Das Netz der Freunde. Hans-Peter Dr. Vogt
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Mo Li hatte auch im letzten Jahr mit ihnen zusammen in Atlanta gewohnt. Ihre kleine Schwester und ihr Neffe waren „Zuhause“ in Detroit geblieben und hatten ihre Ausbildung zu Ende gemacht. Sie waren von einer Nachbarin betreut worden und Vera hatte die Kosten dafür übernommen. Nein, wirklich, Mo Li gehört schon fast zur Familie.
5.
Irina ist Opa Leon dankbar, dass er ihnen dieses Stück Urlaub gegönnt hat. Dieses Möbelkaufen und Einrichten ist zwar spannend, aber es ist auch anstrengend. Schließlich müssen all ihre Sachen aus dem Container noch ins Haus gebracht werden, die sie mit Leon und Dimmy dorthin gebracht hat. >Dieses Einrichten, Auspacken und Einräumen ist nervig und in diesen Tagen liegt wirklich viel rum. Bei Dimmy sieht es aus wie nach der Schlacht im Teutoburger Wald und schließlich muß Mama ihrem Sohn helfen. Dimmy bringt das nicht alleine auf die Reihe.
Irina ist sich aber auch darüber im Klaren, dass sie in einer völlig privilegierten Situation ist. Opa ist hier der Chef dieser riesigen Firma. Sie haben genug Geld. Sie werden im eigenen Haus wohnen und sie haben diese übernatürlichen Kräfte. Außerdem sprechen sie fließend deutsch, englisch, spanisch und russisch. Wenn es Konflikte gibt, so hatten sie gelernt, die anderen einzusummen. Schließlich hatte es Opa bisher verstanden, sie hervorragend in dieses neue Land einzuführen und dann ist da auch noch diese riesige Familie aus Freunden, auf die sie im Notfall zurückgreifen können.
Irina sieht offen und mit Spannung in die Zukunft. Sie ist wirklich nicht das typische Immigrantenkind. Sie ist deutlich privilegiert. Das kann ihr helfen, es birgt aber auch die Gefahr des Neids und der Überheblichkeit. Dann denkt sie daran, was Oma Katharina immer von der Erdung spricht. Sie redet mit Dimmy und Dimmy sieht sie lange und schweigsam an. Dann nickt er zustimmend. Durch seine Aktivitäten mit dem Board und dem Bike hat er wirklich erstklassigen Zugang zu den Kids seiner Altersgruppe. Hier wird das sicher ähnlich sein, wie in den USA, aber er stimmt seiner Schwester zu. Integration heißt in erster Linie, dass man sich an die Bedingungen anpasst, ohne sich selbst zu verleugnen. Er hätte das nicht so formulieren können, aber ja, es steht deutlich vor seinem geistigen Auge und Irina liest seine Gedanken. Sie nickt. Schließlich haben sie ja noch Opa und Vera. Sie wissen, dass sie mit den beiden über alles reden können.
Als Mo Li kommt, bringt Leon die kleine Familie im Ort unter. Es ist eine kleine helle Wohnung. Leon hat während der Fahrt gesummt und er hat sich erzählen lassen. Er hat nach der Ausbildung und den Vorlieben der beiden „Kinder“ gefragt. Chan Lan (die schöne Orchidee) hat Interesse an Sozial-berufen. Irgendwas mit Krankenhaus, Kindern, genau weiß sie das nicht. Ji Long (der heldenhafte Drache) hat in einem Eisenwarenladen gearbeitet. Na so eine richtige Ausbildung war das nicht. Er hat mitgeholfen und alles mögliche dabei gelernt. Der Lohn war gering gewesen, und er war ziemlich oft schlecht behandelt worden.
