Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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      Die Einzelfallstudie (engl. case study) stellt die genaue Beschreibung eines Falls dar (Ragin/Becker 1992). Einzelfallstudien werden meist mit qualitativen, aber auch mit quantitativen Methoden durchgeführt (Yin 2009, Flick 2009). »Fall« kann sich auf Personen, Gemeinschaften (z. B. Familien), Organisationen und Institutionen (z. B. Unternehmen) beziehen. Zentral für die Beurteilung von Einzelfallstudien ist, wofür der Fall und seine Analyse stehen und was an ihm verdeutlicht werden soll: Geht es um die einzelne Person (Institution etc.)? Ist die Person typisch für eine bestimmte Teilgruppe der Studie? Steht der Fall für eine spezifische professionelle Perspektive? Nach welchen Kriterien wurde der Fall ausgesucht zur Erhebung, Analyse und Darstellung der Daten? Forschungsstrategisch entscheidend sind für Einzelfallstudien die Identifikation eines für die Untersuchung aussagekräftigen Falls und die Klärung, was zum Fall gehört und welche Methoden seine Analyse erfordert. Bei einer Einzelfallstudie zum Verlauf der chronischen Erkrankung eines Kindes: Reicht es, das Kind im Behandlungskontext zu beobachten? Sollte der Familienalltag beobachtet werden? Müssen Lehrer oder Mitschüler befragt werden? Einzelfallstudien verwenden häufig mehrere Erhebungsmethoden (z. B. Interviews, Beobachtungen, Dokumentenanalysen). Hermeneutische Interpretationen in qualitativer Forschung arbeiten oft zunächst mit Einzelfallstudien (ein Gespräch, Dokument oder Interview). Einzelfallstudien werden auch zur Illustration einer vergleichenden Studie verwendet, um Zusammenhänge zwischen verschiedenen Themenbereichen zu zeigen. So findet sich eine Reihe von Einzelfallstudien neben einer thematisch gegliederten fallübergreifend vergleichenden Darstellung in einer Studie zur Gesundheit obdachloser Jugendlicher (Flick/Röhnsch 2008).

      Literatur

      Flick Uwe, 2009: Sozialforschung – ein Überblick für die BA-Studiengänge, Reinbek. – Flick, Uwe; Röhnsch, Gundula, 2008: Gesundheit auf der Straße. Vorstellungen und Erfahrungsweisen obdachloser Jugendlicher, Weinheim. – Ragin, Charles; Becker, Howard (Hg.), 1992: What is a Case? Exploring the Foundations of Social Inquiry, Cambridge. – Yin, Robert, 2009: Case Study Research – Design and Methods, 4th. Ed., Thousand Oaks.

       Uwe Flick

      Unter Elite (engl. elite) versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch eine durch besondere Merkmale aus der Gesamtbevölkerung herausgehobene Personengruppe. Man verwendet den Begriff sowohl für herausragende Sportler und Wissenschaftler als auch für Spitzenpolitiker und Topmanager. In der sozialwissenschaftlichen Eliteforschung fällt die Definition enger aus. Zur Elite zählen ihr zufolge im Wesentlichen nur diejenigen Personen, die (in der Regel qua Amt oder, im Falle der Wirtschaft, qua Eigentum) in der Lage sind, durch ihre Entscheidungen gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich zu beeinflussen. Die vier zentralen Eliten kommen deshalb aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Justiz. Sie haben in dieser Hinsicht den größten Einfluss.

      Der Elitebegriff (élire=auswählen), erstmals im 17. Jh. erwähnt, wurde ab dem 18. Jh. vom aufstrebenden französischen Bürgertum als demokratischer Kampfbegriff gegen die traditionellen Vorrechte von Adel und Klerus eingesetzt. Die individuelle Leistung sollte statt der familiären Abstammung zum entscheidenden Kriterium für die Besetzung gesellschaftlicher Spitzenpositionen werden. Ende des 19. Jh.s veränderte sich der Gebrauch des Begriffs grundlegend. Elite wurde nun nicht mehr als Gegenpol zum Adel, sondern als Gegenpol zur Masse verstanden. Das Bürgertum definierte Elite, als die es sich selbst begriff, in Abgrenzung zur (aus seiner Sicht) ungebildeten und unkultivierten Masse.

      Die drei Soziologen Mosca, Pareto und Michels formulierten vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund ihre klassischen Elitetheorien. In dem Gegensatz von Elite und Masse sehen sie ein allgemein gültiges Prinzip der Menschheitsgeschichte. Erstere[90] verfüge über die materiellen, intellektuellen und psychologischen Fähigkeiten, die zur Ausübung von Macht und damit zur Herrschaft erforderlich seien, Letztere nicht. Die klassischen Elitetheorien bildeten eine wichtige ideologische Grundlage für den Faschismus.

