Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
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Christoph Neuberger (2012) hat im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Kooperation mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Gütersloh eine erste, bundesweit koordinierte Absolventenbefragung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft durchgeführt. Eine Gesamtauswertung liegt vor »für die Abschlussjahrgänge 2006 und 2007 sowie für die Abschlüsse Bachelor, Magister und Diplom« (Neuberger 2012, S. 337; Hervorhebung i. Orig.). Die Befragung basiert auf den Antworten von 651 Absolventen aus 32 Studiengängen an 28 verschiedenen Hochschulen. »Bezogen auf alle an der Befragung beteiligten Studiengänge, über die Angaben über die Gesamtzahl der Absolventen/-innen vorlagen, betrug der Rücklauf 30,9 Prozent« (Neuberger 2012, S. 338). Bezogen auf die Gesamtzahl der Absolventen (laut Statistischem Bundesamt) von 5768 Fällen für die Jahre 2006 und 2007 beträgt die realisierte Stichprobe 11,3 Prozent der Grundgesamtheit (Neuberger 2012, S. 340). Da in einer »Übergangsphase« befragt wurde (Auslaufen von Diplom- und Magisterstudiengängen, Einführung von Bachelor- und [53]Masterstudiengängen), bot dies die Möglichkeit des Vergleichs. Hier die Kernergebnisse (Neuberger 2012, S. 346f; Hervorhebung i. Orig.):
• » Uni-Bachelors studieren eher weiter« (Uni-BA-Absolventen mit 57 Prozent in höherem Ausmaß als FH-Absolventen mit nur 15 Prozent).
• » Wer erst in einen Beruf geht, ist oft an einem späteren Studium interessiert« (29 Prozent der Bachelor-Absolventen können sich die Aufnahme eines weiteren Studiums vorstellen).
• »Risikovermeidung durch Weiterstudium« (wegen mangelnder Akzeptanz des Bachelors in der Praxis, aber auch »um noch Zeit für die Berufsfindung« zu gewinnen. »Die Entscheidung, das Studium fortzusetzen, ist also nicht nur durch ein inhaltliches Interesse am Studium erklärbar, sondern auch dadurch, wie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden«).
Neuberger betont abschließend, dass die Studie »nur eine Momentaufnahme in einer Übergangsphase« liefert (Neuberger 2012, S. 347).
Die Kommunikationswissenschaft versteht sich – das wurde eingangs bereits in ähnlicher Weise erwähnt – »als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Ihr Gegenstand sind insbesondere die klassischen Massenmedien, die auf der technischen Plattform Internet aufsetzende Onlinekommunikation und deren vielfältig ausgeprägte Kommunikationsformen und Medienangebote privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation, mit Organisationskommunikation und Public Relations sowie auch mit Werbekommunikation. Das Fach greift in jüngerer Zeit in Forschung und Lehre v. a. »gesellschaftliche Wandlungsprozesse« auf (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Von besonderer Bedeutung sind dabei – so das Selbstverständnispapier der DGPuK – »Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung, Mediatisierung und Ökonomisierung» (ebd.). Dazu im Einzelnen:
Mit Digitalisierung sind Konvergenz- und Differenzierungsprozesse von Medien und Kommunikationsnetzen angesprochen, die sich auf Medienmärkte, Mediengeschäftsfelder, Medien- und Kommunikationsstrategien, Medienproduktion, Medienprodukte und Medienrezeption auswirken. »Die Grenzen zwischen den Mediengattungen – Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Onlinemedien etc. – beginnen sich ebenso aufzulösen wie die Grenzen zwischen privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation« (ebd.).
Mit Globalisierung ist die weltweite Vernetzung angesprochen, von der Medien und Kommunikation geprägt sind und die ihrerseits »Kommunikation und Medien nachhaltig beeinflusst. Produktion, Distribution und Rezeption von Medien erhalten zunehmend grenz- und kulturüberschreitende Dimensionen, die gleichzeitig [zum Teil zumindest, – Ergänzung H. P.] Kulturunterschiede integrieren« (ebd.). In zunehmend individualisierten Gesellschaften, wie wir sie heute weitum vorfinden, »nehmen die Wahl- und Gestaltungschancen der/des Einzelnen ebenso zu wie die damit verbundenen Risiken. Erklärungsmuster, die bei Konzepten wie ›Masse‹ oder ›Publikum‹ (im Singular) ansetzen, erscheinen immer weniger geeignet, den individualisierten Umgang mit Medien zu fassen« (ebd.).
