Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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erst mit der Entwicklung der Emotionssoziologie zu einem intensiv behandelten Thema der Soziologie.

      Auch in den außereuropäischen Staaten setzt sich die »romantische Liebesehe« allmählich immer stärker durch. Gleichwohl überwiegen quantitativ weltweit die »arrangierten Ehen«. Diese waren – historisch gesehen – auch in unserem Kulturkreis nicht nur im Feudalsystem, sondern überall dort, wo Besitz zu vererben war, üblich. Hiervon sind zu unterscheiden die »Zwangsehen«, in denen Kinder von ihren Eltern gegen ihren Willen verehelicht werden.

      Weiterhin bleibt ein wesentliches Strukturmerkmal aller Ehen, auch der modernen, dass sie über das bloße personale Paarverhältnis auf Familie verweisen. Denn die Hochzeit, die überall mit bestimmten rituellen Handlungen vollzogen wird, beinhaltet einen Statuswechsel des Brautpaares sowohl im Hinblick auf die Öffentlichkeit als auch innerhalb des Familienverbandes. Die Eheschließung stellt nämlich insofern auch heute noch einen »rite de passage« dar, als mit ihr neue soziale Rollen mit genau festgelegten Rechten und Pflichten übernommen werden: Die Braut wird zur Schwiegertochter, die Mutter zur Schwiegermutter, der Bruder zum Schwager usw. Welche konkreten Folgen bzw. Pflichten und Rechte für die Einzelnen mit der Eheschließung und der Übernahme der neuen sozialen Rollen verbunden sind, ist kulturvariabel und von den bestehenden Verwandtschaftslinien abhängig, ob z. B. ein patrioder matrilineares oder – wie in unserem Kulturkreis – ein duales Verwandtschaftssystem gegeben ist. Solche durch die Eheschließung zugeschriebenen Rollen werden lebenslänglich erworben und bleiben auch bei Tod des Ehepartners – und bei Ehescheidung neu definiert – sozial relevant. Insofern verweist die Eheschließung immer auf Familie (selbst bei Kinderlosigkeit), die Familie dagegen nicht auf Ehe, z. B. bei Alleinerzieherschaft.

      Die Differenz zwischen der Ehe und den heutigen nichtehelichen Lebensgemeinschaften liegt insbesondere auch in dem Nichtbestehen eines sozial regulierten Integrationsprozesses zu den Herkunftsfamilien und der fehlenden öffentlichen Absichtserklärung, die Paarbeziehung mit dem Anspruch der Dauerhaftigkeit erhalten zu wollen. Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind in Deutschland überwiegend eine neue Lebensform ohne Verpflichtungscharakter während der Postadoleszenz.

      In allen Kulturen gibt es die Möglichkeit der Eheauflösung, zumindest in der Form der Partnertrennung. Die Ehescheidung ist der letzte rituelle oder formal-rechtliche und somit an bestimmte öffentliche Vorschriften gebundene Vollzug der Eheauflösung. In vielen Staaten ist vor der Ehescheidung eine Trennungszeit formal-rechtlich vorgeschrieben. Die Zahl der gerichtlichen Ehescheidungen ist seit Ende des vorigen Jh.s in allen Industrienationen stetig gestiegen. In einigen Staaten wird von allen Ehen bereits wieder die Hälfte durch Scheidung aufgelöst (z. B. in den USA, Kanada), zumindest ein Drittel (z. B. in Deutschland).

      In Bezug auf die Eheformen ist zwischen Monogamie und Polygamie zu unterscheiden. Die polygame Ehe ist soziologisch zu definieren als die Mehrfach-Besetzung[84] einer Ehepartner-Rolle, entweder der des Ehemannes (=Polyandrie) oder der der Ehefrau (=Polygynie).

      Literatur

      Burkhart, Günter, 2001: Liebe am Ende des 20. Jahrhunderts, Opladen. – Lenz, Karl, 2003: Soziologie der Zweierbeziehungen, Wiesbaden. – Nave-Herz, Rosemarie, 1997: Die Hochzeit. Ihre heutige Sinnzuschreibung seitens der Eheschließenden, Würzburg. – Dies., 2006: Ehe- und Familiensoziologie, 2. Aufl., Weinheim/München. – Dies.; Markefka, Manfred (Hg.), 1989: Handbuch der Familien- und Jugendforschung, Bd. I: Familienforschung, Neuwied.

       Rosemarie Nave-Herz

      Begriffserklärung

      Die Ehre (engl. honour) ist eine psycho-soziale Gegebenheit, die Simmel zwischen Recht und Moral im Bereich der Sitte ansiedelt. Im Deutschen bezeichnet der Begriff Ehre ein Doppelphänomen, das sowohl die Subjekt- wie auch die Objekt-Perspektive erfasst: als subjektive Ehre meint sie das Selbstwertgefühl eines Menschen, Selbstachtung, Anstand, Redlichkeit, Glaubwürdigkeit, Integrität; als objektive Ehre die Ehrerbietung und Wertschätzung, die jmdm. vom Sozium entgegengebracht wird: Ansehen, Anerkennung, Respekt, Reputation, guter Ruf (Leumund). Als übergeordnete philosophische Kategorie gilt Würde, die den Menschen als vernunftbegabtes und zu moralischem Handeln fähiges Gattungswesen gegenüber dem Tier auszeichnet.

