Der Wolfsmann. Hans-Peter Vogt
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Es sind große struppige Tiere mit schmalen Köpfen und blauen Augen, die von den Männern zur Jagd mitgenommen werden. Sie sind halbwild und sie sind gefährlich.
Alf war für sie ein Fremder, ein potentieller Feind, aber Alf hatte schon am nächsten Tag den Kontakt hergestellt.
Er stand inmitten der Hundemeute, winselte und kläffte und summte. Jodan hatte ihren Mann angestoßen und auf Alf gezeigt, und Hagan hatte tief in Gedanken genickt. Dieses Kind war wirklich etwas Besonderes.
Es war wirklich so. Hagan und die Männer müssen manchmal zu diesen Tieren recht grob sein, um sich vor Aufdringlichkeit zu schützen. Alf macht das anders. Er summt und brabbelt, er kläfft und winselt, und die Tiere gehorchen ihm aufs Wort. Es ist nur damit erklärlich, dass Alf von den Göttern geschickt worden war. Jetzt konnte sich Hagan auch den seltsamen Geruch erklären, den Alf hatte, als sie ihn gefunden hatten.
Als die Jagdgesellschaft viele Wochen später mit den erbeuteten Wölfen kam, und als Jodan ihrem Mann erzählte, dass Alf gesagt hätte, das seien seine Brüder gewesen, da war Hagan in seiner Ansicht bestätigt worden. Alf ist eine Elfe, die Tiergestalt annehmen kann, und er hatte die Anweisung gegeben, die Wölfe in Zukunft zu verschonen.
So wurde Alf zwar in das Dorf integriert, aber er wurde von Hagan vorsichtig und hochachtungsvoll behandelt. Mehr noch als alle anderen Kinder.
Kinder müssen in die Gruppe hineinwachsen. Sie brauchen Anleitung, aber sie müssen auch arbeiten, um ihr Dasein zu rechtfertigen. Sie sind wichtige Mitglieder der Gemeinschaft. Sie sind die Zukunft der Familie, das gilt auch für Alf, aber Alf, der ist für Hagan seit damals etwas Besonderes.
3.7.
Jeder der Männer im Dorf hat irgendeinen Totem, irgendein heiliges Zeichen, das er sich ausgesucht hatte, und das er behütet wie einen Schatz.
Manchmal sind das Bärenknochen, manchmal kleine bronzene Figuren, die um den Hals getragen werden, manchmal Federn, die am Helm stecken oder ein besonderes Armband.
Manche haben auch mehrere solcher Totems, für jeden Zweck einen.
Auch im Dorf gibt es einen Thingplatz und wenn sich irgendein Ereignis ankündigt, dann ruft Hagan sein Dorf auf dem Thingplatz zusammen.
Er liegt unweit des Wasserfalles, auf einer großen Wiese, umgeben von hohen Bäumen. Hier gibt es Holzstämme, die im Boden stecken und die verziert sind mit Köpfen der Bisons, mit Geweihen der Elche und Rentiere. Es gibt dort Knochen, die im Wind wehen und Felle, die von der Sonne und dem Wind gegerbt worden waren.
Selbst das Wasser des Wasserfalles gilt den Nordmännern als heilig. Es ist lebensspendend und dient ihnen als Trinkwasser.
Es ist ein heiliger Platz, der den Göttern geweiht ist. Dieser Platz dient den kleinen, eher alltäglichen heiligen Handlungen, die alleine Hagan durchführen darf, weil er der Seher der Sippe ist.
Hagan hat eine ganze Sammlung von Knochen und Knöchelchen, von Steinen und Glasstücken.
Manchmal greift er in seinen Beutel und wirft diese Steine vor sich auf den Boden, um dann aus der Anordnung der Steine die Zukunft zu lesen. Jagdergebnisse, bevorstehende Heiraten, Erfolge bei Beutezügen, oder beim Handel mit Nachbardörfern. Auch Krankheiten oder Gesundbetung. Alles wird hier auf dem Thingplatz „verhandelt“.
Die Gruppe der Männer und Frauen, die im Dorf eine Stimme im Rat haben treffen sich hier, um wichtige Ereignisse zu besprechen, Beschlüsse zu fassen und Streit zu schlichten.
