Der Wolfsmann. Hans-Peter Vogt
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Dieses mal werden keine lebenden Opfer gebracht. Die Nordmänner hängen Felle, Tierköpfe und Lanzen in die hohen Stehlen, so dass die Schatten im Wind tanzen. Es ist ein Fest, ganz in Erwartung des großen Abenteuers, das von Björre angeführt wird, der ein erfahrener Seemann ist, und der die Sterne lesen kann.
Dann bricht die Crew auf. Fünfzig Mann. Es sind viele junge Männer dabei, die ihre ersten Abenteuer bestehen werden. Hagan hatte ihre Schwerter geschärft, und ihre Helme und Schilder geprüft. Sie haben Proviant und Süßwasser an Bord und sie werden in diesem Boot auch schlafen.
Jede Meeresüberquerung ist ein Abenteuer. Es gibt Sturm, hohe Wellen und Wind. Fast schlimmer ist brennende Hitze und Flaute, dann wenn man sich ganz auf die Rudermannschaft und die eigene Kraft verlassen muss.
3.11.
Im Dorf bleiben genügend Leute zurück. Die Kinder und Jugendlichen gehen wieder fischen.
Tierhäute werden verarbeitet, und es wird genäht und gewebt. Die Kinder tollen durch die bunten Wiesen, und von Zeit zu Zeit wird eine Jagdgruppe in die Berge geschickt.
Alf ist viel zu klein, um da mitzugehen. Er bleibt im Dorf. Er nimmt bei den täglichen Abläufen teil, und er entwickelt immer öfter diese Fähigkeit, Kraft zu schenken und zu heilen.
Alf ist erst vier, aber er wird von den Menschen im Dorf respektiert und verehrt.
Einmal tritt Hagan auf Josefa zu, und Alf stellt sich instinktiv schützend vor Josefa. Er sieht Hagan durchdringlich an und Hagan dreht sich schließlich um und geht wortlos.
Der Junge hatte ein Leuchten in seinem Blick gehabt, so dass ihm unheimlich geworden war.
Er begreift, dass Josefa unter dem Schutz von Alf steht. Hagan ist zwar der Anführer des Dorfes, aber er ist auch ein Seher, und er sieht in dieser Verbindung aus Alf und Josefa jetzt als etwas Positives. Er wird diese Verbindung achten, solange Alf diesen Schutz aufrechterhalten würde.
Alf ist immer noch ein kleiner Junge, und er kann manche Dinge nicht tun, die von den größeren Kindern getan werden, aber er beobachtet und lernt.
3.12.
Als die Krieger dann im Herbst wiederkommen, bringen sie reiche Beute mit. Sie waren die Weser hinauf gefahren, und sie hatten mehrere Dörfer, Städte und Klöster geplündert.
Sieben von ihnen waren gefallen, etliche hatten im Kampf Wunden davon getragen, aber sie hatten viele Gefäße, Amulette, Ringe, Kreuze und Ketten erbeutet, die meisten aus Gold, etliche aus Silber. Es gibt Krüge aus Zinn, Pfannen und Töpfe, Rüstungen und Schwerter, und Stoffe aus Leinen und Wolle, und sie haben dreißig Leibeigene dabei, Männer, junge Frauen und Kinder, die von der Fahrt übers Meer, den Wind, der Seekrankheit und dem Durst ausgezehrt und elend aussehen.
In diesem Herbst gibt es ein großes Freudenfest.
Endlich kann man Thor, Odin und Freya gebührend huldigen, und sie hängen fünf der Männer in die Steelen und opfern sie den Göttern bei lebendigem Leib.
Für die Nordmänner ist das ein Teil ihres Glaubens, und auch die 5 Leibeigenen dürfen sich nicht beklagen. Viele ihrer Landsleute waren von den Nordmännern erschlagen worden. Sie selbst waren gefangen genommen worden, und sie dürfen nicht darauf hoffen, jetzt ein glückliches Leben zu führen. Wer weiß. Vielleicht ist der Tod der fünf Geopferten sogar besser, als jahrelange Knechtschaft.
Für Alf ist das dieses Mal nicht mehr so schlimm.
Er lebt jetzt seit über einem Jahr bei den Nordmännern, und im Alter von drei oder vier Jahren passt man sich schnell an eine neue Umgebung an. Alf ist auf dem besten Weg, einer der Nordmänner zu werden.
Dieses Herbstfest ist auch deshalb etwas Besonderes, weil sich fünf Paare das Ja-Wort geben. Die jungen Männer waren mit Erfolg und Ruhm wiedergekehrt. Man würde sich über den langen Winter von ihren Taten erzählen, und die Mädchen liegen in den Armen der jungen Männer, die sie lieben, und die sich das erste Anrecht auf einen Sitz im Rat verdient hatten.
Die Hochzeitsrituale werden oben auf dem Hochplateau durchgeführt, noch bevor die fünf jungen Gefangenen verbrannt werden und so ist dieses Opfer gleichermaßen ein Opfer an den großen Gott Odin, an den Kriegsgott Thor und an Freya, die als Göttin der Liebe gilt. Sie würde die Paare von nun an beschützen, wenn man dieses Opferbündnis immer wiederholen würde.
Das Fest ist eine Mischung aus überschäumender Freude und Bluttat, aber für die Nordmänner ist das ganz nach ihrem Geschmack. Ein überschäumendes Fest aus Tanz, Ekstase, Liebe, Völlerei, Besäufnis und Blut.
Der Festakt wird mit einer Liebesnacht irgendwo da im Dunkel der Nacht gekrönt, bei der vielleicht die ersten Kinder dieser neuen Ehen gezeugt werden.
Alf darf nur als Zuschauer bei diesem Fest teilnehmen, denn er ist immer noch ein kleines Kind, aber er nimmt dieses neue Ereignis tief in sich auf.
In der Nacht liegt er an der Brust der Amme und auch er genießt dieses Gefühl aus weicher Wärme, das ihm da entgegenströmt.
Was Alf nicht mitbekommt, das ist, dass in dieser Nacht drei der jungen Mädchen geschwängert werden, die von den Männern als Leibeigene mitgebracht worden waren.
Auch das ist für die Nordmänner typisch. Die Leibeigenen haben zu dienen, auf welche Art auch immer. Sie sind das Eigentum der Krieger, mit dem man nach Belieben verfahren kann.
Hätte man in der Zwischenzeit das Dorf überfallen, wäre mit den Frauen und Kinder der Nordmannen genauso verfahren worden. Heute mag das brutal klingen, aber damals machte man sich darüber keine Gedanken. Das ist das Recht des Siegers, und der Besiegte muss sich fügen.
Auch Josefa war eines Tages in die Gefangenschaft geraten, und es war ihr nicht anders gegangen, als den jungen Mädchen jetzt.
Sogar Alf profitiert davon. Nur weil Josefa schwanger geworden war, hatte sie genug Milch, um ein Kind zu stillen. Ihr eigenes drittes Kind hatte sie inzwischen abgestillt, um ganz für Alf da zu sein. Hagan hatte das von ihr verlangt, und Josefa hatte sich fügen müssen. Davon Hatte Alf natürlich keine Ahnung. Er war nur der Nutznießer dieser Regelung.
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