Der Wolfsmann. Hans-Peter Vogt

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Der Wolfsmann - Hans-Peter Vogt

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ist, aber Glas ist in seinem Leben nichts Besonderes. Hier gilt Glas als wertvoll. Nur die Erwachsenen dürfen das in die Hand nehmen.

      Die Kinder trinken aus Zinn- oder Holzbechern.

      Es gibt aber auch allerlei Steine und verschiedene Figuren, die im Hause von Hagan als besonders wertvoll gelten.

      Die Kinder tuscheln manchmal, aber sie dürfen das nicht anfassen.

      Im Hause des Hagan gibt es viele Gebote und Verbote.

      Auch wenn die Kinder miteinander spielen, balgen und kämpfen, gibt es viel Arbeit, von morgens bis abends. Auch Alf wird mit seinen drei Jahren in diese Arbeiten einbezogen.

      „Wer hier essen will, der muss auch arbeiten“ hatte Hagan bestimmt.

      Alles ist hier anders als in Berlin. Was in Berlin eher spielerisch war, um den Kindern die Welt aufzuschließen, das ist hier durch einen anderen Rhythmus geprägt. Man kann nirgendwohin gehen und ein Pfund Mehl oder ein Kilo Äpfel kaufen. Alles muss erst mühsam beigeholt werden. Wenn die Frauen in die Pilze oder in die Kräuter gehen, nehmen sie auch Knechte und Mägde mit, und die werden bis zum Zusammenbrechen bepackt.

      Jetzt im Herbst gehen die Männer auch zum Holz machen. Jedes dieser Langhäuser hat einen gemauerten Ofen. Die Männer gehen mit Äxten fort und die Knechte schleppen viele Meter Holz ins Tal.

      Alf ist noch zu klein, um mitgenommen zu werden, aber er sieht diese vielen Meter Holz, die sich jetzt hinter dem Haus auftürmen. Wird es hier sehr kalt“, fragt er Josefa, und die nickt.

      „Sehr kalt.“

      Im Sommer laufen die Kinder barfuß, aber Alf sieht bei den Nordmännern eine Art grober Schuhe, die mit Lederriemen an den Beinen festgebunden werden, und er sieht in Hagans Halle auch Fäustlinge aus Fell. Noch werden die nicht gebraucht. Er wird das auf sich zukommen lassen.

      Jetzt schon merkt er, dass die Tage kürzer wurden, dass der Regen immer länger und kälter wird. Er sieht, dass das Boot der Männer mühsam ans Land gezogen wird, und dann auf lange Stützen gebockt wird, mit der offenen Seite nach unten.

      Er erlebt auch die ersten Herbststürme, die sogar die Wellen in ihre Bucht peitschen, und dann wird es ziemlich ungemütlich, denn Hagan verbietet, Feuer zu machen. „Das Holz brauchen wir für den Winter“, bestimmt er.

      Es gibt auch milde und sonnige Herbsttage, dann arbeitet die Männer am Boot, das unter dem Bug ausgebessert werden muss. Sie haben einen Lagerplatz für Holz, das mit Beilen gespalten worden war. Es liegt dort und trocknet, und wartet darauf, dass es irgendwann von den Männern mit ihren Äxten bearbeitet werden wird.

      Für die Boote wird nur besonderes Holz verwendet. Es muss astfrei sein.

      Alf wächst langsam in das Geschehen hinein. Eine Schule gibt es nicht, und die älteren Kinder werden – so wie die jüngeren auch – in die jeweiligen Arbeiten der Erwachsenen einfach eingebunden. Manchmal von den Frauen, und manchmal von den Männern.

      Alf war das früher nie bewusst gewesen, hier lernt er, dass es einerseits typische Arbeiten für Mädchen und Jungen gibt, dass sie aber dann, wenn es um Entscheidungen geht, gleichberechtigte Stimmen haben. Die Frauen gebären die Kinder und das wird hoch bewertet.

      Sie sind selbstbewusste Führer des Clans, und wenn im Sommer viele Männer mit dem Boot wegfahren, dann sind es oftmals die Frauen, welche die Entscheidungen alleine treffen, und notfalls das Dorf auch verteidigen müssen.

      Jungen und Mädchen werden hier im Umgang mit Messern, Äxten und Schwertern trainiert. Es gibt Mädchen, die genauso geschickt sind, wie die Jungs. Nur in der puren Kraft, da sind die Jungs meist überlegen. Also wird trainiert, wie man sich mit Geschick gegen Kraft wehrt. Es geht immer auch um Kampftaktik und Schnelligkeit.

