Qualitative Medienforschung. Группа авторов

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– mit Folgen für den Habitus aller Fachvertreter. Den entsprechenden Mechanismus kann man auch in einer Kollektivbiografie von DDR-Journalisten studieren, die Michael Meyen und Anke Fiedler (2013) konstruiert haben. Quelle waren 121 Lebensläufe, die zum einen mithilfe von Memoiren und weiteren biografischen Quellen zusammengestellt wurden und zum anderen über persönliche Interviews. Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit sicherten hier ganz ähnlich wie bei Thomas Wiedemann (2012) Kategorien, die der Soziologie Bourdieus entlehnt wurden und vor allem auf den Habitus der Journalisten zielten.

      Der kollektivbiografische Ansatz wird auch von Klaus Beck, Till Büser und Christiane Schubert (2016) aufgenommen, die für die Analyse von Mediengenerationen die Konzepte Feld der Medien, mediales Kapital und medialer Habitus entwickelt und genutzt haben. Während in dieser Studie alle Medienakteure zum Feld der Medien gehören (professionelle und gelegentliche Kommunikatoren genauso wie Rezipienten), beschreibt der Begriff »mediales Kapital« die Kapitalformen, die in diesem Feld symbolisch wirksam werden. Dazu gehören auf Rezipientenseite z. B. Medienkompetenzen und Geräteausstattung, aber natürlich auch das Eigentum an Medienproduktionsmitteln oder die Fähigkeit von Akteuren oder Gruppen, »mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, Öffentlichkeit für sich und die eigenen Belange herzustellen und auf die journalistische Berichterstattung Einfluss zu nehmen« (Beck u. a. 2013, S. 245).

      Der Begriff »medialer Habitus« erfasst bei Beck, Büser und Schubert (2013, S. 251) die »mediale Seite des persönlichen Habitus, also alle Dispositionen, Bewertungen, Erfahrungen und Erwartungen mit Bezug zum Medienhandeln«. Weiter im Text: Der mediale Habitus einer Person »beschreibt ein Handlungsrepertoire, einen Spielraum auf dem Handlungsfeld der Medien. Empirischer Mediennutzungsforschung zugänglich sind die Folgen des Habitus in Gestalt des konkreten Medienhandelns und die Interpretationen dieses Handelns durch die Akteure selbst. Diese können in Befragungen, Tiefeninterviews oder Tagebüchern über ihre Medienhandlungen und ihre Dispositionen (als wesentliche Komponenten des Habitus) Auskunft geben« (ebd., S. 251).

      Diese Arbeiten von Beck, Büser und Schubert (2013; 2016) werden hier auch deshalb vergleichsweise ausführlich erwähnt, weil sie zeigen, wie die theoretische Perspektive den Untersuchungsgegenstand formt. Mit dem Habitus-Konzept »geraten statt der spontanen Motive, Heuristiken und Kalküle der Mediennutzungsepisode stärker auch die habitualisierten und ritualisierten Formen des Medienhandelns in den Blick« (Beck u. a. 2013, S. 253). Außerdem fragen Mediennutzungsstudien, die auf Bourdieu aufbauen, nach dem »praktischen Sinn des Mediengebrauchs, und zwar aus der Sicht der Akteure: Medienrepertoires, Medienstile und Medienbewertungen stehen dabei im Mittelpunkt« (ebd.).

      Auch in den anderen Gegenstandsbereichen qualitativer Medienforschung lässt sich leicht zeigen, dass mit jeder Sozialtheorie nicht nur eine bestimmte Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte verbunden ist, sondern auch eine genuine Erkenntnisperspektive. Theoretische Ansätze sind nicht nur dazu da, falsifiziert zu werden (wie Vertreter des kritischen Rationalismus ihren Jüngern manchmal glauben machen wollen). Theorien stellen zuallererst Begriffe bereit, die einen Zugang zur Realität erlauben (vgl. Wiedemann/ Meyen 2013, S. 9). Wer mit Bourdieu arbeitet, will weder beweisen noch widerlegen, dass es so etwas wie einen Habitus oder soziale Felder gibt. Diese Denkwerkzeuge werden vielmehr genutzt, um die soziale Welt zu analysieren. Dass hier am Beispiel von Bourdieus Habitus-Konzept für die Nutzung von Sozialtheorien in der qualitativen Medienforschung plädiert wird, wurzelt in einem Wissenschaftsverständnis, das sich auf Systematik, intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Reflexion stützt (vgl. Meyen u.a. 2011). Dazu gehört, die theoretische Perspektive offenzulegen, die den Zuschnitt des Gegenstandes bestimmt hat. Wie wollte man, um nur auf das Beispiel der Hagemann-Biografie von Thomas Wiedemann (2012) zurückzukommen, die unendliche Fülle eines Lebens zwischen zwei Buchdeckel pressen, wenn nicht mithilfe einer Theorie, die nicht nur die Fragestellung bestimmt, sondern auch die Lebensstationen und Facetten der Persönlichkeit, die man sich näher anschaut (hier: gesehen durch die Habitus-Brille), und damit letztlich sogar die Auswahl der Quellen?

