Küsse am Meer. Rosita Hoppe

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Küsse am Meer - Rosita Hoppe

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Pauline setzte sich in einen der Sessel. „Erzähl mal, seit wann es dieses Plätzchen gibt.“

      „Gleich. Erst muss ich noch den Rest holen.“ Jule eilte hinaus und kam wenig später mit einem Tablett zurück. Sie grinste. „Ich kenn dich Leckermäulchen doch. Du lechzt bestimmt schon seit Stunden nach deiner Lieblingsspeise.“ Mit den Worten stellte Jule das Tablett ab und Pauline entdeckte zwei großzügig gefüllte Schälchen mit Eis und einer dicken Haube Sahne, dekoriert mit Schokoraspeln.

      Pauline lachte laut auf. „Du kennst mich.“ Sie griff nach der Schale, die ihr Jule reichte, und löffelte sogleich.

      „Mmh, Himbeere und Schoko. Himmlisch.“ Sie seufzte genießerisch.

      Mit einem Schmunzeln setzte sich auch Jule. Sie zwinkerte Pauline zu und nahm sich das andere Schälchen.

      „Alles Berechnung. Man muss seine Angestellten hegen und pflegen, sage ich immer.“

      „Scherzkeks“, murmelte Pauline mit vollem Mund.

      „Wahrheit.“

      Es tat so gut, bei Jule zu sein. Erst jetzt wurde Pauline bewusst, wie sehr sie die kleinen Neckereien zwischen ihnen vermisst hatte. Eine Weile schwiegen die beiden und genossen das Eis und das Beisammensein.

      „Jan-Erik wollte unbedingt einen Wintergarten bauen“, nahm Jule das Gespräch auf. „Davon träumte er, seit wir die Pension eröffnet hatten. Er hatte die Zeichnung angefertigt und Angebote verschiedener Firmen eingeholt.“ Jule seufzte tief. „Leider kam er nicht mehr dazu, seine Pläne zu verwirklichen.“

      Pauline spürte, wie schwer es Jule fiel, über dieses Thema zu sprechen, und bedauerte, davon angefangen zu haben. Wieso hatte Jule nie am Telefon von diesen Plänen gesprochen?

      „Ich wollte – ich musste Jan-Eriks Traum verwirklichen.“ Eindringlich sah Jule zu Pauline. „Verstehst du das?“ Pauline beugte sich zu Jule hinüber und tätschelte deren Arm. „Natürlich verstehe ich das.“

      Jule wandte ihren Blick von Pauline ab und sah hinaus in den Garten. Nein, sie blickte eher in die Ferne, fand Pauline. Irgendwohin, ganz weit weg. Vielleicht dorthin, wo sie Jan-Erik vermutete.

      „Die Finanzierung ist mir nicht leichtgefallen. Damals, bei der Beerdigung habe ich ihm aber geschworen, dass ich ihm seinen Traum erfüllen werde. Da konnte ich doch nicht einfach aufgeben, oder? Nur, weil nicht so viel Geld in die Kasse kam, wie ich mir erhofft hatte …“

      „Warum hast du mir nie etwas davon erzählt?“

      Jule zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Vielleicht wollte ich dich damit nicht belasten. Hab mir über die Gründe nie Gedanken gemacht.“

      Pauline konnte Jules Haltung nicht fassen. „Wozu sind wir gute Freundinnen, wenn wir uns unsere Probleme und Sorgen nicht anvertrauen?“

      Jule war über Paulines Tonfall sichtlich erschrocken.

      „Bitte schimpf nicht mit mir. Das hatte keinen besonderen Grund. Ich stand ziemlich neben mir, als ich so plötzlich alles allein managen musste. Der Sörens, der Mann meiner erkrankten Mitarbeiterin, übernahm die Verhandlungen mit den Firmen. Er ist handwerklich sehr begabt, im Gegensatz zu mir. Ich war sehr froh darüber, dass er mir in der Zeit zur Seite stand, und bin es noch heute. Alle paar Tage ruft er an oder kommt vorbei und fragt nach, ob es etwas auszubessern gibt. Du wirst ihn sicher noch kennenlernen. Er taucht bestimmt in den nächsten Tagen hier auf. Er ist Rentner und ich schätze, ihm ist ziemlich langweilig. Jetzt, wo seine Frau im Krankenhaus liegt, glaubt er sicherlich, dass hier noch mehr zu tun ist. Dabei hatte ich ihm erzählt, dass meine beste Freundin einspringt, solange seine Frau krankgeschrieben ist.“

