Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast

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Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast

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und an in der Hochsaison an Wochenenden vorbeikomme und ihnen im Eiscafé aushelfe. So sei das auch an diesem Samstag gewesen, doch kein Mensch habe natürlich ahnen können, dass da ein Verbrechen vorbereitet worden und ausgerechnet der Vetter aus Catania zu solch einer Tat fähig sei.

      »Tja«, der Polizeioberrat rieb sich nachdenklich das Kinn. »Das wäre es dann wohl endgültig gewesen! Denn der Hefter hat viel zu gute Beziehungen, als dass da auch nur ein Fünkchen Verdacht auf ihm belassen werden könnte. Der hat das, ich muss das trotz allem schon so sagen, wirklich hervorragend eingefädelt und sein Netz aus Ein­flussnahme, Abhängigkeiten und Dreistigkeit derart eng gesponnen, dass wir ihm, denke ich, nie und nimmer nachweisen können, er habe irgendetwas mit der illegal im Baggersee versenkten Ladung zu tun. Das wird auf dem Geschäftsführer haften bleiben: Der war sicherlich gut beraten, rechtzeitig die Flucht zu ergreifen. Denn dem drohten einerseits entweder jahrelanges Gefängnis und vielleicht sogar eine Mordanklage, oder aber er würde von Hefter und seinen Komplizen um die Ecke gebracht werden, wenn das nicht sogar bereits geschehen ist!«

      Horst pflichtete seinem Chef bei. »Sehe ich auch so. Wenn es tatsächlich Hefter ist, der hinter allem steckt, dann brauchen wir jetzt unbedingt den Geschäftsführer, der uns die nötigen Beweise liefert. Fraglich allerdings«, dabei kratzte er sich sorgenvoll an der Stirn, »ob wir selbst dann je beweisen können, dass Hefter hinter all den Aktionen persönlich steckt. Da steht dann maximal Aussage gegen Aussage, und immerhin ist die Unterschrift des Geschäftsführers – wie auch immer – unter den gerichtsrelevanten Akten zu finden und niemals die von Hefter. Schon unglaublich, wie er das eingefädelt hat!«

      »Es hilft nur eins: Die Kollegen müssen den Italiener finden und gewaltig unter Druck setzen. Das ist die einzige Chance, noch an Hefter heranzukommen. Wenn der Italiener zugibt, dass Hefter sein Auftraggeber war, dann haben wir einen entscheidenden Trumpf in der Hand! Aber erst dann!«

      Überrascht musterte Horst seinen Vorgesetzten. Der hatte tatsächlich von »wir« gesprochen, also hatte auch er den Fall mittlerweile zu seinem gemacht! Steiner hob bedeutungsvoll die Augenbrauen. »Schauen Sie mich nicht so an, als hätte ich ein Känguru verschluckt! Ja, ich finde schon, dass wir, die Polizei, jetzt gemeinsam im Boot sitzen und der Geschichte auf den Grund gehen müssen. Schließlich hat das alles in gewisser Weise auch mit der Ehre und dem Ruf der Polizei zu tun, und da ist in der letzten Woche schon viel zu viel passiert, was so im Grunde genommen bei einer seriösen Ermittlungsarbeit nie hätte passieren dürfen!«

      »Allerdings!« Horst konnte da nur aus ganzem Herzen zustimmen. »Aber den Italiener zu kriegen, wird nicht einfach sein. Der ist sicher schon längst in Italien bei seinem Paten – falls er sich nicht inzwischen bereits die Radieschen von unten anguckt!«

      »Dann wäre in der Tat alles aus. Es sei denn, der Geschäftsführer fasst sich doch noch ein Herz und meldet sich. Aber wie gesagt, was soll der letztendlich beweisen können …« Steiner richtete sich auf und gab Horst einen neuerlichen kumpelhaften Klaps auf den Rücken. »Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, nicht wahr, Meyer? Und jetzt erst mal ans Heilbronner Routinegeschäft, Herr Hauptkommissar!« Mit einer Handbewegung deutete er an, dass, für den Augenblick wenigstens, die Sache vom Bodensee zu Ende erörtert war.

      Grübelnd und etwas geknickt schlurfte Horst an seinen Schreibtisch bei der Mordkommission zurück. Dort stapelten sich die Notizen, Aktenordner und Formulare zu einem furchterregend hohen Berg. Und da sollte er sich jetzt durchwühlen und die Vorgänge von Konstanz, Überlingen und Meersburg so einfach vergessen? Müde schüttelte er den Kopf und setzte sich auf seinen Drehstuhl. Er legte die Ellbogen auf eine freie Stelle des Schreibtischs und stützte sein Kinn darauf. Aber wo anfangen, wo war bloß die zündende Idee? Vielleicht hatte ja Protnik mittlerweile eine Vorstellung, wie es weitergehen konnte! Er griff zum Telefonhörer, als sein Blick auf einen auffällig gekennzeichneten Briefumschlag fiel. Vor allem die Briefmarken erweckten sein Interesse, denn solche Marken kannte er aus Deutschland nicht. Er legte den Telefonhörer langsam zurück und nahm prüfend den Brief in die Hand. Tatsächlich, es handelte sich um englische Marken. Aber wer sollte ihm schon aus England schreiben? Sicher irgendetwas Werbemäßiges, die Welt war ja längst zum Dorf zu­sam­men­geschrumpf und Werbesendungen wurden inzwischen sogar irgendwo in der entlegensten Bambushütte am Ende der Welt eingetütet und losgeschickt.

