Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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aber auch diese Instrumente scheinen angesichts vielfältiger gegenteiliger Beispiele zunächst wirkungslos. Diskriminierung kann möglicherweise auch nicht vollständig vermieden werden, da der Diskriminierung basale Kategorisierungs- und Differenzierungsprozesse menschlicher Wahrnehmung zu Grunde liegen, die an sich wünschenswerte Funktionen besitzen. Ohne den Rückgriff auf bestehende Kategorien oder die Konstruktion neuer Kategorien, also der Differenzierung von Information, wäre eine Verarbeitung komplexer sozialer Kontexte kaum möglich.

      Formen und Konsequenzen

      Unter Schlechterbehandlung wird eine große Bandbreite von Verhaltensweisen verstanden, die von Ausgrenzung, über den Entzug von Ressourcen, bis hin zur Zufügung von psychischem oder physischem Schaden gehen können. Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, die Opfer von Diskriminierung werden, mit einer Vielzahl von negativen Konsequenzen umgehen müssen. Diese gehen von Verlust von individuellen, Bildungs-, oder beruflichen Chancen bis hin zu schweren körperlichen Schäden, z. B. Depression oder Herz-Kreislaufkrankheiten (Hansen 2009).

      [81]Normative Sanktionierung

      Diskriminierung ist insbesondere von umgangssprachlichem Wortverständnis abzugrenzen. Unter Diskriminierung versteht man alltagssprachlich häufig einfach eine illegitime oder nicht begründete schlechte Einschätzung oder schlechte Behandlung von Menschen. Dabei wird im Unterschied zum wissenschaftlichen Terminus die erwähnte Perspektivendivergenz vernachlässigt. Diese relationale Definition von Diskriminierung bedeutet jedoch nicht, dass Diskriminierung nicht auch durch normative Grundlagen bestimmt sein kann. Der Übergang von einer relationalen Definition von Diskriminierung zu einem »objektiven« Konsens der Mehrheitsgesellschaft ist ein Prozess der zunehmenden Akzeptanz von illegitimen sozialen Relationen als Diskriminierung. In der Gegenrichtung ist auch ein Wechsel von einer normativen hin zu einer relationalen Definition denkbar. Gerade abstrakte normative Definitionen von Diskriminierung verlieren schnell ihren Konsens-Charakter, wenn es um die konkrete Ausgestaltung geht. In der Folge sind dann wieder konkrete relationale Aushandlungen darüber, was Diskriminierung darstellt und was nicht, notwendig.

      Zeitliche Dimension

      Ein wichtiger Aspekt in der Auseinandersetzung mit der relationalen Definition von Diskriminierung ist die zeitliche Dimension. Individuelle Opfer können sich unrechtmäßig zu Diskriminierungsopfern machen und damit illegitim den Begriff ausnützen. Die für Diskriminierung notwendige Schlechterbehandlung muss aufgrund der Gruppenmitgliedschaft ex ante geschehen sein. Häufig wird jedoch eine Gruppe der Opfer ex post konstruiert, um der individuellen Position mehr Gewicht zu verleihen und zu einer Legitimitätsgrundlage zu verhelfen. Dem gegenübergestellt ist es jedoch auch denkbar, dass mehrere Individuen das gemeinsame Merkmal (der Gruppe oder Kategorie) als den Grund für ihre illegitime Schlechterbehandlung erst im Nachhinein erkennen. Individuelle Opfer können so gruppenbasierte Schlechterbehandlung erst ex post identifizieren. Beispiele hierfür sind Schlechterbehandlungen auf der Basis von nicht sichtbaren Merkmalen, z. B. Krankheiten, über die man sich auch nicht offen austauscht. In diesem Falle greift aber die relationale Definition von Diskriminierung wieder, die individuellen Opfer konstituieren tatsächlich eine soziale Gruppe oder Kategorie, auf deren Basis die Schlechterbehandlung stattfindet. In so einem Fall ist auch ein Konflikt mit der Täter- oder Mehrheitsposition zu erwarten, die diese Auffassung zunächst nicht teilen mögen wird.

      Literatur

      Allport, Gordon W., 1954: The nature of prejudice, Reading, MA. – Hansen, Nina, 2009: Die Verarbeitung von Diskriminierung; in: Beelmann, Andreas; Jonas, Kai J. (Hg.): Diskriminierung und Toleranz, Wiesbaden, 155–170. – Jonas, Kai J.; Beelmann, Andreas, 2009: Begriffe und Anwendungsperspektiven; in: Beelmann, Andreas; Jonas, Kai J. (Hg.): Diskriminierung und Toleranz, Wiesbaden, 19–42. – Monin, Benoît; Miller, Dale T., 2001: Moral credentials and the expression of prejudice; in: Journal of Personality and Social Psychology 81, 33–43. – Mummendey, Amélie; Otten, Sabine, 2001: Aversive Discrimination; in: Brown, Rupert; Gaertner, Samuel L. (Eds.): Blackwell handbook of social psychology. Intergroup processes, Malden, MA, 112–132.