      Alf beobachtet und lernt. Gewiss, so etwas wie eine Schule, das gibt es schon, aber nicht in dem Sinn, wie das in Berlin seines früheren Lebens praktiziert wurde. Er kennt das aber auch nur aus den Erzählungen seiner älteren Geschwister, und er weiß aus diesen Erzählungen zumindest ansatzweise, was Schule und was Aufgaben sind.

      Hier ist das anders.

      Alf denkt oft an Mama, an Lilly und die anderen.

      Auch Papa fehlt ihm, aber dann zuckt er die Schultern und seufzt. Er hatte einmal mit Josefa darüber gesprochen, aber die hatte das nicht verstanden. Wie sollte sie so etwas auch verstehen.

       3.5.

      Die Kinder und Jugendlichen im Dorf haben vor allem eine Aufgabe. Dort, wo die Bucht sich verengt, dort wo das Meerwasser in die Bucht strömt, und beim Herauslaufen einen Sog erzeugt, dort stehen viele Felsen.

      In grauer Vorzeit hatte der Wasserfall, der unweit des Dorfes aus den Bergen fließt, hier einen Binnensee geschaffen, der irgendwann einmal die Verbindung zum offenen Meer gefunden hatte. Es gibt da besonders einen Felsen, da kann man hinspringen, wenn man sehr mutig ist. Es gibt da eine Enge, wo die Fische, die in die Bucht hineinschwimmen, quasi mit den Wellen durch die Enge gepresst werden. Wer sich hier mit dem Speer aufstellt, gute Augen hat, und ein schnelles Reaktionsvermögen zeigt, der kann reiche Beute machen. Die Bucht ist voller Fische.

      Die meisten Fische kommen durch das Haupttor zur Bucht, aber auch diese Nebenarme sind voll davon. Jeden Tag stehen dort mehrere Kinder und Jugendliche, um zu jagen. Sie stoßen einfach mit der Lanze ins Wasser, ziehen den Fisch heraus, und werfen ihn hinter sich. Die andern Kinder müssen den Fisch auffangen. Sie nehmen ihn an Ort und Stelle aus und hängen ihn zum trocknen in Streifen an selbstgebastelte Holzstäbe. Die Kinder und Jugendlichen auf dem Felsen wechseln sich ab. Sie stehen fast immer im kalten Wasser und wenn man auf dem glitschigen Felsen ausrutscht, ist man verloren.

      Das Wasser ist tief. Der Sog drückt einen sofort unter die Wasseroberfläche und man ertrinkt. Das war schon mehrere Male passiert. Die Fische sind für das Dorf aber lebenswichtig.

      In dem Dorf leben mehr als dreihundert Personen. Die brauchen Nahrung und Kleidung.

      So stehen die Kinder und Jugendlichen jeden Tag dort auf diesem Felsen und am Felsrand, und fischen. Es sind immer 5, 6 oder acht Mädchen und Jungen. Es gibt da keinen Geschlechterunterschied. Manche Mädchen sind sogar viel geschickter, als die Jungen. Auf jeden Fall sind sich die Kinder der Gefahr bewusst, und das trainiert sie, besonders vorsichtig und geschickt zu werden.

      Das ist nicht nur Arbeit. Die Kleineren werden in die Arbeit eingewiesen. Die Jugendlichen können sich ohne Aufsicht sehen. Sie scherzen, lachen und tanzen. Manche finden hier ihre ersten zaghaften Liebeskontakte. Es gibt Fische, die haben eine besondere Art von Gräten, die werden herausgenommen und gesammelt. Sie dienen als Nadeln. Man kann damit nähen oder Kleidungsstücke zusammenstecken.

      Abends geht die Gruppe nach Hause, beladen mit Fisch, der nun unter einem Vordach zum Trocknen gehängt wird, so dass er weder von den Hunden, noch von den Mäusen gefressen werden kann.

      Der luftgetrocknete Fisch wird später in Holztruhen gelagert. Er dient bei Jagdausflügen als Nahrung und wird auch bei Fahrten übers Meer als Notration mitgeführt. Menschen, die am Wasser leben, die leben vom Fisch.

       3.6.

      Es gibt viele Hunde im Dorf. Als Alf damals von Hagan ins Dorf

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