Nachhaltigkeit interdisziplinär. Группа авторов

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Nachhaltigkeit interdisziplinär - Группа авторов

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Prominenz erhalten hat, aber meist nur gekürzt und ohne weiteren Kontext wiedergegeben wird, ist folgender:

      Wird derhalben die gröste Kunst / Wissenschafft / Fleiß / und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unent berliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse [Wesen] nicht bleiben mag. (von Carlowitz 2013: 216)

      Hier taucht der Ausdruck „nachhaltende Nutzung“ [Hervorh. T. S.] auf und charakterisiert die Weise, in der der Wald bewirtschaftet werden sollte. Damit ist im Kern ein Grundsatz formuliert, welcher den Nachhaltigkeitsdiskurs der letzten 30 Jahre geprägt und dessen Aussage nicht an Plausibilität verloren hat: Im Wald sollte man nicht mehr Holz schlagen, als nachwächst. Als Ausgangspunkt für die Analyse des Nachhaltigkeitsdiskurses lohnt es sich also, genauer zu untersuchen, durch welche wesentlichen Elemente sich von Carlowitz’ Verständnis von Nachhaltigkeit auszeichnet. Allerdings sei in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein Spezifikum des deutschsprachigen Diskurses handelt.8

      Gleich zu Anfang, noch in der Widmung für den Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August I., formuliert von Carlowitz seine Beweggründe für das Verfassen dieses umfangreichen Werkes (2013: 94): Es gehe ihm darum,

      den Handel und Wandel zuerheben / und dadurch sattsame Nahrung und Unterhalt für sie [„die armen Unterthanen“] zu conserviren / worunter der Berg-Bau bey Ew. Königl. Maj. Weltberufenen Sächsischen Ertz-Gebürge / als ein großes Momentum, zum Besten des gemeinen Wesens / bevorab zu rechnen / dadurch viele herrliche Städte / Flecken und Dörffer eingebauet / viel tausend Menschen ernehret / große Summen Geldes in Deroselben und Dero benachbarten Landen zum rouliren bracht / und vermittelst derer Metallen und Mineralien auch daraus gefertigten Manufacturen / das Commercium bey der Kauffmannschafft ins Land gezogen / je mehr und mehr verstärcket / darinnen erhalten / und folglich Ew. Königl. Maj. hohes Interesse immer möglichst befördert wird.

      Der „Handel und Wandel“ soll angeregt werden, um die Menschen der Region zu ernähren. Dabei stellt der Bergbau ein „großes Momentum“, also einen entscheidenden Aspekt, „zum Besten des gemeinen Wesens“ dar. Was hier ebenfalls auftaucht, ist die Strategie „zu conserviren“ und „bevorab zu rechnen“, also Berechnungen anzustellen, die künftige Entwicklungen vorhersagen und dadurch Nahrung und Unterhalt sichern können. Insgesamt handelt es sich um einen Vorschlag, der – im Sinne des „Commercium“ – auf wirtschaftliche Erfolge abzielt, um auf diese Weise wiederum dem Gemeinwohl, auch in Zukunft, zu dienen.

      Im anschließenden Satz wird noch einmal die wesentliche Rolle betont, welche die Bergwerke spielen. Es ist tatsächlich ein Satz; in dem auch der Zusammenhang mit dem Wald bzw. dem Holz hergestellt wird:

      In dieser Betrachtung nun / und sonderlich wie die Bergwercke / als das edle Kleinod und unschätzbare heilige Nahrungs-Mittel / bey Ew. Königl. Maj. Churfl. Sächß. Landen / wegen anscheinenden Holtz-Mangel künfftig nicht in Abfall kommen / und dadurch die florierende Commercia gehemmet werden möchten / […] wie das Holtzwesen in Ew. Königl. Maj. Churfürstl. Sächsischen Landen etzlicher maßen zu unterhalten / und der befürchtende Holtz-Mangel durch den Anflug und Wiederwachs des jungen Holtzes / bey und auf denen großen Blösen / und Stock-Räumen / derer in viel tausend Ackern bestehend abgetriebener und abgehöltzter Wälder / denen Nachkommen zum Besten / nach und nach wiederzuersetzen / und dadurch den lieben Bergwerck / (welches in Ew. Königl. Majest. Landen / durch Gottes Seegen unerschöpfflich / aber ohne sattsames Holtz / nicht geführet werden mag) so wohl voritzo / als künfftighin zu Vermehr- und Erweiterung zu statten zu kommen / zumahl weil doch Grund und Boden gnugsam hierzu vorhanden / und bey dessen pfleglicher Holtz-Cultur solches hinfüro nicht ermangeln kan. (von Carlowitz 2013: 94 f.)