Mit Mediatisierung wird die »zunehmend zeitliche, räumliche und soziale Durchdringung von Kultur und Prozessen der Massenkommunikation« verstanden. Mediatisierung »führt zu Rückwirkungen ›medialer Logiken‹ auf verschiedenste kulturelle und soziale Bereiche« (ebd.), nicht nur – aber insbesondere – Politik, Wirtschaft oder auch Kultur.
Und die beobachtbare, zunehmende Ökonomisierung der Medien führt zu einer »Markt- und Wettbewerbslogik« auch solcher gesellschaftlicher Bereiche, »die bislang kaum berührt waren. Dadurch stellt sich verstärkt die Frage, wie öffentliche Aufgaben der Medien und private Interessen vereinbart werden können« (ebd.).
[54]Das Fach kann an zahlreichen deutschen Universitäten (sowie in Österreich und in der Schweiz) in recht unterschiedlicher Weise, unter unterschiedlichen Fachbezeichnungen (Publizistikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Medienwissenschaft etc.) sowie unter ebenso unterschiedlichen inhaltlichen Fachperspektiven an Universitäten, (künstlerischen) Hochschulen, Fachhochschulen sowie Akademien studiert werden. Es gibt geisteswissenschaftlich orientierte, sozialwissenschaftliche, journalistische bzw. journalistikwissenschaftliche sowie ästhetisch-produktiv-gestalterische Studiengänge (vgl. Wirth 2000, S. 38ff). Die meisten von ihnen wurden in den zurückliegenden Jahren im Zuge des Bolognaprozesses in Bachelor- und/oder Masterstudiengänge umgestaltet. Studienpläne, Studienordnungen und Lehrangebote erweisen sich als heterogen, ebenso deren wissenschaftliche Orientierung. Ihre konkreten Bezeichnungen, Studienziele, inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Adressen und Ansprechpersonen können unter der Rubrik »Service« dem Onlineauftritt der DGPuK entnommen werden (www.dgpuk.de).
In Österreich sind publizistik- bzw. kommunikations- und medienwissenschaftliche Studiengänge an den Universitäten Klagenfurt, Salzburg und Wien eingerichtet (vgl. Siegert et al. 2000). Daneben existieren mehrere andere hochschulgebundene Formen und Einrichtungen (vgl. Siegert et al. 2000, S. 74f; Kaltenbrunner/Kraus 2004). Einen aktuellen Überblick über Entwicklung und Lage der Kommunikationswissenschaft in Österreich vermittelt mit Beiträgen zahlreicher Autoren Heft i/2013 der Fachzeitschrift MedienJournal (Kommunikationswissenschaft in Österreich, 2013). In der Schweiz ist das Fach in Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen und Zürich vertreten mit teils unterschiedlichen Ausrichtungen und inhaltlichen Schwerpunkten; diese sind dem Onlineauftritt der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft SGKM zu entnehmen: www.sgkm.ch/medienatlas.html.
In einem weit gefassten Sinn lassen sich in Deutschland gegenwärtig »drei auf Kommunikation und Medien bezogene, wissenschaftliche Orientierungen unterscheiden: eine eher sozialwissenschaftlich, eine eher geisteswissenschaftliche sowie eine eher technisch und ästhetisch-gestalterisch ausgerichtete« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Die sozialwissenschaftliche Linie, der auch das vorliegende Buch weitgehend folgt, hat sich national wie international unter der Bezeichnung Kommunikationswissenschaft etabliert. Sie befasst sich mit den »sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Neben dem bereits erwähnten Theorienpluralismus zeichnet sich das Fach auch durch einen Methodenpluralismus aus. Zur Klärung von wissenschaftlichen (Forschungs-)Fragen gelangen empirische, quantitative und qualitative Verfahren zur Anwendung.
Was das mögliche Leistungsspektrum betrifft, so versucht die Kommunikationswissenschaft v. a. dreierlei: Sie möchte 1) »Beiträge zur Aufklärung der Gesellschaft durch Grundlagenforschung« leisten, wobei »das Wechselverhältnis von Kommunikation, Medien und Gesellschaft« im Vordergrund steht. Sie versucht 2) »Problemlösungen für die Medien- und Kommunikationspraxis in Form angewandter Forschung« zu liefern, wobei es u. a. um Mediennutzungsforschung (Print, Radio, TV, Online), Umfrageforschung und Wähleranalysen