      Historischer Wandel

      »Nicht die Ehre ist veränderlich, sondern das, worin die Menschen ihre Ehre setzen« (Scheler). Was heutzutage ein Gebot der Höflichkeit und der guten Manieren ist, z. B. jemandem den Vortritt lassen, war in der vertikal differenzierten Gesellschaft eine Frage der Ehre (s. den Königinnen-Streit im »Nibelungenlied«). Signifikant ist etwa auch der Bedeutungswandel des Begriffs »unehrlich« von einer sozialen Kategorie zu einem mentalen Attributivum: »Unehrlich« bedeutet heute »unaufrichtig«, während man in der ständischen Gesellschaft unter »unehrlichen Leuten« die marginalisierte Gruppe der Fahrenden, Prostituierten, Henker, Abdecker und anderer Stigmatisierter verstand. Auch wenn die Ehre in der funktionalen Massengesellschaft gleichberechtigter Staatsbürger ihr ausgeprägtes soziales und kulturelles Profil eingebüßt hat, ist sie in Alltagsbereichen (etwa im Sport) und beim Staatszeremoniell noch von gewisser Relevanz; sie besitzt jedoch keine Geltung mehr als zentraler normativer Wert. Der Wandel im Begriffsumfang der Ehre besteht i.W. darin, dass die nichtverantworteten Eigenschaften einer Person (Abkunft, Alter, Geschlecht) sowie die Stellung im Gesellschaftsgefüge als Kriterien adäquater Ehrezuweisung an Gewicht verloren, während persönliche Leistung und Moralität als Prüfstein für Ehrbarkeit zu Dominanz gelangten. Gleichzeitig gingen moralitätsunabhängige Charakteristika der Ehre in Begriffe wie Prestige, Status und Image ein.

      Kulturspezifische Dimensionen

      Die europäische Ständegesellschaft prägten öffentliche Ehrenstrafen (Pranger etc.) und (seit dem 16. Jh.) Duelle, während in Japan die Familienehre durch rituellen Selbstmord (Seppuku bzw. Harakiri) restituiert werden konnte. Den vom indischen Kastenwesen ausgeschlossenen »Unberührbaren« entsprachen in etwa die »unehrlichen Leute«. In patriarchalischen Milieus traten und treten Blutrache oder der sogenannte Ehrenmord (literarisiert z. B. in Lessings »Emilia Galotti«) als Form von Selbstjustiz auf. Zugrunde liegt eine somatische Auffassung von Ehre, deren Berechtigung mit zunehmender Aufgeklärtheit in Zweifel gezogen wird.

      Aktualität der Ehre

      Weniger die Modernität der Ehre (Vogt) steht zur Debatte, sondern vielmehr die Frage ihres Fortbestehens in der Gegenwart. Im Gegensatz zur »völkischen Ehre« im Nationalsozialismus und der Gleichsetzung von Ehre und Parteitreue in sozialistischen Staaten wird in rechtsstaatlichen Systemen Würde (Menschenwürde) als Grund für die Ehrbarkeit des Menschen angesehen. Neben dem im Grundgesetz Art. 1, 2 und 5 verankerten oder aus diesen abzuleitenden Recht der persönlichen Ehre gibt es in der Bundesrepublik einen strafrechtlichen Schutz vor Beleidigung (StGB §§ 185–200) und einen zivilrechtlichen Ehrenschutz (BGB §§ 823, 824, 826). [85]Zu konstatieren sind ein ausgeprägter Gabentausch in Form von Ordens- und Preisverleihungen, Selbstehrung durch Stiftungen, Ahndung des »unehrenhaften und berufswidrigen« Handelns von Journalisten (Pressekodex Ziffer 15) sowie Affären um das ehrlose Verhalten von Politikern, Wirtschaftsführern oder Wissenschaftlern (Korruption, Plagiat) bzw. deren Klagen gegen Rufmord (Diffamierung).

      Der Rufschädigung im Internet mittels weltweiter digitaler Anprangerung (Cyber-mobbing etc.). wird durch Online-Reputationsmanagement begegnet.

      Literatur

      Burkhart, Dagmar, 2006: Eine Geschichte der Ehre, Darmstadt. – Scheler, Max, 1957: Über Scham und Schamgefühl. Ges. Werke, Bd. 10, Bern. – Simmel, Georg, 1922: Soziologie, 2. Aufl., München/Leipzig (1908). – Speitkamp, Winfried, 2010: Ohrfeige, Duell und Ehrenmord, Stuttgart. – Vogt, Ludgera, 1999: Die Modernität der Ehre; in: Ethik und Sozialwissenschaften 10, H. 3, 335–344, 384–393,

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