      Obwohl Pauline versuchte, sich in Jule hineinzuversetzen, und darüber nachdachte, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten hätte, verletzte sie Jules Vorgehensweise. Dabei wusste sie, wie schlimm es für Jule gewesen war, als Jan-Erik so plötzlich tot war. Reagierte sie selbst so empfindlich, weil in ihrem Leben momentan alles drunter und drüber ging? Irgendwie befand sie sich gerade in einer ähnlichen Ausnahmesituation wie Jule damals. Ihr Leben war ebenfalls gerade Knall auf Fall zusammengebrochen. Allerdings weilte Ralf noch unter den Lebenden – irgendwie. Für sie war er jedenfalls gestorben. Für immer und ewig. Wenn sich dieser Mistkerl bloß nicht immer in ihre Gedanken schleichen würde. Warum tat er das? Es schien ihm eine geradezu diebische Freude zu bereiten. Pauline verfluchte ihn und wünschte ihn dahin, wo der Pfeffer wächst, und sie wünschte ihm, dass er irgendwann in seinem Leben die gleichen Qualen durchlitt, die er ihr zugefügt hatte.

      „Pauline?“

      „Ähm … was?“ Pauline schrak aus ihren Gedanken auf.

      „Alles in Ordnung? Ich hatte den Eindruck, dass du mit deinen Gedanken weit weg warst.“

      „War ich auch. In meinem Kopf herrscht gerade ein ziemliches Durcheinander.“ Sie rümpfte die Nase. „Du kennst den Grund. Mir fiel auf, dass in unser beider Leben von einer auf die andere Sekunde alles zusammengebrochen ist – wenn es bei dir auch bedeutend schlimmer war.“ Pauline nahm einen Schluck von dem Kaffee, den Jule ihr, ohne dass sie es bemerkt hatte, eingeschenkt haben musste.

      „Ich brauche vermutlich noch einige Zeit, bis ich das Thema Ralf innerlich abgearbeitet habe. Mal ehrlich, wie konnte ich auch noch so dämlich sein und meinen Job hinschmeißen?“

      „Ja, das war wirklich selten dämlich.“ Jule nahm die Thermoskanne und schenkte ihnen beiden Kaffee nach.

      „Warst du noch mal bei deinem Chef?“

      Pauline schüttelte den Kopf. „Nee, das wäre mir zu peinlich gewesen. Es war schon schlimm genug, dass ich dem Typ vom Arbeitsamt erklären musste, wieso ich das gemacht habe. Ich hab auch noch angefangen zu heulen.“

      „Ach du Schande. Wie geht’s weiter?“

      „Erst einmal bearbeiten sie die Akte. Dann bekomme ich Bescheid, ab wann ich Arbeitslosengeld zu erwarten habe. Vermutlich bekomme ich zwei Monate nichts, hat er gesagt. So was Blödes aber auch.“ Pauline atmete tief durch. „Ich habe übrigens angegeben, dass ich eine Zeit lang hier wohne und sie die Post hierher schicken sollen. Jobangebote bekomme ich natürlich auch. Allerdings muss ich auch selbst auf Arbeitssuche gehen. Aber das ist kein Problem. Meinen Laptop habe ich sowieso dabei.“

      „Hoffentlich finden die nicht so schnell eine neue Stelle für dich“, sagte Jule und schlug sich gleich darauf mit der Hand vor die Stirn. „Ich meine, damit ich dich nicht so schnell wieder ziehen lassen muss.“

      Pauline grinste. „Ich hab’s schon richtig verstanden. Du willst, dass ich die Saison über hier schufte und du dir nicht noch eine andere Aushilfskraft suchen musst.“

      „Genau!“ Jule grinste ebenfalls. „Du hast mich durchschaut. Aber mal ehrlich. Das wäre doch wirklich blöd, wenn du gleich wieder wegmüsstest.“

      „Ja, stimmt. Ich habe mich schon darauf eingestellt, für längere Zeit hierzubleiben. Zu Hause würde mir sowieso die Decke auf den Kopf fallen. Hier lerne ich neue Leute kennen, und verdiene ein bisschen Geld. Vielleicht kommt mir hier auch eine Idee für meinen neuen Roman. Meine Lektorin drängelt schon.“

      „Das wird schon. Magst du noch Kaffee?“

      Pauline schüttelte den Kopf. „Viel lieber würde ich mit dir einen Spaziergang

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