Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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Richtungen der Arbeiterbewegung fanden vornehmlich in den romanischen Ländern Rückhalt; sie verwarfen – unter dem Einfluss des Anarchismus und ihrer Theoretiker (Proudhon, Bakunin) – Parlamentarismus, Wahlbeteiligung und politischen Kampf; stattdessen propagierten sie die »direkte Aktion«, letztlich den Generalstreik als »Revolution der gekreuzten Arme«. Sozialreformerische bzw. labouristische Tendenzen zeigten sich früh in der angelsächsischen Arbeiterbewegung; für sie war die pragmatisch-gradualistische Orientierung (Fabianismus) und die grundsätzliche Anerkennung des demokratisch-parlamentarischen Systems einschließlich des Bündnisses mit dem bürgerlichen Liberalismus kennzeichnend. Die christliche Arbeiterbewegung schließlich orientierte sich an der christlichen Soziallehre, die die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit fordert. – Nach der Russischen Revolution 1917 kam es zur Spaltung der sozialistischen Arbeiterbewegung in eine sozialdemokratische und kommunistische mit jeweils eigenen internationalen Vereinigungen (Sozialistische Internationale, Kommunistische Internationale).

      Galten die früheren Bemühungen der Arbeiterbewegung der Beseitigung der rechtlichen Restriktionen (Koalitions- und Streikverbot) und der Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts, dann zielten später die sozialen und politischen Aktivitäten von Gewerkschaften und Arbeiterparteien in den westlichen Demokratien auf die Nutzung der Tarifautonomie und des Wahlrechts als Hebel zur Schaffung eines Systems kollektivvertraglicher und sozialstaatlicher Sicherungen ab, die die Integration der vordem »exterritorialen Klasse« in die Massendemokratien des westlichen Kapitalismus aktiv beförderten. Mehr noch als Sozialstaat und Massenwohlstand haben die Auflösung proletarischer Lebensmilieus und die unaufhaltsame Schrumpfung der traditionellen Industriearbeiterschaft der These vom »Ende der Arbeiterbewegung« (Gorz, Pirker) eine zunehmende Plausibilität verliehen.

      Literatur

      Abendroth, Wolfgang, 1975: Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung, Frankfurt a. M. – Braunthal, Julius, 1978: Geschichte der Internationale, 3. Bde., Bonn. – Gorz, André, 1980: Abschied vom Proletariat, Frankfurt a. M. – Grebing, Helga, 1980: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 10. Aufl., München. – Klönne, Arno, 1980: Die deutsche Arbeiterbewegung, Köln. – Kocka, Jürgen, 1983: Lohnarbeit und Klassenbildung, Berlin. – Mooser, Josef, 1984: Arbeiterleben in Deutschland 1900–1979, [25]Frankfurt a. M. – Pirker, Theo, 1984: Vom Ende der Arbeiterbewegung; in: Ebbinghausen, Rolf; Tiemann, Friedrich (Hg.): Das Ende der Arbeiterbewegung in Deutschland? Opladen, 39–51. – Ritter, Gerhard A. (Hg.), 1984 ff.: Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin/ Bonn (bisher erschienen: Bde. 1, 2, 5, 9, 10, 11, 12). – Tennstedt, Florian, 1983: Vom Proleten zum Industriearbeiter, Köln.

       Walther Müller-Jentsch

      Die Begriffe Arbeitsbeziehungen oder industrielle Beziehungen sind – in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen synonym verwandte – wörtliche Übersetzungen aus dem Englischen (labour relations, industrial relations). Gebräuchlich sind auch die Begriffe: Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen, Sozialpartnerschaft, Konfliktpartnerschaft. In der älteren deutschen Literatur finden sich für den Gegenstandsbereich Umschreibungen wie »Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit« (A. Weber) oder »Die Klassen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Organisationen« (Lederer, Marschak) oder einfach »soziale Arbeitsverhältnisse« (Geck).

      Arbeitsbeziehungen bezeichnen ganz allgemein die ökonomischen Austauschprozesse und sozialen Konfliktbeziehungen zwischen Kapital und Arbeit in einem Betrieb, einem Wirtschaftszweig, einem Land oder einem regulierten transnationalen Wirtschaftsraum (z. B. Europäische Union) sowie die aus diesen Interaktionen resultierenden Normen, Verträge, Institutionen und Organisationen. Ihre Träger bzw. Akteure sind Verbände (Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen), Gruppen (Management, Betriebsrat, teilautonome Arbeitsgruppen) und Personen beider Seiten sowie staatliche Instanzen. Die Kapital und Arbeit repräsentierenden Akteure treten in der Regel als Kontrahenten im doppelten Sinne (Vertragspartner und Gegner) auf. Die staatlichen Instanzen nehmen a) hoheitliche Funktionen wahr (Setzung der institutionellen Rahmenbedingungen durch kollektives Arbeitsrecht, staatliches Schlichtungswesen etc.; Festlegung bestimmter Mindestnormen wie Mindestlohn, tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit und Mindestjahresurlaub), beeinflussen b) als »dritte Partei« den tarifpolitischen Prozess etwa durch einkommenspolitische Daten oder verhandeln c) als Tarifvertragspartei des öffentlichen Dienstes direkt über Lohnsätze und Arbeitsnormen.

