Nachhaltigkeit interdisziplinär. Группа авторов

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      Zunächst einmal ist die letzte Bezugseinheit die Menschheit – die Grafik ist untertitelt mit „Aussichten der Menschheit“ (Meadows et al. 1980: 13). Diese Einheit wird in sich differenziert, es werden verschiedene Rollen verteilt. Diese Differenzierung sei keine normative, sondern eine, die sich objektiv nach rein mathematisch berechenbaren Kriterien richte – das suggeriert die Darstellungsweise der Grafik. Die Menschen werden danach eingeteilt, wie weitsichtig sie denken und handeln können, sowohl zeitlich als auch räumlich gesehen. Demnach sind links unten diejenigen verortet, die zeitlich wie räumlich begrenzt denken und handeln. Daher rührt die Qualifikation, dass sie „ein schweres Leben“ hätten. Auch der nächstliegende Teil der Menschheit empfinde „Lasten“, aber sie bezögen sich eben auf weitere Kreise, wie die „Nation“, und auch zeitlich werde in längeren Zeitspannen gedacht und gehandelt.

      Nun steckt implizit bereits in dieser Grafik eine weitere Rolle: die Selbstverortung der Beschreibenden. Dies ist die Einleitung in einen Bericht, der den Zustand der Menschheit bzw. der Erde beschreiben und dabei Berechnungen anstellen möchte, wie diese sich über die nächsten Jahrhunderte entwickeln werden. Die Forscherinnen und Forscher gehören folglich, wie sie dann auch selbst schreiben, „in die obere rechte Ecke des Koordinatensystems von Abbildung 1“ (Meadows et al. 1980: 14). Es handelt sich um die Wenigen, die in der Lage sind, auf die größtmögliche räumliche Einheit – die Erde, die Menschheit oder den Planeten – und eine langfristige Zeitspanne – von „Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten“ (Meadows et al. 1980: 15) – bezogen zu denken und Handlungsvorschläge zu machen, also den „langfristigen weltweiten Problemen“ (Meadows et al. 1980: 15) nachzugehen.23

      Das Verständnis von Nachhaltigkeit in den Grenzen des Wachstums ist am Ideal des Gleichgewichts ausgerichtet:

      Wir suchen nach einem Modellverhalten, das ein Weltsystem repräsentiert, das 1. aufrechterhaltbar [sustainable] ist ohne Tendenz zu plötzlichem unkontrolliertem Zusammenbruch und 2. die Kapazität besitzt, die materiellen Bedürfnisse der Weltbevölkerung zu befriedigen.24

      Ein entsprechendes Modellverhalten sähe so aus, dass sich die verschiedenen Größen wechselseitig und innerhalb ihres Regelkreises in einem systemischen Gleichgewicht halten (vgl. Abb. 3). Auch wenn sie in Form ‚nüchterner‘ Graphen dargestellt werden, so handelt es sich dennoch um zwei völlig verschiedene, aber durchaus drastische Zukunftsszenarien, die hier einander gegenübergestellt werden: den ‚Kollaps‘ des Weltsystems und das systemische Gleichgewicht.25

      Unsere gemeinsame Zukunft

      Als Ergänzung der beiden anderen Texte möchte ich auf zwei Kernaspekte aus der Analyse des Brundtland-Reports mit dem Titel Unsere gemeinsame Zukunft eingehen – alle weiteren Kriterien aber aus Platzgründen auslassen.26 Im Anschluss an das letzte Beispiel sei gleich zu Beginn gesagt, dass im Brundtland-Report das Wachstum wieder eingeführt wird, aber als „dauerhafte Entwicklung“ („sustainable development“), und es wird der Versuch unternommen, die oben beschriebene soziale Asymmetrie über die Zusammensetzung einer „Weltkommission“ zu umgehen (vgl. Brand/Jochum 2000: 20–25). Die Kommission wird 1983 von den Vereinten Nationen als ein unabhängiges Gremium initiiert.27 Ihr gehören Mitglieder aus 22 Ländern aller Kontinente an. Geleitet wird sie von der späteren norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. Nach drei Jahren gemeinsamer Arbeit legt die Kommission 1987 der UNO-Generalversammlung ihren Bericht vor. Ihr Verständnis von Nachhaltigkeit definiert sie wie folgt: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Weltkommission 1987: 46).