      Die Bergwerke werden hier als „Kleinod“ und „unschätzbare heilige Nahrungs-Mittel“ beschrieben. Sie seien zwar durch Gottes Segen unerschöpflich, aber könnten ohne Holz nicht betrieben werden. Anlass zur Sorge bereitet von Carlowitz der zu seiner Zeit offenbar breit diskutierte „befürchtende Holtz-Mangel“. Diesen wolle er durch Vorschläge für eine „pflegliche[ ] Holtz-Cultur“ überwinden – und das komme dann auch einer „florierende[n] Commercila“ zugute. Auf welche Weise er den Holzmangel bekämpfen möchte, nimmt er im Kern hier schon vorweg: Es gehe darum, die Brachflächen und abgeholzten Felder wieder aufzuforsten.9 Der geographische Bereich, auf den er sich bezieht, sind die „Churfürstl. Sächsischen Landen“. Zeitlich hat er seine Gegenwart, aber auch die Zukunft – „so wohl voritzo / als künfftighin“ – im Blick, denn die Maßnahmen seien auch „denen Nachkommen zum Besten“.

      Anhand der fünf Kernaspekte lässt sich von Carlowitz’ Darstellung folgendermaßen strukturieren: Den Anlass zur Niederschrift seiner Vorschläge bildet für von Carlowitz der Holzmangel.10 Dieser habe dazu geführt, dass bereits viele Bergwerke in Europa und weltweit nicht mehr ausgelastet seien und folglich auch nicht mehr auf ihre Kosten kämen (vgl. von Carlowitz 2013: 99) – letztlich handelt es sich also um eine ökonomische Begründung. Als Ursache für den Holzmangel identifiziert er den Umstand, dass viele Wälder abgeholzt und zu landwirtschaftlichen Flächen oder Gärten und Teichen umfunktioniert worden seien (vgl. von Carlowitz 2013: 98).

      Die entscheidende Ressource ist das Holz. Dessen Zentralität begründet von Carlowitz allgemein und insbesondere in Bezug auf den Bergbau (2013: 98):

      daß man ohne dasselbe [das Holz] / nebenst dem lieben Brodt / weder zu Saltze noch Schmaltze zugelangen / noch zu kochen / zu brauen / ja nicht in Trocknen zu wohnen / noch weniger den Leib den harten Winter durch / vor Frost und Kälte gesund und bey Kräfften lebendig zu erhalten / vermag / zugeschweigen daß ohne dessen Bey-Hülffe auch bey dem Edlen Bergbau zu denen untersten Schätzen der Erden in keinerley Wege zukommen / und also weder Silber noch Gold / oder andere Metalle und Mineralien / worinnen doch der nervus rerum gerendarum [Hauptbeweggrund] bey dem gemeinen Wesen bestehet / fündig zu machen / zu schmeltzen / zu münzen / noch sonsten zu Nutze zu bringen.

      Dem drohenden Mangel will von Carlowitz durch Vorausberechnung der Holzbestände begegnen. In diesem Zusammenhang schreibt er immer wieder davon, dass man im Grunde die nächsten 100 Jahre im Blick haben müsse (vgl. etwa von Carlowitz 2013: 210). Letztlich geht es um eine Nullsummenrechnung, dass nur so viel Holz verbraucht werden kann, wie auch nachwächst. Um den Bedarf an Holz und die Bestände berechnen zu können, braucht er eine Bezugseinheit. Als solche fungiert bei ihm das Land Sachsen bzw. die darin zur Verfügung stehenden Waldflächen.11

      Um den Bestand zu konservieren, müssten weitere Flächen aufgeforstet werden. Hierzu braucht es ein genaues Wissen über die Aufzucht neuer Bäume, das Wachstum verschiedener Arten usf., kurz: die Forstwissenschaft, die er etablieren und deren Wissen er unter den Menschen verbreiten möchte.12 Das bedeutet auch, dass der Wald hier nicht als natürliches Ökosystem für sich geschützt werden soll. Vielmehr ist es ein Plädoyer für einen auf forstwissenschaftlichem Wissen beruhenden menschlichen Eingriff, der den Wald dann auch in eine forstwirtschaftliche Ressource wandelt (vgl. Kaufmann 2004: 174 f.).

      Hans Carl von Carlowitz ist Leiter des sächsischen Oberbergamts und besetzt somit die Stelle, an der alle Informationen zusammengeführt sowie die wichtigen forstwirtschaftlichen Entscheidungen getroffen werden.13 Wenn also jemand über das Wissen verfügt, das er hier zugleich einfordert und verbreiten möchte, dann er selbst. Somit stehen als Akteure14 er und seine Institution des Oberbergamts im Zentrum des beschriebenen Geschehens mit dem Anspruch, auf dieses einen erheblichen Einfluss ausüben zu können.

      Wenn man das Verständnis von Nachhaltigkeit, wie es hier formuliert ist, zusammenfasst, dann wird ein Bezug zu einer Einheit hergestellt – das ist hier das Land Sachsen. Innerhalb dieser Einheit geht es um Holz als endliche und lebenswichtige Ressource, die eine hohe ökonomische Relevanz aufweist. Diese Ressource wird nicht

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