      Seit dem Zweiten Weltkrieg wird der Begriff Elite überwiegend funktionalistisch definiert. Der Ansatz von den Funktionseliten besagt, dass es in modernen Gesellschaften keine einheitliche Elite oder gar herrschende Klasse mehr gibt, sondern nur noch einzelne, miteinander konkurrierende funktionale Teileliten an der Spitze der wichtigen gesellschaftlichen Bereiche. Der Zugang zu diesen Eliten stehe prinzipiell jedermann offen, weil die Besetzung von Elitepositionen im Wesentlichen nach Leistungskriterien erfolge.

      Die funktionalistischen Elitetheorien sind in der Soziologie allerdings nicht unumstritten. So weisen z. B. Mills und Bourdieu darauf hin, dass es auch in der heutigen Gesellschaft keine Vielzahl voneinander unabhängiger und prinzipiell gleichrangiger Teileliten gebe, sondern eine einzige Macht-Elite bzw. herrschende Klasse, die trotz ihrer internen Differenzierung einen starken inneren Zusammenhalt aufweise. Außerdem haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass die soziale Herkunft immer noch entscheidend für den Zugang zu den Eliten ist.

      Literatur

      Dreitzel, Hans P., 1962: Elitebegriff und Sozialstruktur, Göttingen. – Hartmann, Michael, 2004: Elitesoziologie, Frankfurt a. M. – Ders., 2007: Eliten und Macht in Europa, Frankfurt a. M. – Mills, C. Wright, 1962: Die amerikanische Elite, Hamburg.

       Michael Hartmann

      Emanzipation (engl. emancipation) bezieht sich im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch auf jene Vielzahl historisch spezifischer, zumeist generationenübergreifender sozialer Prozesse, in denen sich Individuen bzw. Gruppen aus wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnissen selbst befreien.

      Emanzipationsprozesse treiben zumeist Individuen bzw. Gruppen voran, zu deren Gunsten sich das gesellschaftliche Machtgefüge im sozialen Wandel zu verändern beginnt bzw. verändert hat und die ihr Machtpotential in einer Stärkung ihrer Position nun auch realisieren wollen. Emanzipationsprozesse sind im Kern Auseinandersetzungen zwischen machtstärkeren (im Extremfall: Etablierten-) und machtschwächeren (im Extremfall: Außenseiter-, Rand-) Gruppen, bei denen die Mitglieder der Letzteren gegen ihren mehr oder minder starken Ausschluss von ökonomischen Ressourcen, sozialen Chancen, politischen Rechten und kultureller Teilhabe kämpfen. Die Kampfmittel reichen von Aufständen, Demonstrationen, Agitation, Boykott, Sabotage bis hin zum Einsatz geeigneter, die Emanzipation legitimierender Theorien, Philosophien, Utopien oder Ideologien. In dem Maße, in dem die Emanzipation einer sozialen Gruppe vorangetragen und damit die Sozialstruktur bzw. die Machtkonfiguration verändert wird, kann u. U. die Ausgangssituation für die Emanzipation einer anderen Gruppe erst geschaffen werden. Emanzipationsprozesse können evolutionären sozialen Wandel bewirken, indem sie sich funktional-integrativ noch in die bestehende Sozialstruktur einfügen. Andere Emanzipationsbewegungen zielen auf radikale Veränderung der bestehenden (z. B. Eigentums-) Verhältnisse und damit auf revolutionären sozialen Wandel ab. Analysiert man einzelne historische Emanzipationsbewegungen, hat man somit detailliert den folgenden Grundfragen nachzugehen: Welche Gruppe, Schicht oder Klasse trägt den Emanzipationsprozess und wie ist ihre Einbindung in das Machtgefüge? Warum und wohin verändert sich die Struktur dieser Konfiguration von Macht und sozialer Ungleichheit? Von welchen Machtquellen bzw. Ressourcen ist bzw. war diese Gruppe in welchem Maße ausgeschlossen und welches sind daher die Ziele des Emanzipationsprozesses? Welcher Mittel bedient sie sich zum Vorantreiben der Emanzipation?

      Wie Grass und Koselleck (1975) im Einzelnen darstellen, beginnt die Karriere des Begriffs mit der Proklamation von Menschenrechten in Europa und Nordamerika, mit der Aufklärung, mit dem Kampf des Bürgertums gegen feudale, absolutistische, ständische Vorrechte in den bürgerlichen Revolutionen des 18. und 19. Jh.s. Das Bürgertum, dem zunehmend ökonomische Chancen und Funktionen zuwachsen, fordert nun Staatsbürgerrechte ohne Rücksicht auf Geburt und Stand. Verschränkt mit

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