Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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ökonomischen und religiösen Gleichstellung voran.

      Die Frauenemanzipation hat ihre Ursprünge im späten 18. und frühen 19. Jh. ebenfalls darin, dass zunächst von einigen bürgerlichen Intellektuellen politische und soziale Gleichstellung für Frauen gefordert werden. Wie die Industrialisierung, verspätet sich im europäischen Vergleich in Deutschland auch der Beginn einer organisierten Frauenbewegung. Es geht zunächst und zentral um die Machtquelle des Zugangs zu Berufsausbildung, zu qualifizierterer Berufstätigkeit und den entsprechenden Arbeitsmärkten über die bestehende unqualifizierte Fabrik-Frauenarbeit hinaus. Das Frauenwahlrecht etwa folgt erst 1919.

      Mit dem Entstehen der Industriegesellschaft wurde das Bürgertum in Gestalt der »sozialen Frage« mit dem Emanzipationsstreben der Arbeiterbewegung konfrontiert, die teilweise die einstmals bürgerliche Forderung nach politischer Gleichstellung (z. B. Aufhebung von Wahlrechtseinschränkungen, Koalitionsfreiheit, Mitbestimmung) aufnahm und damit auf evolutionären Wandel zur Verbesserung der eigenen Position setzte, teilweise unter Übernahme des Marxschen Emanzipationsgedankens revolutionäre Wandlungen einleiten wollte. Für Marx war die erstgenannte Emanzipationsbestrebung (»politische Emanzipation«) »allerdings ein großer Fortschritt, sie ist zwar nicht die letzte Form der menschlichen Emanzipation überhaupt, aber sie ist die letzte Form der menschlichen Emanzipation innerhalb der bisherigen Weltordnung« (Zur Judenfrage, MEW 1, 356). Die vollständige Emanzipation (»menschliche Emanzipation«) liegt für Marx jedoch erst in der Aufhebung des Privateigentums, in der Aufhebung der Entfremdung (vgl. Hartfiel 1975).

      Eine wichtige Rolle (vgl. Hartfiel 1975; Greiffenhagen 1973) spielt der Begriff auch in der sozialwissenschaftlichen Theorie- und Methodologiedebatte (Kritische Theorie der Frankfurter Schule als Wissenschaft mit »emanzipatorischem Erkenntnisinteresse«), in der Entwicklungssoziologie (Emanzipation ehemaliger Kolonial- bzw. Entwicklungsländer), in der Pädagogik (»emanzipatorische Erziehung« etwa als Leitbild der Bildungsreformen der 70er Jahre; vgl. Bath 1974 m. w. N.) sowie in der Psychologie, in der Jugend- und Sozialarbeit.

      Literatur

      Bath, Herbert, 1974: Emanzipation als Erziehungsziel?, Bad Heilbrunn. – Claußen, Bernhard, 1983: Emanzipation; in: Mickel, Wolfgang W. (Hg.): Handlexikon zur Politikwissenschaft, München. – Grass, Karl Martin; Koselleck, Reinhart, 1975: Emanzipation; in: Brunner, Otto et al. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, Stuttgart, 153–197. – Greiffenhagen, Martin (Hg.), 1973: Emanzipation, Harnburg. – Habermas, Jürgen, 1968: Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a. M. – Hartfiel, Günter (Hg.), 1975: Emanzipation – Ideologischer Fetisch oder reale Chance?, Opladen.

       Gerhard Berger

      Emergenz (engl. emergence) bezeichnet das Auftreten »höherstufiger« Eigenschaften eines Phänomens, die sich von den Eigenschaften der zugrunde liegenden Elemente unterscheiden. Höherstufig kann sich auf das Verhältnis von Ebenen (wie Mikro-Makro) oder von Teil und Ganzem beziehen. Emergenz findet sich vielfältig in allen Bereichen der Wirklichkeit (etwa als V-Form eines Vogelschwarms, im Bewusstsein, das auf neuronalen Prozessen beruht, die selbst nicht über Bewusstsein verfügen), aber auch in der sozialen. Bspw. besitzen Gruppen die Eigenschaft der Gruppengröße, wohingegen die einzelnen Mitglieder keine solche Eigenschaft aufweisen. In diesem Fall ist die höherstufige Eigenschaft auf einfache Weise »reduzierbar« (Gruppengröße = Zahl der Mitglieder der Gruppe). Umstritten ist, ob es Fälle gibt, in denen eine Reduktion der emergenten Eigenschaften des Phänomens prinzipiell nicht möglich ist (häufig als »starke« Emergenz bezeichnet). Wenn Soziales nicht auf biologische oder psychologische Eigenschaften reduzierbar ist, so würde dies die (klassisch von Emile Durkheim formulierte) Annahme stützen, dass soziale Phänomene solche eigener Art (»sui generis«) sind. Daher ist die Emergenzdebatte auch zentral für die Auseinandersetzung um Individualismus und Holismus.

