Naturphilosophie. Группа авторов

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in der Bestimmung des Zusammenwirkens von göttlicher Vorsehung und Freiheit der Geschöpfe.

      5.2 Natur als Norm?

      Im Mittelalter hatte die Natur auch den Charakter einer durch den Schöpfungsratschluss begründeten Norm. Mit dem Aufkommen von Humanismus und Renaissance beginnt der Mensch an sich selbst Maß zu nehmen und die Natur zunehmend als seinen Gestaltungsraum zu entdecken. Der Mensch selbst wird zum Maß der Dinge, und im Zusammenspiel mit dem Entstehen der neuzeitlichen Wissenschaft wird Natur zunehmend als Raum und Material verstanden, dem der Gestaltungswille des Menschen gegenüber steht. Im Lichte einer mathematischen Beschreibung der Natur (→ I.3), wie sie sich zunächst an den Himmelserscheinungen erprobt und dann auf die Fallgesetze und anderes ausgeweitet wird, erscheint der Schöpfer weniger als inneres Wirk- und Erhaltungsprinzip der Schöpfung denn als ihr Konstrukteur. Entsprechend sollen die Menschen durch Einsicht in die Gesetze der Schöpfung befähigt werden, sich die Natur durch Technik verfügbar zu machen und zu „Meistern und Besitzern der Natur“ (Descartes [1637] 1997: 101) aufzuschwingen.

      5.3 Wandlungen im Naturbegriff

      War die von Augustinus inspirierte Wendung ‚Buch der Natur‘ (liber naturae) mit einer Betonung des Abbild- und Gleichnischarakters der Welt im Mittelalter durchgängig vertreten worden, so lassen die Durchbrüche in der Kosmologie der frühen Neuzeit die Unabhängigkeit des Buches der Natur und des Zugangs zu seinem Verständnis in neuem Licht erscheinen (→ I.1). Johannes Kepler (1571–1630) versteht die Astronomen als „Priester des Schöpfergottes am Buch der Natur“ (Kepler [1598] 1991: 9), und Galileo Galilei (1564–1642) macht die Unabhängigkeit beider Bücher und ihre unterschiedlichen Aussageabsichten zum hermeneutischen Programm: Während das Buch der Schrift uns zum Heil führen soll, ist das Buch der Natur dem forschenden Verstehen des Menschen mittels mathematischer Rekonstruktion zugänglich geworden (Galilei [1623] 1968: 232; → I.3).

      Charakteristisch für die Neuzeit ist der grundlegende Wandel im Naturbegriff, der immer mehr theologische Qualitäten übernimmt. Die Dynamisierung der Natur als eines unendlichen und produktiven Seins führt dazu, dass Schöpfer und Natur, dass die schaffende Natur (natura naturans) und die geschaffene Natur (natura naturata; → II.1/Abschn. 2.2), immer enger zusammenrücken. Das Übernatürliche erscheint nicht mehr als das die Natur Begründende, sie Erhaltende, Bewegende und Vollendende, sondern als das Un-Natürliche. Jeder transzendente Eingriff muss als intellektuelle |29|Zumutung sowohl an den Natur- als auch an den Gottesbegriff erscheinen, dessen Bedeutung im Deismus konsequenterweise auf die Schöpfung am Anfang reduziert wird, während die Erhaltung durch die Naturgesetze und durch die Übereinstimmung der Natur mit sich selbst garantiert wird. Wird die Natur im 18. Jh. noch wesentlich mechanistisch als planvoll konstruierte Maschine verstanden (so auch in der sog. Physikotheologie; → III.8/Abschn. 2.), so treten im 19. Jh. vermehrt die biologischen Züge in den Vordergrund. In der Evolutionstheorie Charles Darwins (1809–1882) wird die Kette der Lebewesen bis hin zum Menschen als das Resultat eines produktiven Zusammenwirkens von Naturkräften durch Variation und Selektion verstanden, so dass die in den biblischen Schöpfungserzählungen dargestellten Vorgänge als naturwissenschaftlich unhaltbar gelten müssen.

