 48.000 hauptberuflich tätigen Journalisten Deutschlands nach ihrem Berufsverständnis zu befragen (Kommunikatorforschung). Auch erscheint es unmöglich, alle bundesdeutschen Zeitungen mit ihren rund 1.500 Ausgaben über einen bestimmten Zeitraum auf sämtliche Inhalte hin zu untersuchen (Medieninhaltsforschung). Vor ähnlichen Problemen steht der Forscher, wenn er die Strukturen aller in Deutschland vorhandenen Medienbetriebe (Print, Rundfunk, Online) beschreiben möchte (Medienstrukturforschung) oder die bundesdeutsche Bevölkerung zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragen will (Mediennutzungsforschung). Und erst recht ist es ausgeschlossen, allen in Deutschland beobachtbaren individuellen und sozialen Folgen (Wirkungen) der Medienberichterstattung auf den Grund zu gehen. Immer müssen in der empirischen Sozialforschung, wenn man große Grundgesamtheiten untersuchen will, statistische Verfahren zur Anwendung gelangen, mit deren Hilfe es möglich ist, von einer relativ kleinen Auswahl (Stichprobe) auf die Grundgesamtheit zu schließen (vgl. Brosius et al. 2012, S. 57–78).

      Wer z. B. Aussagen über die wahlberechtigte Bevölkerung Deutschlands machen möchte, legt damit eine Grundgesamtheit (auch: Population) fest. In Abhängigkeit vom Forschungsinteresse wird also definiert, über welche Population eine wissenschaftliche Aussage gemacht werden soll. Eine Grundgesamtheit kann – etwa im Falle der Bevölkerung Deutschlands – sehr groß

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