Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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Grundbegriffe der Soziologie, 3. Aufl., Wien/New York.

       Gerhard Berger

      Aggression (engl. aggression) umfasst eine individuelle oder kollektive Haltung, Einstellung (Feindseligkeit) oder Emotion (Ärger), resp. Verhalten gegenüber Menschen, Tieren, Dingen oder Einrichtungen, mit dem Ziel, sie zu beherrschen, zu schädigen oder gar zu vernichten (Schädigungsabsicht). Damit ist diese Definition von Vorstellungen abzugrenzen, die unter Aggression jede gerichtete, offensive Aktivität oder »Energie« verstehen. Aggressives Verhalten meint die Umsetzung der genannten Ziele; der Begriff Aggressivität bezeichnet die überdauernde Disposition zu aggressivem Verhalten. Entlang mehrerer Dichotomien werden verschiedene Ausprägungen aggressiven Verhaltens differenziert: z. B. feindselig vs. instrumentell, reaktiv vs. aktiv, offen vs. verdeckt, affektiv vs. räuberisch; zudem werden verbale, physische und indirekte/relationale (auf Beziehungsebene) Formen unterschieden. Aggression kann auf individueller, interpersonaler und intergruppaler Ebene beobachtet werden und wird meistens gesellschaftlich als Normenverstoß betrachtet und negativ bewertet. Andererseits kann Aggression im Sinne von Durchsetzungsverhalten auch positiv konnotiert sein. Entscheidend ist dabei die kulturelle, zeitliche und situative Einbettung des Verhaltens. Aggressives Verhalten weist zudem einen Überschneidungsbereich zu Gewalt auf.

      Ansätze der Aggressionsforschung

      In der Aggressionsforschung lassen sich vielfältige Theorien finden, die auf unterschiedlichen Ebenen menschlichen Verhaltens und Erlebens Erklärungsmodelle anbieten. Letztlich ist Aggression nur multifaktoriell verstehbar, weshalb besonders integrative Ansätze, wie z. B. das integrative Prozess-Modell (Anderson) zu bevorzugen sind. Bei weitem nicht jede Aggression hat überwiegend psychologische oder psychopathologische Hintergründe. Nach evolutionsbiologischer Sicht wird Aggression als eine Form des Konkurrenzverhaltens um fitnessbegrenzende Ressourcen und Arterhaltung verstanden. Triebtheorien und die Ethologie sehen Aggression als biologisch determinierten/angeborenen Instinkt/ Trieb. Aus tiefenpsychologischer Sicht ist Aggression als Ableitung/Freisetzung negativer Energien und Versuch der Bewältigung von Angst, Unsicherheit und Enttäuschung zu verstehen. Die Frustrations-Aggressions-Theorie sieht Aggression als Folge von Frustration (Nicht-Erreichung von Zielen, Bedürfnisbefriedigung), während die lerntheoretische Sicht meint, aggressives Verhalten werde aufgrund der Vorbildfunktion aggressiver Menschen, die man beobachtet, erlernt (Lernen am Modell) und durch Verstärkung (Konditionierung) aufrechterhalten. Nach der Kognitiven Neoassoziationstheorie führen gewaltvolle Hinweisreize (z. B. Waffen, Provokationen) zu Aggression, indem sie aggressionsthematische semantische Inhalte aktivieren, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Die Sozial-Kognitive Informationsverarbeitungstheorie geht davon aus, dass Verzerrungen in der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung zur Interpretation von Signalen als feindselig und zu aggressiven Reaktionen führen.

