Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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untersucht (Popitz et al. 1957b). Alle Studien bestätigten, dass die Arbeiter sich mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland arrangiert hatten, auch wenn sie die Gesellschaft in ein »oben« und ein »unten« geteilt sahen. Der ehemals angenommene enge Zusammenhang zwischen Arbeitssituation und Bewusstsein erwies sich als zu kurz gegriffen, da subjektive Aneignungsprozesse der Arbeitssituation durch die Arbeiter mit in Betracht gezogen werden mussten, für die auch Erfahrungen in der außerberuflichen Lebenswelt von Bedeutung sind.

      Eine tayloristische Arbeitsgestaltung galt in dieser Zeit als eine dem kapitalistischen Produktionsprozess angemessene Form der Arbeitsgestaltung. Zu Beginn der 1980er Jahre hatten sich freilich die Dimensionen von Rationalisierung sowohl hinsichtlich ihrer Ziele als auch hinsichtlich ihrer Reichweite verändert. Zum einen waren die Anforderungen an qualitative und quantitative Flexibilität gestiegen: vom Anbietermarkt zum Käufermarkt, so kann diese Entwicklung benannt werden. Damit wandelte sich auch die Perspektive von Rationalisierung: nicht mehr wie bisher Fertigung für einen Massenmarkt mittels standardisierter, hochproduktiver Maschinen und spezialisierter Arbeitskräfte, sondern flexible Spezialisierung, d. h. eine auf die jeweiligen Kundenwünsche ausgerichtete Fertigung durch Facharbeiter.

      Zum anderen waren komplexe Informationsund Kommunikationstechniken bis zur Anwendungsreife entwickelt worden. Die Mikroelektronik hielt auf breiter Front Einzug in die Produktion. Dadurch wurde die Realisierung der gewandelten Rationalisierungsperspektive überhaupt erst denkbar; ohne Mikroelektronik in der Produktion wäre eine zugleich flexiblere und kostengünstigere Produktion kaum möglich gewesen. Es entstand ein »neuer Rationalisierungstyp«, die systemische Rationalisierung (Altmann et al. 1986); er zeichnete sich dadurch aus, dass Rationalisierung nun in der Perspektive auf den gesamten betrieblichen Ablauf erfolgte und dabei durch die Nutzung der Mikroelektronik auch Liefer-, Bearbeitungs- und Distributionsprozesse einbezogen werden konnten. Zeitgleich diagnostizierten Kern und Schumann (1984) unter der Überschrift »Ende der Arbeitsteilung?« neue Produktionskonzepte – oder zumindest deren Möglichkeit. Lebendige Arbeit galt zunehmend weniger als ein Störfaktor der Produktion, deren Unberechenbarkeit durch Vorstrukturierung und Technisierung in Schach zu halten ist, sondern auch aus einer ökonomischen Perspektive war die Wertschätzung der qualitativen Potentiale von Arbeit gestiegen; selbst im Management fand sich zunehmend eine Sichtweise, der zufolge es Gestaltungsoptionen auszuschöpfen galt, um die Qualifikations- und Motivationspotenziale von Arbeitern zu nutzen.

      Einen nachhaltigen Einfluss übten dann die Ergebnisse einer weltweit durchgeführten Automobilstudie aus (Womack et al. 1990), die die Vorteile einer in Japan implementierten Produktionsweise herausstellte, von den Autoren »lean production« genannt. Der Erfolg dieser insbesondere bei Toyota entwickelten schlanken Produktion begründete sich nicht etwa in einer überlegenen Technik, einer weit vorangetriebenen Automation oder dergleichen, sondern in einer überlegenen Organisations- und Kooperationsform, die sich vor allem durch eine Dezentralisierung von Unternehmensstrukturen auf allen Ebenen auszeichnete. Für die Arbeitsebene popularisierte dies u. a. die Vorteile von Gruppenarbeit in der Fertigung, d. h. der Arbeit in dauerhaft eingerichteten Gruppen, der auch Entscheidungskompetenzen zugewiesen werden, die zuvor den unmittelbaren Vorgesetzten oblagen. Diese Form der Arbeitsgestaltung wurde nun nicht mehr nur als eine unter Aspekten einer Humanisierung der Arbeit wünschenswerte, sondern als eine auch ökonomisch[29] sinnvolle Form der Arbeitsgestaltung angesehen. Entsprechend wurde in vielen Unternehmen von der Einzelarbeit auf Gruppenarbeit umgestellt, so dass mittlerweile unter dem Label »Gruppenarbeit« eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Organisationsformen figuriert. Allen gemeinsam aber ist, dass die Arbeitsinhalte, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, erweitert und Entscheidungskompetenzen in die Gruppe verlagert worden sind.