      Aber nein, in diesem Fall konnte es sich kaum um solch eine Werbebotschaft handeln. Sein Name war immerhin handschriftlich mit Kugelschreiber auf den Umschlag geschrieben worden, Kommissar Horst Meier (aha, wieder mal ein sorgloses Wesen, das halt in der Eile das »i« mit dem »y« verwechselt hatte). Neugierig geworden riss er mit dem Zeigefinger den Umschlag auf und fingerte ein zusammengefaltetes handgeschriebenes Blatt hervor. Kaum hatte er die ersten Zeilen gelesen, setzte er sich kerzengerade auf. Das war ja unglaublich, was in dem schwer zu entziffernden, mit ungelenker Handschrift verfassten Schreiben stand!

      So rasch es ging, überflog er den Text, um den Brief am Ende ein zweites Mal zu lesen. Anschließend ließ er das Blatt sinken, schloss die Augen und holte tief Luft. War das die Wende in dem Fall, die er für völlig undenkbar gehalten hatte? Lag da vor ihm auf dem Schreibtisch nun der Beweis für Hefters Schuld? War das der Strick, mit dem er den Kiesbaron nun doch noch fesseln konnte? Fast zu schön, um wahr zu sein! Horst griff ein zweites Mal an diesem Vormittag zum Telefon. Langsam drückte er die Tasten zu Protniks Telefonnummer. Nach dem zweiten Läuten hob sein Kollege ab. Ohne die geringste Zeit mit irgendwelchen Begrüßungsfloskeln zu verschwenden, legte Horst mit vor Aufregung zitternder Stimme los: »Du, Michael, ich glaube, wir haben ihn!!!«

      Keine zehn Minuten waren seit seinem Telefonat mit Protnik vergangen, als Horst sich bereits in seinem Wagen befand und Kurs in Richtung Süden nahm. Diesmal, das wusste er genau, würde er diesen elenden Verbrecher am Kragen packen können! Jetzt hatte er den definitiven Beweis!

      Claudia und seinen Chef würde er gleich nachher von unterwegs mit dem Handy darüber verständigen, was er vorhatte, aber nun galt es erst einmal, so schnell wie möglich an den Bodensee zu kommen, bevor die letzte Chance, die sie in diesem Fall erhalten hatten, wieder unter seinen Fingern zerrinnen würde! Mühsam ordnete er seine Gedanken, die in hektischer Folge durch sein Gehirn pul­sier­ten.

      Der Brief war von Markus Wälder gewesen. Der hatte darin klipp und klar zugegeben, von den Umweltvergehen der »Bodenseekies« selbstverständlich gewusst zu haben. Auch die Tatsache, dass sich ein Polizeibeamter namens Thomas Grundler immer näher an die kriminellen Machenschaften der Firma herangetastet hatte, war dem Geschäftsführer und seinem Chef, dem Kiesbaron Dr. Hubert Hefter, nicht verborgen geblieben. Da selbst das engmaschige Geflecht aus Beziehungen, Spenden, Parteizugehörigkeit und gegenseitiger Abhängigkeit in diesem speziellen Fall nicht so einsetzbar war wie gewöhnlich, hatten sich Hefter und Wälder zu drastischen Methoden entschlossen. Sie waren zu dem Schluss gekommen: Thomas Grundler musste sterben! Wenn irgend möglich sollte die Sache anschließend so dargestellt werden, als habe sich der Polizist aus privaten Gründen das Leben genommen, was sich angesichts der Ehekrise, die ein von ihnen beauftragter Privatdetektiv natürlich schnell entdeckt hatte, sogar als recht plausibel entpuppt hatte. Und so war das Todesurteil für Thomas Grundler gesprochen worden!

      Weder bei Wälder noch bei Hefter handelte es sich jedoch um Personen, die sich selbst die Finger beschmutzten. Nein, in diesem Fall ließ man andere für sich tätig werden. Für Hefter war es ein Leichtes gewesen, den von der »Bo­den­­see­kies« und ihren zahlreichen und kräftigen Spenden völlig abhängigen Besitzer der Konstanzer »De­vil Divers«-Tauchschule für das Todeskommando zu verpflichten. Ein, zwei leise Drohungen mit künftig ausbleibenden Schecks für die seit Jahren schon marode und vom Konkurs bedrohte Tauchschule hatten genügt, um Wolfgang Förster, den Inhaber der »Devil Divers«, zum Mörder zu machen. Doch der besaß sozusagen geradezu ideale Möglichkeiten, die Tat auszuführen. Es war für die mit einem Kompressor

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