Wirtschaftsgeographie. Harald Bathelt
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(2) Homogenitätsprinzip. Beim Homogenitätsprinzip werden Raumeinheiten mit weitgehend ähnlicher Struktur zu Regionen zusammengefasst (Bartels 1970 b). Hierzu gibt es verschiedene Methoden. Die Kennziffernmethode beruht auf Merkmalen wie dem Pro-Kopf-Einkommen und der Arbeitslosigkeit. Dabei werden Klassen gebildet und Schwellenwerte definiert, um Raumeinheiten einem Gebietstyp (z. B. einem Typ mit hohem oder geringem Pro-Kopf-Einkommen) zuzuordnen. Ein multivariates statistisches Analyseverfahren zur Abgrenzung von homogenen Regionen ist die Clusteranalyse (Fahrmeier und Hamerle 1984, Kap. 9; Bahrenberg et al. 1992, Kap. 7; Backhaus et al. 1996, Kap. 6). Ausgangspunkt bei diesem Verfahren ist eine Klasseneinteilung, bei der jede kleinste Raumeinheit einen eigenen Regionstyp bildet. In jedem Schritt dieses iterativen Verfahrens werden diejenigen beiden Regionen, die sich am ähnlichsten sind, zu einem neuen Regionstyp (Cluster) zusammengelegt. Die Anzahl der Regionen verringert sich mit jedem Schritt um Eins, weil zwei Regionen jeweils zu einer neuen Region zusammengefügt werden. Im Verlauf des Verfahrens wird die Heterogenität innerhalb der Regionscluster tendenziell immer größer. Das Verfahren kommt zum Abbruch, wenn die zusammengefassten Regionen nach einem vorgegebenen Kriterium zu heterogen werden.
Beispiel für eine Regionalisierung nach dem Homogenitätsprinzip ist die Gliederung Deutschlands nach dem Pro-Kopf-Einkommen auf Ebene der Bundesländer (→ Abb. 4.1 a). Das Pro-Kopf-Einkommen ist hier definiert als Bruttoinlandsprodukt je Einwohner. Für das Jahr 2008 fällt auf, dass die ostdeutschen Bundesländer ein deutlich geringeres Pro-Kopf-Einkommen aufweisen als die westdeutschen Bundesländer. Die höchsten Pro-Kopf-Einkommen finden sich in den Stadtstaaten, insbesondere in Hamburg, aber auch im mittleren und südwestlichen Teil Deutschlands in Hessen sowie Bayern. Eine Regionalisierung der deutschen Länder nach Arbeitslosenquoten liefert ein etwas anderes Bild (→ Abb. 4.1 b). Im Dezember 2008 zeigt sich einerseits ein Nord-Süd-Gefälle, wonach Bundesländer im Süden die geringsten Arbeitslosenquoten aufweisen, sowie andererseits ein Ost-West-Gefälle, wonach die Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland deutlich höher als in Westdeutschland sind. Bei der Interpretation dieser Daten ist allerdings Vorsicht geboten. Es ist fraglich, ob die Ebene der Bundesländer überhaupt geeignet ist, um die räumliche Verteilung von Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitslosigkeit zu untersuchen. Tatsächlich werden dadurch die enormen kleinräumigen Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur zwischen Städten, Gemeinden sowie Ortsteilen desselben Bundeslands ignoriert.