       Kai J. Jonas

      Die Dunkelziffer (richtig eigentlich Dunkelzahl, engl. dark number, auch undetected/unreported cases, dark figure) ist traditionell in der Kriminalsoziologie die Anzahl der von der amtlichen Statistik nicht erfassten Straftaten. Systematisch muss man in der Statistik darunter aber jede Differenz zwischen den wirklich stattgefundenen Ereignissen und den in einer i. d. R. amtlichen Statistik erfassten verstehen. Deshalb gibt es Dunkelziffern auch z. B. in der Gesundheits- (etwa Seuchen), Außenhandels-(wirklicher gegenüber von den Firmen nach Steuerüberlegungen gemeldetem Wert von Exporten), Arbeitslosen-, Einkommens- und sonstigen Statistik.

      Für den Forscher beginnt die Dunkelfeldproblematik schon, wenn er für eine Untersuchung eine Stichprobe ziehen will. Nimmt er als Grundgesamtheit die statistische Angabe, kann die Dunkelziffer nicht nur bewirken, dass die Stichprobe zu klein wird; wenn das Dunkelfeld nicht dieselbe Struktur hat wie die Gesamtheit (sondern z. B. überwiegend schwerere Fälle erfasst), kann die Stichprobe sogar inhaltlich falsch sein. Dann kommt es nicht nur zu[82] falschen Wirklichkeitsbeschreibungen, sondern auch zu unbrauchbaren Praxisempfehlungen.

      Die erste Frage ist bei der Dunkelfeldproblematik stets: Wie verlässlich ist die vorliegende Statistik? Eine Faustregel sagt: Je mehr eine Statistikstelle selber Daten unmittelbar erhebt, desto geringer ist die Dunkelziffer; die Dunkelziffer ist desto größer, je mehr negative Folgen mit der Datenangabe verbunden sein können (z. B. Besteuerung bei Einkommensangabe, Quarantäne bei Seuchenmeldung) und desto kleiner, je mehr positive Folgen damit verbunden sind (z. B. mehr Planstellen bei hoher Kriminalitätsbelastung in einem Polizeibezirk oder Arbeitslosengeld bei Arbeitslosmeldung trotz Einkommens aus Schwarzarbeit; hier kann es sogar zu einer »negativen Dunkelziffer« kommen, wenn die Statistik mehr Fälle meldet, als in der Wirklichkeit vorhanden sind). Intersystemische Statistikvergleiche sind wissenschaftlich nur brauchbar, wenn sie ganz genau das Erhebungsverfahren angeben.

      Zur Erforschung der Dunkelziffer bedient man sich meistens der Befragung einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe, deren Ergebnisse auf die Population des Erhebungsgebiets hochgerechnet und mit den Statistikdaten (desselben Gebiets und Zeitraums) verglichen werden.

      Literatur

      Leder, Hans-Claus, 1998: Dunkelfeld, Frankfurt a. M. – Schwind, Hans-Dieter, 2009: Kriminologie, 19. Aufl., Heidelberg.

       Günter Endruweit

      [83]E

      Ehe

      Die Ehe (engl. marriage) ist eine durch Sitte und/ oder Gesetz normierte, auf Dauer angelegte Form gegengeschlechtlicher Paarbeziehung eigener Art. Diese eigene Art wird durch eine besondere Binnenstruktur und durch die Zuweisung gesellschaftlicher Funktionen, zumindest der biologischen Reproduktionsfunktion, begründet. Trotz aller kulturellen Unterschiede ist die Ehe überall – wenn auch mit unterschiedlichen Verpflichtungsgraden – als soziale Institution der legitimen Nachkommenssicherung anerkannt. Sie steht zumeist unter öffentlichem Schutz und ist – in mehr oder weniger starkem Maße – öffentlichen Regulierungen unterworfen. Sie begründet Erbfolgen und verlangt – zumindest dem Anspruch nach – von den Partnern und ihren Herkunftsfamilien gegenseitige Hilfeleistung und Kooperation.

      Die für die heutige Ehe in fast allen Industriegesellschaften konstitutiven Merkmale der Emotionalität und Intimität ihrer Binnenstruktur und die der relativen Autonomie gegenüber der Herkunftsfamilie sind neuartige Erscheinungen und gelten daher auch keineswegs für die Ehen aller Kulturen. Dass sich die sog. »romantische Liebe« in der westlichen Welt in allen Schichten immer mehr als einzig legitimer Heiratsgrund durchsetzte und zur unhinterfragten

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