      Neuere Entwicklungen

      Im Zusammenhang mit dem Konzept des »Shareholder Value« werden die auf Arbeit bezogenen Veränderungen in den letzten zwei Dekaden als Folgen einer »Vermarktlichung« rubriziert. Mit dieser Metapher soll darauf hingewiesen werden, dass Unternehmen sich gegenüber den Anforderungen externer Märkte geöffnet haben; der Erfolg am Markt soll für alle Unternehmensangehörigen zum Bezugspunkt ihres Handelns werden (»Unternehmer im Unternehmen«). Zugleich werden marktliche Elemente zunehmend als Steuerungsinstrumente genutzt, indem die unternehmensinterne Steuerung als (indirekte) Steuerung mit Hilfe von Kennzahlen erfolgt. Gewinnmargen und Ergebniserwartungen werden zu verbindlichen Zielgrößen. Auf Unternehmensebene geht dies bspw. einher mit einer Aufsplittung in Profit-Center, die in über Geld definierte Beziehungen treten – bis hin zu einer fiktiven oder faktischen Konkurrenz von Unternehmenseinheiten. Auf der Arbeitsebene bedeutet dies, dass die Leistungskontrolle verstärkt über marktlich bewertete Outputgrößen erfolgt und weniger als direkte Kontrolle des Arbeitsverhaltens; Steuerung qua Hierarchie tritt zurück zugunsten einer Selbststeuerung (»von der Prozesskontrolle zur Ergebniskontrolle«). Damit werden bislang gültige Standards der Arbeitsbedingungen, bisher übliche Formen der Beschäftigung und die bisher übliche Organisation von Arbeit verändert; Arbeitszeit und Personaleinsatz werden flexibilisiert, und seitens der Unternehmen wird vermehrt auf Selbstorganisation der Beschäftigten gesetzt. Dies geht einher mit einem veränderten Verständnis von Leistung: Als Leistung gilt nicht mehr eine der Aufgabe angemessene Leistungsverausgabung, sondern der Grad der Erreichung eines vereinbarten oder verordneten Ziels; letztlich zählt nicht mehr die Mühe, sondern der Erfolg, der sich auf dem Markt zu beweisen hat.

      Dies führt zu Phänomenen, die als Entgrenzung diskutiert werden. Durch Prozesse der Dezentralisierung sind ehemals klare Grenzen undeutlich geworden. Die organisatorischen Grenzen von Unternehmen werden unschärfer, wenn sie sich zu Netzwerken wandeln, die durch marktliche Beziehungen verbunden sind. Ebenso verwischen sich die durch die vertikalen und horizontalen Trennlinien gezogenen Grenzen innerhalb von Betrieben, wenn im Zuge der Selbstorganisation Kompetenzen »nach unten« verlagert werden. Und schließlich werden die Grenzen zwischen Arbeit und Leben undeutlicher, wenn von Arbeitnehmern verlangt wird, sich in ihrem Handeln an den Unternehmenszielen zu orientieren und die an sie gestellten zeitlichen und räumlichen Flexibilitätsanforderungen zu bewältigen. Dies geht einher mit einer Subjektivierung der Arbeit. Der Subjektivitätsbedarf seitens der Unternehmen ergibt sich daraus, dass Regeln, Routinen und Vorgehensweisen nur unvollständig vorab definiert werden können. Subjektive Fähigkeiten sollen deswegen für betriebliche Zwecke genutzt werden; Haltungen, Wissen, Fertigkeiten, Motive, Gefühle, Werte etc. werden in Verwertungsstrategien einbezogen. Dies trifft durchaus auf Ansprüche der Beschäftigten an die Gestaltung ihrer Arbeit. Im Zuge des Wertwandels sind die Ansprüche an Selbstverwirklichung gewachsen, und dies betrifft auch die Sphäre der Arbeit; auch hier wollen die Beschäftigten ihre Subjektivität stärker berücksichtig wissen. In diesem Sinne unterliegt Erwerbsarbeit einem doppelten Subjektivierungsprozess: Einerseits haben Betriebe einen erhöhten funktionalen Bedarf an Subjektivität, andererseits tragen die Individuen verstärkt subjektive Ansprüche an ihre Arbeit heran. Darin begründet sich die Ambivalenz von Subjektivierung. Subjektive Fähigkeiten und Eigenschaften dürfen nicht nur in den Arbeitsprozess eingebracht werden, sie müssen auch genutzt werden; eine Eigenleistung wird nicht nur erlaubt, sie wird selbst dann gefordert, wenn sie gar nicht gewollt ist. Die Möglichkeit, die eigene Subjektivität in den Arbeitsprozess einbringen zu können, bedeutet zugleich den Zwang, die eigene Arbeitskraft umfassend zu ökonomisieren. Dies ist nicht beschränkt auf die Sphäre der Erwerbsarbeit allein, sondern Ausdruck übergreifender gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, die in der Soziologie als Individualisierung diskutiert werden.

      Subjektivierung und Entgrenzung kulminieren in einem Typus von Arbeitskraft, für den sich die Bezeichnung [30]»Arbeitskraftunternehmer« eingebürgert hat, einem Unternehmer, der die eigene Arbeitskraft vermarktet. Der relativ gesicherte und standardisierte Status eines Arbeitnehmers mit relativ stetigen Arbeitsvorgaben wird im Grundsatz ersetzt durch einen Auftragnehmer mit temporären Auftragsbeziehungen. Da eine eng kontrollorientierte Strategie der Nutzung von Arbeitskraft für die betrieblichen Produktivitätsziele zunehmend weniger ausreicht, wird das Problem einer Transformation von Arbeitskraft in Arbeit an die Arbeitenden gewissermaßen zurückgegeben; sie haben sicherzustellen, dass die erwartete

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