      Arbeitsbeziehungen haben die kollektive Regelung von Arbeitsverhältnissen (d. h. Beschäftigungs-, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen) zum Inhalt. Ihr Gegenstandsbereich umfasst 1. den kontrahierten wirtschaftlichen Austausch zwischen Kapital und Arbeit (Lohn gegen Arbeitsleistung), 2. eine daraus resultierende typische Konfliktkonstellation, die sich in Arbeits- und Verteilungskonflikten (industrieller Konflikt) manifestiert, und 3. ein historisch gewachsenes Institutionensystem (z. B. Tarifautonomie und Betriebsverfassung), das die Austauschprozesse und Konfliktbeziehungen normativ regelt.

      Die kollektiven Regelungen können unterschieden werden in 1. unilaterale, bilaterale und trilaterale, 2. formelle und informelle, 3. substantielle und prozedurale Regelungen.

      Zum Kernbestand der Arbeitsbeziehungen gehören die bilateralen Regelungen z. B. zwischen Betriebsrat und Management (Betriebsvereinbarungen) sowie zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Tarifverträge). Unilaterale Regelungen können vom Staat (Gesetze, Verordnungen) erlassen, vom Management (Direktionsrecht) angeordnet, aber auch von starken Arbeitergruppen (Arbeiterkontrolle) durchgesetzt, in seltenen Fällen auch von Gewerkschaften der anderen Seite aufgezwungen werden (z. B. Closed Shop). Bei trilateralen Regelungen ist überdies der Staat beteiligt (z. B. Konzertierte Aktionen, Sozialpakte, trilaterale Abkommen). Formelle Regelungen werden meist in Schriftform erlassen, vereinbart oder angeordnet, aber auch förmliche mündliche Anordnungen und Abreden sind ihnen zuzurechnen. Insbesondere im betrieblichen Alltag werden die formellen Regelungen ergänzt, modifiziert, konkretisiert und nicht selten konterkariert durch informelle Regelungen bzw. Normen. Sie füllen einerseits Planungslücken und Koordinationsmängel der Betriebshierarchie durch selbstständige »Belegschaftskooperation« (Frielingshaus) aus und schützen andererseits die abhängig Arbeitenden gegen Leistungsverdichtung und umfassende Management-Kontrolle. Substantielle Regelungen beziehen sich auf inhaltliche Arbeitsnormen (Arbeitsentgelt, Arbeitsbedingungen); prozedurale Regelungen sind Verfahrensregeln (z. B. über Mitbestimmung, Schlichtung, Konfliktaustragung).

      [26]Retrospektiv betrachtet, sind Arbeitsbeziehungen eine historisch gewachsene Kompromissstruktur, die sich als »intermediäres Institutionensystem« zwischen die Arbeitsmarktparteien geschoben hat und deren unilaterale Konfliktstrategien durch bilaterale Verhandlungssysteme (»joint regulation«) überformte. Ihre Entstehung und Entwicklung verdankt sie zwei interagierenden und konfligierenden Kräften: dem (manifesten und latenten) Klassenkampf und der (reaktiven und prophylaktischen) Sozialpolitik von Unternehmern und Staatsapparat; zwischen beiden vermittelten bürgerliche Sozialreformer (vom Bruch).

      Die für Deutschland charakteristischen Institutionensysteme der Arbeitsbeziehungen bestehen aus Betriebsverfassung, Unternehmensmitbestimmung und Tarifautonomie. Betriebsverfassung und Tarifautonomie bilden ein duales System der Interessenrepräsentation. Es ermöglicht eine funktionale Differenzierung der Regelung von Interessenkonflikten in zwei – nach Interessen, Akteuren und Durchsetzungsformen – voneinander getrennten »Arenen« (Müller-Jentsch 1997, 195). Eine die Betriebsverfassung ergänzende Institution ist die Unternehmensmitbestimmung (Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat), die meist in Personalunion von den Vorsitzenden und geschäftsführenden Mitgliedern des Betriebsrats, neben gewerkschaftlichen Vertretern, wahrgenommen wird.

      Als neues Phänomen sind Systeme direkter Partizipation wie teilautonome Gruppenarbeit, Qualitätszirkel etc. (Müller-Jentsch

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