      Literatur

      Beck, Klaus/Büser, Till/Schubert, Christiane (2013): Medialer Habitus, mediales Kapital, mediales Feld – oder: vom Nutzen Bourdieus für die Mediennutzungsforschung. In: Wiedemann, Thomas/Meyen, Michael (Hrsg.): Pierre Bourdieu und die Kommunikationswissenschaft. Internationale Perspektiven. Köln, S. 234–262.

      Beck, Klaus/Büser, Till/Schubert, Christiane (2016): Mediengenerationen. Biografische und kollektivbiografische Muster des Medienhandelns. Konstanz.

      Bourdieu, Pierre (1976): Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt a. M.

      Bourdieu, Pierre (1987a): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.

      Bourdieu, Pierre (1987b): Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a. M.

      Bourdieu, Pierre (1998): Vom Gebrauch der Wissenschaft. Für eine klinische Soziologie des wissenschaftlichen Feldes. Konstanz.

      Eckert, Matthias/Feuerstein, Sylvia (2015): Veränderung und Grundcharakteristik der Mediennutzertypen. In: Media Perspektiven, H. 11, S. 482–496.

      Gleich, Uli (1996): Neuere Ansätze zur Erklärung von Publikumsverhalten. In: Media Perspektiven, H. 11, S. 598–606.

      Haas, Alexander (2007): Medienmenüs. Der Zusammenhang zwischen Mediennutzung, SINUS-Milieus und Soziodemographie. München.

      Jandura, Olaf/Meyen, Michael (2010): Warum sieht der Osten anders fern? Eine repräsentative Studie zum Zusammenhang zwischen sozialer Position und Mediennutzung. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Jg. 58, H. 2, S. 208–226.

      Löblich, Maria (2016): Theoriegeleitete Forschung in der Kommunikationswissenschaft. In: Averbeck-Lietz, Stefanie/Meyen, Michael (Hrsg.): Handbuch nicht standardisierte Methoden in der Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden, S. 67–80.

      Meyen, Michael (2004): Mediennutzung. Mediaforschung, Medienfunktionen, Nutzungsmuster. Konstanz.

      Meyen, Michael (2007): Medienwissen und Medienmenüs als kulturelles Kapital und als Distinktionsmerkmale. Eine Typologie der Mediennutzer in Deutschland. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Jg. 55, H. 3, S. 333–354.

      Meyen, Michael/Fiedler, Anke (2013): Journalists in the German Democratic Republic (GDR). A collective biography. In: Journalism Studies, Jg. 14, H. 3, S. 321–335.

      Meyen, Michael/Löblich, Maria/Pfaff-Rüdiger, Senta/Riesmeyer, Claudia (2011): Qualitative Forschung in der Kommunikationswissenschaft. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden.

      Meyen, Michael/Pfaff-Rüdiger, Senta (Hrsg.) (2009): Internet im Alltag. Qualitative Studien zum praktischen Sinn von Onlineangeboten. Münster.

      Park, David (2014): Pierre Bourdieu. A Critical Introduction to Media and Communication Theory. New York.

      Rosengren, Karl Erik (1996): Inhaltliche Theorien und formale Modelle in der Forschung über individuelle Mediennutzung. In: Hasebrink, Uwe/Krotz, Friedrich (Hrsg.): Die Zuschauer als Fernsehregisseure? Zum Verständnis individueller Nutzungs- und Rezeptionsmuster. Baden-Baden/Hamburg, S. 13–36.

      Scherer, Helmut (2013): Mediennutzung und soziale Distinktion. In: Wiedemann, Thomas/Meyen, Michael (Hrsg.): Pierre Bourdieu und die Kommunikationswissenschaft. Internationale Perspektiven. Köln, S. 100–122.

      Schulze, Gerhard (1992): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt a. M.

      Schwingel, Markus (2005): Pierre Bourdieu zur Einführung. Hamburg.

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