Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

Скачать книгу

selbst sowie die (Ein-)Stellung des Forschers zu seinem Untersuchungsgegenstand sind von professioneller Distanz gekennzeichnet. Hier wird gefordert, dass sich der Forscher bei seiner Untersuchung nicht von persönlichen Vorlieben leiten lassen darf, die einen verzerrenden Einfluss auf die Ergebnisse haben könnten. Vielmehr soll er sich als neutraler Beobachter verstehen, der nach wissenschaftlich festgelegten Regeln systematisch und methodisch korrekt vorgeht. Dies ist »Objektivität« im wissenschaftlichen Sinn und wird durch intersubjektive Nachvollziehbarkeit sichergestellt. Das bedeutet im quantitativen Paradigma, dass eine Studie zu jedem beliebigen Zeitpunkt und von jedem beliebigen Forscher exakt repliziert werden können muss und dass dazu alle Schritte der Analyse transparent und in sich logisch vorliegen und dokumentiert werden (vgl. Kap. 1.2).

      Der überwiegende Teil der Lehr- und Forschungsfragen der Kommunikationswissenschaft hat öffentliche und zwischenmenschliche Kommunikation zum Gegenstand (vgl. Pürer 2014, Kap. 3). Die Methoden der empirischen Sozialforschung finden in den verschiedenen Forschungsfeldern, also der Kommunikator-, der Medieninhalts-, der Medienstruktur-, der Mediennutzungs-, der Rezeptions- und der Wirkungsforschung, ihre Anwendung.

image

      Dabei eignet sich nicht jede Methode für jede Fragestellung (z. B. weil Texte nicht befragt werden können). So legt bereits die Fragestellung die Wahl der Methode nahe (vgl. Abb. 2 ).

      Nicht selten findet man in der empirischen Kommunikationsforschung die Kombination mehrerer Methoden zur Klärung einer Forschungsfrage vor. Man spricht dann von einem »Methodenmix« oder auch von »Triangulation«. Und oftmals erfordert eine Fragestellung auch, für ihre Beantwortung externe Informationen zusätzlich zu den eigenen Daten heranzuziehen – z. B. Gesetzestexte oder volkswirtschaftliche Kennwerte zur Darstellung wirtschaftlicher Verflechtungen von Medienkonzernen in der Medienstrukturforschung.

      Für jede Methode bzw. Forschungsstrategie benötigt man konkrete und je eigene Erhebungs- bzw. Messinstrumente, die der Forscher entwickeln muss. Es sind dies in der quantitativen Forschung:

für die Befragungein Fragebogen
für die Inhaltsanalyseein Codebuch
(mit Codebogen)
für die klassische Beobachtungein Beobachtungsschema
(mit Protokollbogen)
für die apparative BeobachtungTechnisches Beobachtungsequipment

      Diese Methoden bzw. Forschungstechniken werden später in ihren quantitativen wie auch qualitativen Umsetzungen beschrieben (vgl. Kap. 3). Dabei handelt es sich um Verfahren, wie sie in der empirischen Sozialforschung generell, also auch in der Soziologie, der Psychologie, der Pädagogik oder der Politikwissenschaft, eingesetzt werden. In diesem Sinn hat die Kommunikationswissenschaft kein »eigenes« Methodenwerkzeug geschaffen. Allenfalls kann man festhalten, dass im Laufe langjähriger Forschung insbesondere die Methode der Inhaltsanalyse von der Kommunikationswissenschaft verbessert und weiterentwickelt wurde.

