Tatort Nordsee. Sandra Dünschede

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Tatort Nordsee - Sandra Dünschede

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angeben und also prima auf einer Karte anzeigen kann. Jedes Objekt ist individuell, aber nur durch die genaue Ortsangabe mittels seiner Koordinaten. Es gibt sicher noch mehr Schläge, die ›Am Schlafdeich‹, oder so ähnlich heißen. Da kommt es schnell zu Verwechslungen. Nicht aber, wenn’s eindeutig verstandortet ist. Ist ja logisch.«

      August mochte Wiards Ausdruck ›ist ja logisch‹ nicht besonders. Wiards gebrauchte ihn oft, wenn er in seinem Element war und anderen Neues erklärte. Und wenn man etwas nicht gleich verstand, erschien es, als sei man ein wenig beschränkt, denn wenn etwas ›einfach logisch‹ war, war es ja kaum möglich, es nicht zu begreifen.

      »Schau mal, hier ist zum Beispiel eine Karte des Landkreises«, fuhr Wiard fort, klickte auf ein Icon, das neben einer gezackten Linie die Abkürzung ›TK25‹ enthielt, und es erschien eine Karte.

      »Das ist eine einfache topografische Karte, deshalb TK, im Maßstab 1 : 25000. Eine amtliche Karte, das heißt eine, die von den Landesvermessungsämtern abgesegnet ist und für weitere Karten als Grundlage dienen kann.«

      »Interessant«, sagte August nur, für Karten hatte er sich nie sonderlich interessiert, wusste aber, dass es ohne sie nicht ging, bei Anträgen an die Kammer schon gar nicht. Henrike hatte ihm einmal ein Buch mit alten Karten und Stichen geschenkt, in dem er vor allem die Entwicklung der Küstenlinie im Bereich des Polders nachvollziehen konnte, was er durchaus interessant fand. Aber wann kam man schon mal dazu, sich in Ruhe mit einem solchen Buch in die Ecke zu setzen (ein Pils oder ein Glas Wein daneben)?

      »So. Mit dem Viewer kann ich weitere Karten anzeigen, die sich thematisch voneinander unterscheiden. Voraussetzung ist nur, dass sie die gleichen Koordinaten haben, also die Eckkoordinaten übereinstimmen, dann passen sie genau aufeinander. Man sagt, sie sind georeferenziert«, Wiard war nun ganz in seinem Element.

      »Sag mal, wird das hier ein ganzer Einführungskurs, oder was?«, ärgerte sich August und wollte gerade fortsetzen, dass er auch anderes zu tun habe.

      »Nein, keine Angst, August. Entschuldige, wenn ich zu viel rede, du kennst mich ja, wenn ich von etwas begeistert bin … und GIS und GPS sind nun einmal begeisternde Technologien …«, Wiard machte eine kurze Pause, »ich will dir etwas ganz Bestimmtes zeigen, über das andere können wir gerne mal reden – wie gesagt, du wirst das demnächst sowieso brauchen. Und wenn du nicht nur die Abrechnungsgeschichten, sondern auch andere Dinge mit einem GIS machst, kann dir das eine Menge erleichtern, und vor allem kriegst du ein ganz neues Bild deines Hofes, deines Landes, deiner Äcker. Aber das heben wir mal für später auf. Jetzt zu dem, was im Moment wichtig ist. Schau mal hier.« Wiard klickte erneut, und diesmal erschien eine Karte, die einen deutlich größeren Maßstab aufwies. August brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich hier um den Westteil des Polders handelte.

      »Mein Hof«, rief er fast wie ein Kind aus, das auf einem Foto sich selbst entdeckt.

      »So ist es«, stimmte Wiard kurz zu, »und hier ist der Deich, der alte Verlauf, und der neue. Warte mal.« Wiard änderte über einen ›Legend Editor‹ einige Strichstärken und Farben. Nun erschien die Karte des Polders neu, und die Linien des Deiches – alter und neuer Verlauf – wurden wesentlich dicker, einmal in Grün und einmal in Rot dargestellt.

      »Jetzt kannst du den Deichverlauf genau sehen«, erläuterte Wiard. »Rot ist der neue Deich, und hier ist die Ostkrümmung, na, das brauche ich dir nicht erklären, du kennst dich ja aus. Aber jetzt musst du genau aufpassen, ich rufe jetzt noch ein neues Layer auf …« Doch August unterbrach ihn:

      »Ein was?«

      »Ein Layer, ach so, na, das ist jetzt egal, erkläre ich dir später. Pass einfach mal auf«, wehrte Wiard die Frage ab.

