Tatort Nordsee. Sandra Dünschede

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Tatort Nordsee - Sandra Dünschede

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seine gegen Ende doch noch einsetzende Siegesserie unerwähnt zu lassen.

      Anschließend schaute er ein Weilchen aus dem Fenster, in die Weite des Polders hinaus, während Wiard, ebenfalls schweigend, eine neue Tasse Tee eingoss, die dritte und letzte. Vorerst. Er ergriff als Erster wieder das Wort:

      »Jedenfalls hat er versäumt, glaubhaft darzustellen, dass wirklich alles in Ordnung ist, finde ich. Und was ich sehe, ist ein Deich ohne ausreichende Kleischicht. Es suppt übrigens immer noch, ich war gestern da; der ist im Innern zu feucht!«

      »Vielleicht kommt das Wasser auch woanders her.«

      »Woher denn, bitte schön?« Wiard klang ein wenig ruppig. »August, denken kannst du doch auch, aber manchmal willst du die Realität einfach nicht wahrhaben. Wasser am Deichfuß. Obwohl der ja auch noch Gefälle hat, auch der Deichverteidigungsweg ist an der Ostkrümmung schön Richtung Binnenland geneigt – da lief gestern noch das Wasser in breiten Schlieren runter, obwohl die hohe Flut schon einige Tage her ist. Ein bisschen Wasser ist ja o. k., aber so viel und so lange? In dem Deich haben wir Treibsand, sage ich dir, da ist nichts Festes.«

      Treibsand kannte August vom Westende von Juist, der Insel, auf der er mit Henrike und den Kindern schon öfter gewesen war, im Spätsommer, wenn die Ernte eingefahren und die Tage noch schön waren. Zweimal waren sie für drei, vier Tage dorthin gefahren. Wenn man auf Treibsand lief, wabbelte der Boden plötzlich unter den Füßen, und man musste zusehen, wegzukommen, weil man sonst schnell einsank, so durchtränkt war der Sand an diesen Stellen mit Wasser. Wenn sich so etwas auch nur ansatzweise im Deich befinden sollte, konnte der Deichfuß schnell aufweichen und wegbrechen, wenn von der Wasserseite Druck auf ihn ausgeübt wurde. Ihm schauderte bei dem Gedanken, er verwarf ihn aber gleich wieder. Das konnte einfach nicht sein. Es durfte nicht sein.

      »Und was hast du herausgefunden?«, fragte er Wiard, obwohl er sich am liebsten wieder auf seinen Trecker gesetzt hätte, um nach Hause zu fahren und vielleicht die letzte Helligkeit des Tages zu nutzen, um einen Zaun zu reparieren. Nicht weit vom Hof waren einige Pfähle unten weggefault und mussten ersetzt werden.

      »Wie viel Zeit hast du noch?«

      »20 Minuten, mehr ist im Moment nicht drin.«

      »Das reicht. Komm mal mit.« Wiard stand auf und zog August geradezu in sein Wohnzimmer, in dem es angesichts des noch nicht ersetzten Fensters etwas kühler war, zum Schreibtisch, auf dem Wiards neuestes Steckenpferd stand, ein Notebook, das jetzt – Wiard wurde nicht müde, es zu betonen – per DSL mit dem Internet verbunden war. August wusste zwar, dass sein 56k-Modem nicht mehr ganz dem aktuellen Stand der Technik entsprach, wohl auch nicht die schnellste Verbindung bot, aber man kam damit ins Internet und fand letztlich alles, was man brauchte. Bei Bildern wurde es etwas langsam, aber dafür wie auch für Musik und DVDs interessierte er sich wenig, deshalb reichte ihm die Übermittlungsgeschwindigkeit. Viel verstand er von der Sache ohnehin nicht, Freerk hatte den Internetzugang eingerichtet und war auch der Hauptnutzer. Er hatte allerdings schon öfter gesagt, sie müssten nun bald mal auf ISDN oder, besser, DSL umstellen, sonst würden sie technologisch noch in der Steinzeit landen. Diese Dramatik konnte August allerdings nicht erkennen, aber das war wohl ein typisches Generationsproblem, obwohl sich August noch gar nicht so alt fühlte. Wenn Freerk sich dann aber weiter ausließ über schnelle Verbindungen, Verbesserung der Performance und billige Flatrates, schaltete August meistens schnell ab, nickte zwar, aber dachte schon übers Melken, die nächste Fahrt zur Raiffeisengenossenschaft oder die schlechten Milchpreise nach.