      2 Qualitative Sozialforschung

      Neben quantitativen standardisierten Methoden finden in der Kommunikationswissenschaft auch qualitative Methoden Anwendung. Methoden qualitativer Sozialforschung sind deutlich heterogener, weil sie nicht bzw. nur zu einem begrenzten Grad standardisiert sind. Im hier vertretenen Verständnis qualitativer Forschung bedient diese sich ebenfalls wissenschaftlicher Methoden der Erkenntnisgewinnung, die systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar zur Beantwortung von einer oder mehreren Forschungsfragen eingesetzt werden (vgl. Kap. 1.1). Allerdings gründet qualitative Forschung generell auf anderen erkenntnistheoretischen Grundannahmen. Folglich unterscheidet sich an einigen Stellen auch die konkrete Umsetzung der in Kap. 1.1 und 1.2 beschriebenen Aspekte. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden hier nur die Unterschiede dargestellt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Anwendung quantitativer und qualitativer Methoden unvereinbar wäre, im Gegenteil: Sie ergänzen sich, weil sie zu anderen Fragestellungen passen oder die gleiche Fragestellung aus anderen Perspektiven beleuchten können. Qualitativ Forschende wollen verstehen, sinnhaft nachvollziehen und das Typische (also nicht das Häufige) finden. Es geht hier um Sinnzusammenhänge statt um Korrelationen (wenn auch kausale Thesen mittels qualitativer Forschung entwickelt werden können), und darum, den Kern (also das Wesentliche) eines Phänomens zu erkennen. Viele Forscher arbeiten daher quantitativ und qualitativ (in der Praxis muss sich also Erkenntnistheorie nicht unmittelbar oder gar unüberbrückbar durchschlagen). Auch dieser Abschnitt will nur einen Überblick vermitteln und kann aufgrund der gebotenen Kürze nicht den Anspruch erheben, ein Methoden-Lehrbuch zu ersetzen. Daher sei hier auf die vielfältige wissenschaftliche Literatur verwiesen, die es über qualitative Methodenlehre, insbesondere auch speziell für die sozialwissenschaftlich ausgerichtete Kommunikationswissenschaft, bereits gibt (z. B. Meyen/Löblich/Pfaff-Rüdiger/Riesmeyer 2011; Lamnek 2010; Mayring 2002, 2010; Gläser/Laudel 2009; Flick/von Kardorff/Steinke 2007; Mikos/Wegener 2005).

      Auch mithilfe qualitativer Methoden sollen gesellschaftlich relevante wissenschaftliche Fragestellungen beantwortet werden; insofern wird an sie ebenfalls der Anspruch gestellt, gültige Aussagen über Fragen zur sozialen Realität zu machen und dabei wissenschaftlich und systematisch vorzugehen, um belastbare Antworten zu finden (vgl. Kap. 1.1). Allerdings zielt qualitative Forschung auf ein anderes Erkenntnisinteresse: Mithilfe qualitativer Verfahren soll nicht statistisch überprüft oder getestet, sondern entdeckt werden. Qualitative Methoden finden z. B. auf Gebieten Anwendung, über die noch nicht viel geforscht wurde (Exploration), und helfen dabei, komplexe Zusammenhänge überhaupt erst zu erkennen (die man anschließend auch mithilfe standardisierter Untersuchungen statistisch testen kann). Qualitative Forschungstechniken sind aber keineswegs nur vorstudien- oder nachfassungstauglich. Richtig gesampelt ermöglichen qualitative Untersuchungen ebenfalls »Aussagen, die über das konkrete Untersuchungsobjekt hinausweisen und deshalb verallgemeinerbar sind« (Meyen et al. 2011, S. 12; vgl. Kap. 2.3). Da qualitative Forschung entdecken will, müssen ihre Instrumente flexibel auf den Untersuchungsgegenstand reagieren können (also un- oder maximal teilstandardisiert konzipiert sein). Das bedeutet aber nicht, dass qualitative Forschung beliebig und hoch subjektiv abläuft und es keinen Diskurs darüber gibt, was gute qualitative Forschung ausmacht. Auch hier können allgemeine Regeln formuliert werden, um die Güte von Forschungsprojekten und ihrer Befunde zu identifizieren (vgl. z. B. Steinke 2007). In der einschlägigen Literatur finden sich verschiedene Kataloge mit Prinzipien qualitativer Forschung, aus denen sich solche Gütekriterien ergeben (vgl. zusammenfassend Meyen et al. 2011, S. 30ff); wir wollen uns hier v. a. auf die für die Kommunikationswissenschaft entwickelten Kriterien beziehen. Meyen et al. (2011) z. B. formulieren folgende zwei Postulate (aus denen sich die unten genannten Gütekriterien ableiten lassen):

      • Kein Wissen ohne Subjekt: Es gibt keine objektive Erkenntnis, vielmehr werden »Denkinhalte« (Wissen) immer durch die Person und Biografie des »Denkenden« (Meyen et al. 2011, S. 33) beeinflusst (der wiederum nicht unabhängig von der Gesellschaft und dem herrschenden Zeitgeist existiert). Da Wissen einen Gegenstand, auf den es bezogen ist, nicht einfach reflektiert, sondern ihn erst konstruiert, wird klarer, warum der Forscher nicht aus dem Erkenntnisgewinnungsprozess ausblendbar ist (wie dies im quantitativen Paradigma postuliert wird). Vielmehr ist der Forschende in der Erkenntnistheorie des qualitativen Paradigmas an dessen Konstruktion aktiv beteiligt (z. B. durch die Interaktion mit

Скачать книгу