Abb. 4.1 Regionalisierung nach dem Homogenitätsprinzip
(3) Funktionalprinzip. Beim Funktionalprinzip werden Regionen aufgrund interner Verflechtungen abgegrenzt. Meist wird hierbei von einem Gravitationskern ausgegangen, zu dem Interaktionen aus dem Umland stattfinden. In der raumwissenschaftlichen Terminologie spricht man auch von einem Zentralfeld (Bartels 1970 a). Gravitationskern ist beispielsweise ein Einkaufszentrum, das von Kunden aus der Umgebung aufgesucht wird, oder ein Industriegebiet, in das Arbeitnehmer täglich von ihrem Wohnort aus einpendeln. Beim Funktionalprinzip wird ein Verflechtungsbereich so festgelegt, dass die Verflechtungen aus dem Umland zum Kern erfasst werden. Resultat ist z. B. ein Kundeneinzugsbereich (Heinritz 1979), eine Arbeitsmarktregion (Eckey 1995; Fassmann und Meusburger 1997; Höher 1997) oder ein regionaler Wohnungsmarkt (Rusche 2009). Methodisch können Funktionalregionen mit Hilfe von Gravitationsmodellen abgegrenzt werden (Lauschmann 1976, III. Teil; Scott 2004). Hierbei wird angenommen, dass die Interaktion zwischen einem Kern i und seiner Umlandgemeinde j (Iij) umso stärker ausgeprägt ist, je größer die Populationen des Kerns (Pi) und des Orts im Umland (Pj) sind und je geringer die Distanz zwischen beiden ist (dij). Der Parameter k stellt hierbei einen Proportionalitätsfaktor dar, der empirisch zu bestimmen ist:
Das Prinzip einer Regionalisierung nach dem Funktionalprinzip wird am Beispiel der Aufteilung Mittelhessens in Arbeitsmarktregionen deutlich (Höher 1993). Diese basiert auf Daten der Berufs- und Arbeitsstättenzählung aus dem Jahr 1987. Bei dieser Regionalisierung wird davon ausgegangen, dass es bestimmte Arbeitsmarktzentren gibt, in denen sich die überwiegende Anzahl von Arbeitsplätzen befindet, und dass Bewohner aus dem Umland in diese Arbeitsmarktzentren einpendeln, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Man kann sich unschwer vorstellen, dass diese Annahme nur bedingt die Realität beschreibt. So haben selbstverständlich alle Gemeinden in Mittelhessen eigene Arbeitsplätze und weisen Ein- wie auch Auspendler auf. Deshalb ist die dargestellte Abgrenzung von Arbeitsmarktregionen keineswegs eindeutig (→ Abb. 4.2). Die Arbeitsmarktregionen sind letztlich so abgegrenzt, dass Pendlerverflechtungen innerhalb dieser Regionen stärker sind als solche hin zu anderen Regionen. Nichtsdestotrotz gibt es aber aus dem Bereich Limburg und dem südlichen Kreis Gießen große Pendlerströme in das Rhein-Main-Gebiet, also in andere Arbeitsmärkte.
Abb. 4.2 Regionalisierung nach dem Funktionalprinzip: Arbeitsmarktregionen (nach Höher 1993, S. 87)
Im Unterschied zum Verwaltungsprinzip müssen die Abgrenzungen einer Funktionalregion im Zeitverlauf stets überprüft werden (Eckey et al. 2006). Denn einerseits kann sich das Pendlerverhalten bzw. die Pendlerbereitschaft der Arbeitnehmer aufgrund geänderter Arbeitsplatzattraktivitäten oder Lohnbewegungen wandeln (Eckey et al. 2007), andererseits können Standortverlagerungen von Unternehmen sowie regionaler Strukturwandel dazu beitragen, dass sich regionale Arbeitsmärkte verändern und Änderungen in den Pendlerbeziehungen zwischen Regionen nach sich ziehen. Zudem variieren Arbeitsmarktregionen als Funktionalregionen nicht nur über die Zeit. Ihre Bestimmung ist maßgeblich von den zugrunde gelegten Abgrenzungsmethoden abhängig, wie alternative Ansätze der multivariaten Statistik und der Graphentheorie zeigen (Eckey et al. 2006; Kropp und Schwengler 2011).
4.1.5Standort
Im Unterschied zu Regionen weisen Standorte (zumindest konzeptionell) keine flächenhafte Ausdehnung auf, sondern sind punktuell angelegt. Sie stehen in der traditionellen Raumwirtschaftslehre im Zentrum des Interesses. Es interessiert, warum welche Orte z. B. als Industriestandorte zu Zentren wirtschaftlicher Aktivität werden und welche Güterflüsse zwischen diesen Standorten stattfinden. Aber Standorte sind nicht wirklich Raumpunkte. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn man das Hauptwerk der BASF oder ein Stadtzentrum als Standort betrachtet. Häufig werden sogar Großstädte wie Frankfurt am Main und New York oder riesige Länder als Standorte behandelt, wie die Debatte um den „Standort Deutschland“ zeigt. In dieser unpräzisen Verwendung des Begriffs Standort zeigt sich, dass es verschiedene räumliche Maßstabsebenen in der Geographie gibt, die zu unterscheiden sind: die lokale, regionale, nationale, supranationale und globale Ebene. Der Standortbegriff ist relativ und stets abhängig von der gewählten räumlichen Maßstabsebene. So ist es aus globaler Sicht denkbar, einzelne Staaten als Standorte zu betrachten, nicht aber aus regionaler Perspektive.
Ein besonderes Problem besteht darin, dass in Untersuchungen über die Ursachen und Gründe für Standortentscheidungen die verschiedenen Maßstabsebenen oft nicht voneinander getrennt werden. Bei Befragungen, warum Industrieunternehmen einen konkreten Standort für ihr Unternehmen