      Literatur

      Greve, Jens; Schnabel, Annette (Hg.), 2011: Emergenz, Berlin. – Stephan, Achim, 2007: Emergenz, Paderborn.

       Jens Greve

      Unter »Emotionen« oder »Gefühlen« (engl. emotions, sentiments, feelings) versteht man die neben dem Denken und Wollen dritte Grundfunktion des Bewusstseins, die die Eigenschaft aufweist, dass sie mit bestimmten affektiven Zuständen verbunden ist. In der Soziologie findet sich eine Vielfalt von Emotionskonzepten, die sich darin unterscheiden, ob sie Emotionen vornehmlich als physiologische, kognitive, kulturelle oder leibliche Zustände betrachten. Die Soziologie analysiert die Zusammenhänge zwischen Emotionen und sozialen Sachverhalten. Ihr Erkenntnisinteresse besteht darin, die Bedeutung von Emotionen für die Genese von sozialen Sachverhalten wie auch umgekehrt die sozialen Bedingungen der Genese von spezifischen Emotionen zu untersuchen. Schon beginnend mit der Gründungsphase der Soziologie werden die wechselseitigen Konstitutionsprozesse von emotionalem Erleben und der Selektion von Handlungen (Max Webers Idealtypus des affektiven Handelns), aber auch die Rolle von Emotionen für die Bildung bestimmter sozialer Phänomene (Durkheims Untersuchungen zur kollektiven Efferveszenz) oder Vergesellschaftungsformen in den Blick genommen (Gemeinschaft vs. Gesellschaft). Meist spielt in den klassischen Untersuchungen der Gegensatz von »Emotionalität« und »Rationalität« als zwei unterschiedlich reflexiven Formen der Handlungssteuerung eine Rolle. In der heutigen Forschung geht man hingegen oft davon aus, dass Emotionen und Kognitionen oder Emotionalität und Rationalität sich wechselseitig bedingen. Wichtige Forschungsfelder sind die Funktion von Emotionen für die Aufrechterhaltung sozialer Interaktionen (so bspw. in der »Affekttheorie des sozialen Austauschs«), die emotionale Bedeutung von sozialen Diskursen für die Handlungsmodifikation (so in der »Affekt-Kontroll-Theorie«) oder die Rolle von Emotionen bei der Genese von sozialen Bewegungen. Einen Schwerpunkt stellt die Organisations- und Arbeitssoziologie dar. Das Konzept der »Emotionsarbeit« weist darauf hin, dass zahlreiche Arbeitstätigkeiten insbesondere im Bereich der Dienstleistungsarbeit vornehmlich eine interaktive, emotionsbezogene Dimension aufweisen.

      Literatur

      Schnabel, Annette; Schützeichel, Rainer (Hg.), 2012: Emotionen, Sozialstruktur und Moderne, Wiesbaden. – Schützeichel, Rainer (Hg.), 2006: Emotionen und Sozialtheorie, Frankfurt a. M./New York. – Stets, Jan E.; Turner, Jonathan H. (Hg.), 2007: Handbook of the Sociology of Emotions, New York.

       Rainer Schützeichel

      Der Begriff Empirie (engl. empirical, empiricism) ist aus dem Griechischen (empeiria) abgeleitet und bedeutet Sinneserfahrung. Empirie bezeichnet in den Sozialwissenschaften ein auf systematischen Erfahrungen sowie auf theoretischen Modellen basierendes Wissen. Empirische Informationen sind damit eine spezifische Form von Aussagen zur Beschreibung der Wirklichkeit. Die Gewinnung des empirischen Wissens erfolgt auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und ist nicht voraussetzungslos. Somit unterscheidet sich die Empirie sowohl von der Alltagserfahrung als auch von der Theorie und auch von der Praxis.

      Empirie und Alltagserfahrung

      Während man sich Alltagserfahrungen voraussetzungslos, spontan und unsystematisch aneignet, werden die empirischen Aussagen gezielt und systematisch gewonnen. Alltagserfahrungen können jedoch durchaus als Auslöser für die Gewinnung empirischen Wissens fungieren, dies z. B. dann, wenn aufgrund der Alltagserfahrung Lücken im Wissen ausgemacht werden. In den Sozialwissenschaften werden für die Gewinnung empirischen Wissens elaborierte Instrumente eingesetzt. Vor allem mithilfe solcher Methoden wie den Befragungen, den Beobachtungen, den Inhaltsanalysen und den sozialen Experimenten gelingt es, empirische Aussagen zu gewinnen. Die dabei erhobenen Daten müssen, ebenfalls im Unterschied zu den Alltagserfahrungen, bestimmten Anforderungen genügen. So sollen diese vor allem objektiv,

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