      5.4 Schleiermacher und das 19. Jahrhundert

      Auf die Destruktion der Kategorie des Supranaturalen durch die Aufklärung und auf den Einspruch der Naturwissenschaften gegen die biblischen Schöpfungsvorstellungen reagiert der evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher (1768–1834), indem er in seiner Glaubenslehre eine konsequente Umwandlung der traditionellen Schöpfungslehre in eine Reflexion auf das menschliche Selbstverständnis vornimmt. Insofern Theologie nichts anderes sein könne als eine Auslegung des christlich-frommen Selbstbewusstseins, könne sie im Grunde nur immanente Prinzipien eines immer schon existierenden Etwas entfalten, aber keine Lehre über einen absoluten Anfang aufstellen. Gott und Natur stehen sich nicht gegenüber, sondern die Natur ist im frommen Gottesbewusstsein zu verstehen als mit der tätigen Wirksamkeit Gottes identisch, so dass die „göttliche Ursächlichkeit als der Gesammtheit der natürlichen dem Umfange nach gleich […] dargestellt“ (Schleiermacher [1830/31] 2008: 309) wird. Insofern sind ‚Gott‘ und ‚Welt‘ ähnlich wie ‚Natur‘ und ‚Geist‘ sich wechselseitig bedingende Kategorien: „Kein Gott ohne Welt, so wie keine Welt ohne Gott“ (Schleiermacher [1839] 2002: 269). Schleiermacher entfaltet deshalb die Natur nicht als das Produkt eines herstellenden göttlichen Handelns, sondern als unmittelbaren Ausdruck Gottes, der nicht planmäßig die beste aller möglichen Welten konstruiert, sondern in freier Kreativität beständig schaffend tätig ist. So teilt sich die göttliche Weisheit in Natur und Geist gleichermaßen mit und stellt sich in ihnen dar, so dass die Natur und also „das gesammte endliche Sein […] als das schlechthin zusammenstimmende göttliche Kunstwerk“ (Schleiermacher [1830/31] 2008: 507) aufzufassen ist.

      6. Herausforderungen eines christlichen Schöpfungsverständnisses heute

      Nach einer Phase der Konzentration auf anthropologische Fragestellungen sucht die christliche Schöpfungstheologie seit einiger Zeit die Kategorie der Natur in ihre Perspektive wieder einzuholen. Das geschieht zum einen im Gespräch mit den Naturwissenschaften, das nun nicht mehr das biblische Weltbild zu verteidigen sucht, sondern |30|als Debatte um ein angemessenes religiöses Wirklichkeitsverständnis geführt wird. Dazu haben auch Entwicklungen der Naturwissenschaften im 20. Jh. beigetragen, die eine Überwindung der Diastase von Natur – Geist bzw. Natur – Mensch möglich erscheinen ließen. Nachdem sich zunächst eher Einzelne dem Thema der Natur zuwandten (z.B. Karl Heim, 1874–1958, im evangelischen und Pierre Teilhard de Chardin, 1881–1955, im katholischen Raum), wird der vornehmlich in der angelsächsisch geprägten Welt geführte Diskurs zwischen science and religion in der deutschsprachigen Theologie etwa von Wolfhart Pannenberg (1928–2014), Jürgen Moltmann (geb. 1926) und Michael Welker (geb. 1947) aufgegriffen. Als anregend haben sich dabei prozessphilosophische und -theologische Entwürfe erwiesen (Charles S. Peirce, 1839–1914; Alfred N. Whitehead, 1861–1947) (vgl. z.B. Deuser 1993).

      Darüber hinaus haben ökologische Fragestellungen die Debatte angeregt (vgl. Rau et al. 1987), die die Natur nicht als bloße Ressource, sondern in religiöser Perspektive in ihrem Eigenwert wahrnehmen und den menschlichen Umgang mit der Natur entsprechend ausrichten wollen. Damit werden auch kritische Anfragen an das Christentum aufgenommen, denen zufolge eine religiös unterfütterte anthropozentrische Naturvergessenheit der christlichen Tradition für die ökologische Krise jedenfalls mitverantwortlich ist (Amery 1972). Seit den 1980er Jahren hat sich das Schlagwort der „Bewahrung der Schöpfung“ etabliert, das im Zusammenhang des sog. Konziliaren Prozesses geprägt wurde, auf den sich 1983 die Mitglieder der VI. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver verpflichteten. Mit dieser nicht unproblematischen Formel (vgl. Graf 1990) sucht christliche Schöpfungstheologie auch den Anschluss an andere Formen wertschätzender Wahrnehmung der ethischen (→ III.5), leiblichen (→ III.1) und ästhetischen (→ III.2) Aspekte der Natur und des Natürlichen.

      Literatur

      Ahn, Gregor 1999: Schöpfer/Schöpfung I. Religionsgeschichtlich. In: Müller, G. et al. (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, Bd. 30. Tübingen: 250–258.

      Amery, Carl 1972: Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen des Christentums. Reinbek.

      Augustinus: Genesis = Augustinus, Aurelius [401–414] 1961: Über den Wortlaut der Genesis. De Genesis ad litteram libri duodecim. Der große Genesiskommentar in 12 Büchern, I. Bd.: Buch I bis IV. Hg.: C.J. Perl. Paderborn. [https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00046071_00001.html].

      Descartes, René [1637] 21997:

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