Qualitative Medienforschung. Группа авторов

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handeln (Goffman 1980; Markowitz 1979). Dabei meint »Situation« die je aktuelle Interaktionsgrundlage, die alle Beteiligten von ihrer Eingangsdefinition aus fortlaufend aushandeln. Situation ist damit einerseits ein prozessuales Konzept, andererseits der stets notwendige Rahmen, mittels dessen abgegrenzt wird, was zu einer Situation gehört und was nicht, was in ihr möglich ist und was nicht. Hier ist auf das so genannte Thomas-Theorem hinzuweisen, nach dem eine Situation nicht objektiv geprüft werden kann (Thomas/Thomas 1973). Vielmehr gilt, dass Menschen auf der Basis ihrer Definition der Situation handeln, die sie für wahr und wirklich halten – Situationen beinhalten dementsprechend objektive Elemente, sind aber immer Subjekt gedeutete Entitäten, weil sie nur dadurch ihre Kraft entfalten.

      • Weiter ist auf den Begriff der Rolle hinzuweisen, durch die die Menschen in einer Situation präsent sind, ein Konzept, das auf die Metapher vom sozialen Geschehen als Theater verweist (Goffman 1997). Ebenso wie in jeder Situation beispielsweise Perspektive und Standpunkt das Erleben der beteiligten Individuen einerseits strukturieren, andererseits einschränken, ist auch der Mensch in keiner Situation als abstraktes Ganzes mit seiner gesamten Biographie und Erfahrung, mit seinem »Wesen« präsent. Vielmehr präsentiert er sich immer in einer situativ bezogenen intentionalen Form, einer Rolle, in der ihn die anderen erleben. Deshalb sind Rollen auch nicht nur gespielt, sondern müssen theoretisch und empirisch als situativer Ausdruck von Identität und Person verstanden werden.

      • In seinen sozialen und individuellen Beziehungen, in der Vielfalt der erlebten und gestalteten Rollen und in den darin gemachten Erfahrungen und deren Reflexion entwickelt sich der Mensch als Individuum, das sich umgekehrt dann auch wieder in seiner Identität und seinem Selbstverständnis als Prozess präsentiert (Krappmann 1975). Auf die Bedeutung dieses Begriffs im Rahmen von Handlungstheorien kann hier nur knapp verwiesen werden (vgl. auch Winter u. a. 2003).

      Qualitativ konnotierte handlungstheoretische Ansätze in der Kommunikationswissenschaft

      Die oben skizzierten handlungstheoretischen Ansätze lassen sich in verschiedenen Ausprägungen in der Kommunikationswissenschaft finden. Während die Vorformen der modernen Kommunikationswissenschaft den Menschen zunächst mehr oder weniger als ein Objekt medialer Einflüsse untersucht haben, war in den 50er und 60er Jahren eher vom aktiven Mediennutzer die Rede. In beiden Fällen wurden aber meist objektivierte Handlungstheorien als Basis von Kommunikation vertreten, z. B. von Paul F. Lazarsfeld und später vom Uses-and-Gratifications-Ansatz, der die Wichtigkeit mehr oder weniger überdauernde Bedürfnisse empirisch zu belegen versuchte (Rubin 1994), also ein quantitativ konnotierter handlungstheoretischer Ansatz.

      Demgegenüber haben sinn- und bedeutungsbezogene Handlungstheorien in den 70er Jahren in die deutsche Kommunikationswissenschaft Einzug gehalten. So wurde der Symbolische Interaktionismus durch zwei Aufsätze von Will Teichert (1972, 1973) in die deutsche Kommunikationswissenschaft eingeführt (vgl. aber auch Rapp 1973); mit dem so genannten Nutzenansatz hat Karsten Renckstorf (1973) versucht, diesen Ansatz mit quantitativen Methoden zu verbinden. Im Laufe der Zeit liegt eine allmählich anwachsende Zahl von Texten dazu vor, von denen hier nur einige genannt werden können (Altheide/Snow 1979; Fritz 1991; Fry/Alexander/ Fry 1989; Höflich 1979; Krotz 2001a; vgl. auch Krotz 2001b). Auch die Verwendung entdeckender empirischer Methoden (Glaser/Strauss 1967; Kleining 1995) nimmt zu.