      Wiard bot August schweigend einen Hocker an, er selbst setzte sich auf einen alten Drehstuhl, den vierbeinigen (also in Amtsstuben gar nicht mehr zugelassen, denn die mussten fünf Beine haben. Er hatte einen der ausrangierten mitgenommen. Ein Kollege hatte zwar akribisch Buch geführt, und ein Stuhl musste in der Endstatistik gefehlt haben, aber gefragt hatte nie jemand, jedenfalls nicht ihn …). Wiard schaltete das Notebook ein. Beide starrten auf den Bildschirm, auf dem sich das altbekannte, weltweit verbreitete Betriebssystem mit der netten, aber allzu oft gehörten Begrüßungsmelodie meldete. Die Tonfolge schien zu vermitteln, dass sich der große Boss des Ganzen dafür bedankte, dass sich wieder jemand bereit erklärt hatte, sein Betriebssystem zu kaufen, ohne es vielleicht zu wollen, aber es war nun mal beim Kauf schon auf der Festplatte.

      »Billyboy«, sagte Freerk immer, wenn es um den großen Boss ging.

      »Der«, dachte August, »könnte nicht nur den Polder, der könnte ganz Deutschland mal eben aufkaufen.«

      Den Spruch hatte er von Freerk, der gleichwohl auf Linux schwor.

      Wiard machte einen Doppelklick auf ein Icon, das mit ›GIS-Viewer‹ bezeichnet war. Es erschien eine Oberfläche, auf der, außer allerhand Buttons, zunächst einmal nichts Erwähnenswertes zu sehen war.

      »Das ist ein Viewer für Geodaten«, erklärte Wiard kurz, »so etwas kann man gebrauchen, um …«

      August unterbrach ihn: »Das habe ich doch schon mal gehört!«

      »Natürlich, das musst du schon gehört haben, demnächst muss nämlich jeder Landwirt GIS-Daten nutzen und ebensolche liefern, zum Beispiel, wenn er noch Ausgleichszahlungen von der EU haben möchte. GIS steht für ›Geo-Informationssystem‹. Ein Viewer ist aber eigentlich keine echtes GIS …«

      »Da kam so ein Schreiben von der Landwirtschaftskammer oder sogar vom Ministerium, weiß ich nicht mehr genau. Die haben Infomaterial über die neue Regelung der Ausgleichzahlungen geschickt. GIS-Flächenskizzen-Beteiligungsverfahren, ja, so nannten sie das.«

      »Ich weiß, habe ich gelesen. Gar nicht so dumm. Zukünftig müsst ihr eure Daten digital an die Kammern oder Ämter für Agrarordnung, oder wie die heißen, schicken und die berechnen die Höhe der Zahlungen. Dabei greifen sie auf hochgenaue Flächengrößen zurück, die du liefern musst. Allerdings gibt es Kontrollen, die per GPS durchgeführt werden, also mogeln geht nicht mehr.«

      »Genau. Mit Abschreiten nichts mehr, ich meine, mit unterschiedlichen Schrittweiten, und …«

      »Nee, GPS ist supergenau«, diesmal unterbrach ihn Wiard, »darauf basieren die meisten sogenannten Navigationsdienste weltweit, auch im Auto. ›Precision Farming‹ basiert auch auf satellitengestützter Positionierung. Hast du doch sicher schon gehört, oder?«

      »Gehört schon, aber viel weiß ich noch nicht darüber, passgenaue Düngung und so was …« August sah Wiard etwas unsicher an und dachte: »Wieso weiß er das nun wieder alles?«

      »Ja, genau, Düngung so, dass auf jeden Quadratmeter genau die richtige Menge kommt, nicht Gießkanne, man immer drup damit, sondern schön unter Berücksichtigung auch kleinster räumlicher Variationen.« August sah Wiard an, ohne dass man hätte erkennen können, ob er ihm folgen konnte. Kleinste räumliche Variationen? Na, er mag wohl recht haben …, dachte er sich.

      »Frag mich ruhig immer«, sagte Wiard jetzt, »ich berechne deine Flächengrößen mit dem GIS, mache alles etwas größer, und das Geld, das dir nicht zusteht, überweist du dann mir.«

      »Ach …«, August starrte etwas abwesend auf den Bildschirm. Er war hier doch nicht auf Weiterbildung.

      »Also«, sagte Wiard, »nun mal wieder ernst. Ich will dir etwas zeigen. Ein GIS arbeitet mit Geodaten, Informationen, die man mit einem Standort verbinden kann. Zum Beispiel deine Hofgebäude, deine Ackerschläge. Nehmen wir mal einen deiner Ackerschläge, den du immer ›Am Schlafdeich‹ nennst. Jede Ecke des Schlages kann man mit Koordinaten beschreiben, also zum Beispiel Länge und Breite, du erinnerst dich dunkel an die Schulzeit? Mit einem

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