Ohne das Alf das wusste, hatte Hagan eine Woche nach Alfs Ankunft im Dorf den Rat auf dem Thingplatz zusammengerufen, und er hatte Knochen und Steine geworfen. Er hatte die Anordnung studiert und prophezeit, dass dem Dorf durch die Ankunft des weißhäutigen Jungen in der Gemeinschaft der Nordmänner noch eine wichtige Rolle zufallen würde.
Die Gemeinschaft der Nordmänner glaubt fest an solche Dinge. Hagan ist ihr Seher. Es war bisher immer eingetreten, was Hagan prophezeit hatte.
All diese martialisch aussehenden Männer bilden eine feste Gemeinschaft, die aus Regeln, Zauber und Rollen besteht, die jedem in der Gruppe zugewiesen wird. Es ist eine strenge Ordnung, die aber auch viele Freiheiten zulässt. Als Mitglied der Gruppe ist man etwas Besonderes. Wer Stimmrecht hat, der ist ein Alphatier, ein „Krieger“ oder eine „Mutter“. Ein wichtiger Mann oder eine wichtige Frau eben, dessen Urteil man sich beugen muss.
Die jungen Männer und Frauen, die in den Rat aufgenommen werden wollen, die müssen ihre Reife und das Recht erst unter Beweis stellen, Mitglied in diesem erlauchten Rat zu werden. Man muss sich dieses Recht verdienen.
Die Leibeigenen, die im Dorf leben, die sind von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen. Frauen müssen Kinder gebären. Die Leibeigenen müssen Liebesdienste verrichten, aber ihre Kinder, die sie mit Männern des Clans zeugen, die sind wieder nur Leibeigene, ohne jedes Stimmrecht.
Innerhalb des Clans werden zwischen Mann und Frau Ehen geschlossen, die ein Leben lang halten. Weil diese Dörfer klein sind, wird dem Inzuchtproblem dadurch vorgebeugt, dass sich die Dörfler mit ihren Nachbargemeinden austauschen. So sind die verschiedenen Sippen entlang der Küste alle miteinander verwandt und es gib Bindungen, die den Frieden zwischen den einzelnen Dörfern garantierten, solange die Regeln eingehalten werden.
Dazu gehört, dass Brautentführungen als tabu gelten, aber so etwas gibt es. Nicht immer sind die Väter einer jungen Frau einverstanden, wenn ein junger Mann um ihre Hand anhält. Dann kann es zu gewaltigen Konflikten kommen.
Im Moment ist die Lage ruhig. Das Dorf ist ohnehin durch seine Lage gut geschützt und es wird nie alleine gelassen.
Die Wächter im Dorf haben Tonpfeifen und können im Notfall die Dorfgemeinschaft schnell zusammenrufen. Woher sie die haben, weiß Alf nicht so genau. Die Krieger hatten sie irgendwann einmal mitgebracht.
3.8.
Der Herbst geht langsam in den Winter über.
Irgendwann Ende Oktober setzt sich Alf nachts plötzlich auf. Er stößt Mona an und flüstert. „Was ist das?“
Irgendwie fühlt sich plötzlich alles an, wie in Watte verpackt. Mona richtet sich auf, dann schlingt sie den Arm um Alf, und zieht ihn unter das Bärenfell. „Schnee“, sagt sie. „Das ist der erste Schnee.“
Alf wird am nächsten Tag warm eingepackt, bekommt so eine Art Lumpen um die Füße gewickelt, dann werden Fellüberzieher über die Füße gestülpt, und mit Riemen festgebunden. Er erhält eine Mütze und eine warmes Fell um die Schultern als Schutz vor der Kälte. Handschuhe bekommt er nicht. “Es ist noch warm”, sagt Jodan, “jetzt brauchst du das nicht.”
Als Mona dann die Tür öffnet, staunt Alf. Die ganze Landschaft ist wie in Puderzucker gepackt, vielleicht kniehoch. Dichte, große Flocken fallen vom Himmel, so dass man fast nichts sieht. Das kennt Alf noch nicht, und er fasst vorsichtig in diese weiße Schicht.
Großmutter Jodan hatte gesagt es sei noch warm, aber Alf merkt schnell, dass der Schnee die Hände kalt macht. Mona zeigt ihm, dass er die Hände fest mit Schnee einreiben muss, damit sie durchblutet werden. Die Nordländer kennen sich damit aus.
Der