      »Jawohl, Herr Lehrer.«

      »Komm, sei nicht so. Es geht etwas schnell, aber ich will dir eines noch zeigen, bevor du los gehst.«

      »Na, denn man los.«

      Wiard rief besagtes Layer auf, und über die rot und grün eingefärbten Deichlinien legte sich eine Art Skizze, auf der u. a. Handnotizen zu lesen waren. Außerdem einige ebenso per Hand gemalte Linien. Die Notizen und Linien befanden sich offenbar auch auf einer topografischen Karte. Die beiden Karten, die zuerst aufgerufene und die darübergelegte, passten zwar recht gut übereinander, die Linien wiesen jedoch Abweichungen auf. Die Notizen waren über per Hand gezeichnete Pfeile mit diesen Linien verbunden. ›Schadstelle 1a−c‹, ›Schadstelle 2b‹ und ähnliche Notizen las August.

      »Was bedeutet das?«, fragte er. Wiard hatte bislang geschwiegen, um August Zeit zu geben, sich das Ganze anzusehen.

      »Das habe ich von jemandem bekommen, dessen Namen ich im Moment nicht nennen will. Ein paar Umwege, dauert zu lange, es jetzt zu erklären. Jedenfalls ist es nichts weiter als eine Handskizze, gemalt auf einer topografischen Karte, in einem recht großen Maßstab natürlich, nicht wie eben, 1 : 25.000. Die Handeintragungen zeigen Schadstellen am Deich, um es kurz zu machen. Erfasst, wie du siehst, im Juli und August letzten Jahres. Die Handskizze ist schlicht gescannt worden, und den Scan habe ich als JPEG hier eingeladen, aber transparent dargestellt, damit man die Karte darunter auch noch sehen kann«, Wiard machte eine Pause.

      »Aha«, sagte August nur, bislang verstand er nicht so recht, worauf Wiard hinauswollte. Während die vorab gezeigten Karten recht übersichtlich und seriös ausgesehen hatten (es waren ja auch amtliche), erschien ihm dieses JPEG störend. Was JPEG bedeutete, war ihm schon völlig unklar, er kannte diese Situationen aber. Freerk bombardierte ihn manchmal auch mit einer Reihe ihm nicht bekannter Begriffe oder gab in einer für August wenig nachvollziehbaren Sprache Erklärungen ab, meinte etwa, auf der neuesten DVD irgendeiner Top-Band sei eine saugeile Sequenz, die total abging …

      »Also«, fuhr Wiard fort, »es ist eine Handskizze der neuen Deichlinie, auf der einige der Schadstellen verzeichnet sind, die uns die großen Sorgen machen. Ich habe das von einem Mitarbeiter der Wasserwirtschaftsverwaltung. Sozusagen ein Untergebener von Georg Redenius. Ich bin, wie gesagt, über Umwege an ihn herangekommen, und er hat durchweg meine Vermutungen bestätigt. Er fühlt sich nicht recht wohl in seiner Haut, darum hat er mir diese Informationen zukommen lassen. Er will absolut nicht genannt werden – fürchtet Konsequenzen, auch wenn es sich um die Wahrheit handelt. Das muss ich respektieren und werde selbst dir den Namen nicht nennen. Ich hoffe, du glaubst mir, dass nicht ich diese Skizze gemalt habe – wozu auch?

      Ich hatte das mit dem Scannen und Übereinanderlegen im GIS nur mal testweise probiert – finde aber, dass man aus dem Ergebnis neue Schlüsse ziehen kann, vor allem aber ist meine Theorie bestätigt, und unsere Beobachtungen vor Ort finden sich hier eigentlich auch wieder.«

      Im ersten Moment war August ein wenig verblüfft. An Wiard war ein Lehrer verloren gegangen, wenn er so daherredete.

      Dann fasste er sich und sagte: »Ein paar Striche auf ein Blatt Papier malen und ›Schadstelle‹ dranschreiben, das kann ich auch schnell machen. Und das stimmt doch alles nicht exakt mit der Karte überein, das ist für mich kein Beweis.«

      »Von Beweisen redet hier doch keiner. Dir muss ich auch gar nichts beweisen. Dass da nichts übereinstimmt, ist auch nicht ganz richtig. Natürlich, die Deichlinie der Skizze und die der Karte sind nicht identisch – aber das ist ganz logisch. Die Handskizze ist nun mal nicht exakt vermessen, und selbst wenn sie es wäre, könnte es sein, dass die Linien nicht genau aufeinanderliegen, wenn nämlich die Georeferenzierung nicht gut genug ist. Schau dir mal die dicke rote Linie der Karte und die der Handskizze an. Da sind doch deutliche Ähnlichkeiten zu erkennen. Und hier, schon gesehen?« Wiard zeigte am Bildschirm auf einen schlecht lesbaren Schriftzug, recht klein zwischen zwei ›Schadstelle‹-Bezeichnungen gequetscht.

      »Ostkrümmung«,

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