      Soziologische Perspektiven

      Nach soziologischer Auffassung wird aggressives Verhalten nicht als Qualität der Handlung, sondern als Konsequenz der Existenz von Regeln und Normen verstanden, die im Prozess der Zivilisation zu einer zunehmenden Ächtung und Formung unkontrollierter Aggression geführt haben. Die Entstehung, Ausübung oder Stabilisierung aggressiven Verhaltens wird durch Bedingungen im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld bestimmt, wobei Macht, Einfluss und Besitzverhältnisse eine bedeutsame Rolle spielen. Die Einstufung eines Verhaltens bzw. [14]einer Handlung als »aggressiv« hängt sowohl von der Existenz von Regeln ab, deren Verletzung »abweichendes Verhalten« darstellt, als auch von der Definition und Anwendung der Regeln durch andere, weshalb die klassischen Devianztheorien Anwendung finden: Nach der Anomietheorie entsteht Aggression durch die Dissoziation zwischen kulturellen Zielen und dem Zugang bestimmter sozialer Schichten zu den dazu notwendigen Mitteln. Die Subkulturtheorie erklärt Aggression durch Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Teilkulturen (Subkulturen), die einen Teil der gesellschaftlichen Normen, Werte und Symbole ablehnen. Der Labeling approach versteht Aggression als Resultat von Zuschreibungs- und Etikettierungsprozessen im Verlauf interpersonaler Interaktion. Neuere Ansätze (z. B. Individualisierungsansatz, Sozialisationsansatz) sehen aggressives Verhalten als eine Form der Verarbeitung von Verunsicherung und Desintegration in Folge von Individualisierungs- und Modernisierungsprozessen bzw. als Ausdruck mangelnder sozialer Kompetenz und nicht gelungener Anpassung an Lebensanforderungen. Zur Erklärung intergruppaler Aggression existieren ebenfalls mehrere Theorien: Die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts (Sherif) geht davon aus, dass Aggression gegen Fremdgruppenmitglieder entsteht, wenn sich eine Gruppe in einem Zielkonflikt mit einer anderen befindet und ihre Interessen gefährdet sind. Die Theorie der Sozialen Identität (Tajfel/Turner) meint, dass Konfrontationen mit Fremdgruppen gesucht werden, um ein positives Bild der Eigengruppe und eine soziale Identität zu entwickeln. Nach der Theorie der relativen Deprivation entsteht Intergruppenaggression, wenn die Gruppenmitglieder glauben, dass ihre Gruppe benachteiligt ist. Neuere Untersuchungen (Meier et al.) können zeigen, dass Individuen in Gruppen aggressiver sind, da die Entstehung feindlicher Gesinnungen, negativer Gefühle und Enthemmung in Gruppen wahrscheinlicher ist.

      Literatur

      Anderson, Craig A.; Huesmann, L. Rowell, 2003: Human aggression: A social-cognitive view; in: Hogg, Michael A.; Cooper, Joel (Eds.): Handbook of Social Psychology, London. – Baron, Robert A.; Richardson, Deborah R., 1994: Human aggression, 2nd ed., New York. – Berkowitz, Leonard, 1993: Aggression. Its causes, consequences, and control, New York. – Bierhoff, Hans-Werner; Wagner, Ulrich, 1998: Aggression – Definition, Theorie und Themen; in: Dies. (Hg.): Aggression und Gewalt: Phänomene, Ursachen und Interventionen, Stuttgart, 2–25. – Bründel, Heidrun; Hurrelmann, Klaus, 1994: Gewalt macht Schule, München. – Heitmeyer, Wilhelm; Hagan, John, 2002: Internationales Handbuch der Gewaltforschung, Opladen. – Selg, Herbert et al., 1997: Psychologie der Aggressivität, 2. Aufl., Göttingen.

       Vincenz Leuschner/Herbert Scheithauer

      Aktionsforschung (engl. action research), auch Handlungsforschung genannt, ist eine Art Begleitforschung zu eigenem Praxishandeln oder, in einer Selbstdarstellung, »eine Forschungsstrategie, durch die ein Forscher oder ein Forschungsteam in einem sozialen Beziehungsgefüge in Kooperation mit den betroffenen Personen aufgrund einer ersten Analyse Veränderungsprozesse in Gang setzt, beschreibt, kontrolliert und auf ihre Effektivität zur Lösung eines Problems beurteilt. Produkt des Forschungsprozesses ist eine konkrete Veränderung in einem sozialen Beziehungsgefüge, die eine möglichst optimale Lösung des Problems für die Betroffenen bedeutet« (Pieper in Haag et al., 100/101). Produkt ist also nicht – wie nach der klassischen Wissenschaftstheorie – eine Erhärtung oder Widerlegung einer Hypothese, sondern Gestaltung der Wirklichkeit und eine daraus abgeleitete Beurteilung der Wirksamkeit verschiedener Wandelstrategien.

      Der von Kurt Lewin im Rahmen von sozialpsychologischen und -pädagogischen Konflikttherapien entwickelte Begriff wurde in die Soziologie übernommen und sollte insbesondere in den 60er und 70er Jahren des 20. Jh.s ein Versuch zur Verbindung von Wissenschaft und Praxis sein. Der klassischen Wissenschaftstheorie wurde vorgeworfen, ihre Prinzipien von Objektivität und Neutralität führten zur Zementierung der gegenwärtigen Zustände. Demgegenüber müssten Wissenschaftler emanzipatorisch und politisch im Sinne von Beseitigung von Ungerechtigkeit und Naturwidrigkeit wirken; Wissenschaft und soziales Engagement müssten also verbunden werden.

      Wichtige Versuchsgebiete waren u. a. frühkindliche Sozialisation, Gastarbeiterintegration, Stadtteilsanierung, Straffälligensozialisation, Organisationswandel und viele Bereiche der Entwicklungshilfe.

      Entscheidendes Kriterium war nicht nur die Beteiligung der Wissenschaftler sowohl als Forscher als[15] auch als Praxisveränderer, sondern auch die Einbeziehung der von der Veränderung Betroffenen in alle Phasen von der Planung bis zur Ergebnisfeststellung und -beurteilung. Forschungs- und Praxiszeiten

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