Da die drei kein Wort deutsch sprechen, macht Leon den beiden „Kindern“ folgenden Vorschlag. „Ich könnte versuchen, Chan Lang an das hiesige Krankenhaus zu vermitteln, oder in den Kindergarten, aber Voraussetzung ist, dass sie erst mal deutsch lernt. Ji Long könnte ich in eine Autowerkstatt vermitteln, in den Elektronikmarkt, den wir hier im Ort haben, oder auch in unsere Fabrik. In jedem Fall müsst ihr hier aber noch eine Ausbildung haben, wenn ihr nicht als ungelernte Kräfte arbeiten wollt. Sonst gibt es nicht viel Geld zu verdienen. Das was ihr bisher gemacht habt, das wird hier nicht anerkannt.“
Er fährt fort: „Ich möchte euch einen Vorschlag machen. Wir haben an unserer Schule einen Bauernhof angegliedert. Es gibt dort Tiere und einen Gemüsegarten. Es gibt einen Tierarzt, der regelmäßig kommt und auch einen Hufschmied. Es gibt Werkzeuge, die ständig in Schuss gehalten werden müssen. Viele dieser Tätigkeiten könnt ihr durch Zusehen und Zuhören lernen. Es gibt auch einen Hofladen. Wir haben Sensen, die geschliffen werden müssen und Traktoren, die gewartet werden. Unser Bauer spricht ziemlich gut englisch und auch unsere Pferdepfleger sprechen das ziemlich gut. Wenn ihr also dort ein oder zwei Jahre mitarbeitet, dann lernt ihr deutsch. Vielleicht hat Ji Long dann Lust, Hufschmied zu werden oder Pferdepfleger. Vielleicht hat Chan Lan Lust im Laden zu bleiben oder dem Tierarzt zu helfen. Ihr bekommt ein kleines Gehalt und wenn ihr gut aufpasst, dann findet ihr schnell Anschluss und ihr findet einen Beruf, der euch Spaß macht. Anders als Detroit ist das hier eine sehr kleine und überschaubare Stadt. Ihr werdet hier schnell Freunde finden. Ich bin mir sicher. Was meint ihr dazu?“
Die „Kinder“ können das noch nicht entscheiden. Sie sind 17 und 19, hier ist alles fremd und von der Arbeit auf einer Farm, die gleichzeitig eine Schule ist, können sie sich nichts vorstellen. Sie müssen hier erst einmal ankommen, und Leon sieht Mo Li an. „Also gut. Dann machen wir das anders. In unserem Haus sind erst einmal viele Dinge zu erledigen. Die Kinder können dir ein paar Tage helfen. Vielleicht kann Ji Long die Fußleisten anbringen, einen Gartenzaun bauen, oder den rasen einsäen. Dann hast du ein wenig Zeit übrig und kannst dir mit den Kindern mal frei nehmen, um unsere Kleinstadt zu erkunden. Aber das wird nicht lange so gehen. Ihr braucht ein Ziel für die Zukunft. Lasst uns in ein paar Tagen noch mal darüber reden. Bis dahin werdet ihr Gelegenheit haben, unser Hofgut einmal kennenzulernen.“
6.
Irina weiß noch nicht, dass sie ein Mutant ist. Sie weiß nichts von Artemis. Sie weiß noch nichts von der Aufgabe, die ihrer Familie in dieser Welt noch zukommen wird. Ihre Kräfte sind noch nicht gut ausgebildet, und von dem Umfang der Kräfte, die Tante Chénoa zur Verfügung stehen, ist Irina weit entfernt, aber sie hatte im letzten Jahr viel dazugelernt. Sie verlässt sich voll auf ihren Großvater Leon, ihren eigenen Instinkt und ihr Aussehen. Sie wird das hier in Deutschland schon packen. Sie ist sich sicher. Schließlich wird ihr auch die Position ihres Großvaters in Wittenberge helfen. Die Schule gehört immerhin der Stiftung.
Irina gehört zur Elite. Sie hatte das bisher nur nie so empfunden, und jeder Gedanke, daraus einen Nutzen zu ziehen, um sich persönlich zu bereichern und zu erhöhen, liegt ihr fremd. Irina hat die Gene des Artemis. Sie ist Teil des Clans, und so etwas wie eine soziale Fürsorge ist ihr angeboren. Sie ist schließlich nicht nur ein menschliches Wesen, sie ist auch eine Cantara. Sie weiß das nur nicht. Sie ist unter einer ständigen Anleitung durch das Volk der Cantara, das sich in den letzten Jahrzehnten auf dieser Welt tausendfach vermehrt hat, und auch in ihrem Kopf sitzt. Völlig unsichtbar für die menschliche Gattung.
Irina wird nicht alleine sein, wenn sie sich hier integrieren muss. Sie wird die Hilfe der Cantara haben.
Die Cantara sind sich sicher, nicht alle Konflikte für Irina und Dimmy leicht lösbar zu machen. Wenn man für eine bestimmte Aufgabe vorherbestimmt ist, so wie Irina oder Dimmy, dann muss man lernen, die Mechanismen zu entdecken, die den Lauf der Welt bestimmen. Im Kleinen, wie im Großen, oder anders formuliert, Irina und Dimmy müssen konfliktfähig werden, und sie müssen lernen, wie beide Kontrahenten eines Konflikts stolz und gestärkt hervorgehen, aber doch so, dass Irina und Dimmy ihren Willen letztendlich durchsetzen, zum Wohl aller.
Das ist manchmal eine Gratwanderung, denn was ist letztlich das Wohl aller?
Für die Cantara ist dies nicht diskutabel. Sie wollen ihrer Weltanschauung auf diesem Globus Geltung verschaffen, und der Clan der Auserwählten ist ein Instrument auf diesem Weg.
Soviel weiß Irina immerhin: Sie hat ihre Kräfte erhalten, weil ihre Familie auf dieser Welt eine Aufgabe hat. Aber dieses Wissen ist noch diffus. Sie glaubt, die Kräfte von ihrem Vater geerbt zu haben, und Opa Leon ist nur der Verstärker eben jener Grundfähigkeiten.
Mehr muss Irina zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht wissen. Sie ist eine Lernende.
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