      Auf phänomenologische und auf hermeneutische Forschung bezogene Handlungstheorien finden sich ebenfalls in der deutschen Kommunikationswissenschaft. Zu ihnen sind beispielsweise konversationsanalytische Untersuchungen zu rechnen, wie sie von Angela Keppler (1994) oder Ruth Ayaß (1997, → Ayaß, S. 416 ff.) betrieben werden. Danach manifestiert sich die Bedeutung von Medien primär im Sprechen über ihre Inhalte, das von daher als Untersuchungsobjekt im Vordergrund steht. Im Anschluss daran kann man auch auf die Untersuchungen von Reichertz (1997) und Hitzler (1997) verweisen. Mit der so genannten strukturanalytischen Rezeptionsforschung, die sich des Verfahrens der Objektiven Hermeneutik von Oevermann bedient, haben Michael Charlton und Klaus Neumann-Braun sowie ihre Mitarbeiterinnen (1990) den Medienumgang von kleinen Kindern in ihrer sozialisatorischen Bedeutung untersucht; andere Untersuchungen dieser Art fanden im Bereich der Medienpädagogik und etwa der Computerspiele statt. Ethnographische und am handlungstheoretischen Ansatz der Cultural Studies orientierte Arbeiten (→ Winter, S. 86 ff. und 588 ff.) finden sich etwa von der soziologisch arbeitenden Trierer Forschungsgruppe um Waldemar Vogelgesang, die sich mit (auch) medial konstituierten Jugendszenen beschäftigen (Vogelgesang 1996; Hepp 1998). Zu nennen ist hier auch das im Rahmen der Genderforschung gesammelte empirische und theoretische Wissen, das für qualitativ konnotierte handlungstheoretische Ansätze eine große Rolle spielt (vgl. z. B. Röser 2002), wobei hier aber nicht immer von einer handlungstheoretischen Konzeption ausgegangen wird. Zudem findet sich eine Reihe kommunikationswissenschaftlich angelegter Studien in psychoanalytischen bzw. sonstigen qualitativ konnotierten Bezugssystemen (Hipfl 1997; Holly/Püschel 1993; Zeul 1994).

      Literatur

      Altheide, David L./Snow, Robert P. (1979): Media logic. London.

      Ayaß, Ruth (1997): Das Wort zum Sonntag: Fallstudie einer kirchlichen Sendereihe. Stuttgart.

      Berger, Peter L./Luckmann, Thomas (1980): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a. M.

      Blumer, Herbert (1973): Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. Band 1. Reinbek, S. 80–146.

      Burkart, Roland (1995): Kommunikationswissenschaft: Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft. 2. Auflage Köln.

      Burkitt, Ian (1991): Social Selves. London.

      Charlton, Michael/Neumann, Klaus (1990): Medienrezeption und Identitätsbildung. Kulturpsychologische und kultursoziologische Befunde zum Gebrauch von Massenmedien im Vorschulalter, in Zusammenarbeit mit Barbara Brauch, Waltraud Orlik und Ruthild Rapp. Tübingen.

      Charon, Joel M. (1979): Symbolic Interactionism. Englewood Cliffs.

      Felsch, Anke/Küpper, Wille (1998): Handlungstheorie. In: Grubitzsch, Siegfried/Weber, Klaus (Hrsg.): Psychologische Grundbegriffe. Ein Handbuch. Reinbek, S. 224–226.

      Fritz, Angela (1991): Handeln in Kommunikationssituationen. Versuch einer induktiven Modellbildung. In: Publizistik 36 (1991) 1, S. 5–21.

      Fry, Virginia H./Alexander, Alison/Fry, Donald I. (1989): The Stigmatized Self as Media Consumer. In: Studies in Symbolic Interaction 10, S. 339–350.

      Garfinkel, Harold (1973): Das Alltagswissen über soziale und innerhalb sozialer Strukturen. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie. Band 1. Reinbek, S. 189–262.

      Geertz, Clifford (1991): Dichte Beschreibung, 2. Auflage Frankfurt a. M.

      Glaser, Barney G./Strauss, Anselm Leonard (1967): The Discovery of Grounded Theory. New York.

      Goffman, Erving (1980): Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Frankfurt a. M.

      Goffman, Erving (1997): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag (1. Auflage 1983). München.

      Habermas, Jürgen (1987): Theorie kommunikativen Handelns, 2 Bände, 4. Auflage Frankfurt a. M.

      Hepp,

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