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      Der Anlass für ihre Arbeit besteht in der Gefährdung der Umwelt: „eine gemeinsame Besorgnis um den Planeten und die verflochtenen ökologischen und wirtschaftlichen Bedrohungen“ (Vorwort Brundtland in Weltkommission 1987: XXII f.). Zur Verdeutlichung zählen sie die Umweltkatastrophen auf, die sich allein während der drei Jahre ihrer Arbeit ereigneten: darunter sind die Dürre in Afrika, das Bhopal-Unglück in Indien und Tschernobyl (vgl. Weltkommission 1987: 5). „Diese Herausforderungen überschreiten die Grenzen nationaler Hoheit, begrenzter Strategien von wirtschaftlichem Gewinn und getrennter Wissenschaftsdisziplinen“ (Vorwort Brundtland in Weltkommission 1987: XX). Der Bezug auf die Einheit ergibt sich bereits aus der Verflechtung und dem grenzüberschreitenden Maßstab der Bedrohungen.28 „Die zu bewältigenden Probleme sind sowohl miteinander verflochten als auch Teil eines größeren Ganzen“ (Weltkommission 1987: 11).

      Es gibt noch einen weiteren Anlass und Einheitsbezug, der in den ersten Sätzen des Berichts formuliert wird:

      Mitte des 20. Jahrhunderts gewahrten die Menschen zum ersten Mal den Anblick, den ihr Planet aus dem All bietet. Vielleicht werden künftige Historiker einmal zu der Einsicht gelangen, daß dieser Anblick unser Bewußtsein grundlegender veränderte, als es selbst der – das menschliche Denken zutiefst erschütternden – Kopernikanischen Revolution des 16. Jahrhunderts durch das Verbannen der Erde aus dem Mittelpunkt der Welt gelungen war. Aus dem All erscheint die Erde als kleine, zerbrechliche Kugel, geprägt nicht von menschlichem Wirken, sondern von Wolken, Ozeanen, Wäldern und Kontinenten. Die Unfähigkeit der Menschen, ihr Wirken diesen Gegebenheiten unterzuordnen, hat grundlegende Auswirkungen auf globale Wirkungszusammenhänge zur Folge. Viele dieser Auswirkungen gehen Hand in Hand mit lebensbedrohenden Gefahren. Dieser neuen, unentrinnbaren Wirklichkeit gilt es ins Auge zu sehen, und sie müssen wir in den Griff bekommen. (Weltkommission 1987: 1)

      Hier wird der Anblick des Planeten – nicht mehr unbedingt der Welt oder der Erde – aus dem All geschildert. Die Erzählperspektive, die dabei eingenommen wird, entspricht dem Blick aus dem Weltraum. Aus großer räumlicher Distanz wird die ‚kleine, zerbrechliche Kugel‘ beschrieben. Auch zeitlich handelt es sich um die Fern-Perspektive zukünftiger Historiker, die auf diese Zeit zurückblicken bzw. die Geschichte der letzten Jahrhunderte überblicken.29

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      Der Blick aus dem All, der am Anfang des Zitats aufgerufen wird, bezieht sich auf eine Aufnahme, die der Astronaut Harrison Schmitt am 7. Dezember 1972 im All beim Flug mit der Apollo-17-Kapsel gemacht hatte (vgl. Abb. 4).30 Sie wurde „blue marble“, also ‚blaue Murmel‘, und dann später ‚der Blaue Planet‘ betitelt (vgl. Heise 2008: 22–28; Schneider 2018: 335–379). Sie zeigt im Original den Südpol oben und ist „zur besseren Orientierung“ meist um 180° gedreht. Dieser fotografischen Aufnahme geht das Bild „earthrise“ vom 24. Dezember 1968 voraus (Apollo 8), das William Anders aufgenommen hatte (vgl. Abb. 5).31 Es wurde im Original mit der Mondfläche in der Vertikalen fotografiert, wird aber meist um 90° gedreht. Beide Fotos haben zunächst einmal dokumentarischen Charakter. Aber schon der Umstand, dass sie anders gezeigt als fotografiert werden, verdeutlicht, dass sie mehr darstellen als bloß fotografische Aufnahmen – sie haben, so könnte man vorsichtig formulieren, eine Orientierungsfunktion, man verortet sich selbst, das eigene Dasein auf der Erde, über diese Bilder, weswegen ihre Ausrichtung auch so wichtig ist.32

      Das

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