Die Geburt der Schamanin. Hans-Peter Vogt
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17.
In diesem Sommer passierte noch mehr. Die Siedlung der Indios wurde fertig. Die Stadt entlang des Flusses wuchs und wuchs. Eine Brücke aus Stahlbeton war gebaut worden, welche die alte Holzbrücke ersetzte. Der Staudamm unten im Tal wuchs und wuchs, und schließlich wurde der See geflutet. Über den Staudamm führte eine Straße, die man als Fussgänger und mit Tieren begehen durfte. Man kam über diesen Staudamm viel schneller in die Ausgrabung hinüber.
Im Sommer wurde Théras kleiner Bruder Pesa geboren. Er war dunkelhaarig wie Mama und wie Théra, und auch er hatte diesen braunen warmen Augen seiner Mutter Alanque.
Théra lernte, dass sie Mama entlasten musste. Sie fühlte sich jetzt schon groß. Manchmal fegte sie mit Mama oder Papa das kleine Haus und sie machte Besorgungen. Mama lehrte sie mit Nadel und Faden umzugehen. Bei den Indios in der Siedlung lernte sie wie man aus der Wolle der Alpaccas Fäden sponn, Decken und warme Pullover webte. Sie lernte, manchmal auf Pesa aufzupassen. Mama nahm das Baby aber fast immer zur Arbeit mit.
Ihre Schwester war noch klein. Para kam oft mit in die Siedlung und trug Clara auf dem Arm. Sie wuselte überall unter den Indios umher und lachte sie alle an. Sie hatte inzwischen richtige Goldlocken bekommen und sie hatte dieselben energiegeladenen Hände wie ihre Schwester. In der Ausgrabung war entdeckt worden, dass zwei der Königinnen blondes Haar hatten. Die Indios wussten, dass Para, Dennis und Théra große Kräfte haben. Sie entdeckten, dass auch die kleine Clara sich genauso entwickelte. Sie konnte in die Menschen hineinhorchen. Sie galt den Indios bald als eine Art Wiedergeburt der Sonnengöttin, die dort in dem Sarkophag gefunden worden war. Die Indios glaubten an diese Dinge.
Schließlich hatten Para und Théra schon mehrfach Kinder der Indios auf wunderbare Weise geheilt. Es waren immer Krankheiten, bei denen das Wissen der Ärzte versagte. Immer wurden Para und Théra von einem geheimnisvollen Feuer umgeben, das manchmal statisch war, das sich manchmal aber auch wild bewegte. Manchmal sprühten Funken, manchmal legte sich dieses Feuer wie ein dichter Nebel über den Raum. Tiere, die in der Nähe waren, wurden still und geradezu andächtig. Sie stellten das Fressen ein. Sie legten sich hin, sie beobachteten das Geschehen, sie winselten manchmal leise. Die Indios wussten, dass sie darüber nicht mit den Weißen reden durften. Es blieb ein Geheimnis unter den Indios.
Para und Théra wurden bald so etwas wie Götter für die Indios. Sie wurden gerufen, wenn nichts mehr anderes half. Sie waren stets freundlich. Nie kam es vor, dass die beiden Geld nahmen. Sie ließen sich gern zum essen und trinken einladen. Sie saßen bei den Schulungen und beteiligten sich daran. Sie lernten, genauso wie auch die Indios selbst lernten. Sie waren ein Teil der Indiogruppe, und dennoch waren sie etwas Besonderes. Sie verlangten keine Unterwürfigkeit und sie hätten das strikt abgelehnt, aber sie besaßen die Hochachtung aller Indios. Diese Hochachtung wurde auch auf die kleine Clara übertragen.
Im Hotel war es nicht anders. Es gab dort viele Indios. Manche halfen in der Küche. Ein Großteil der Zimmermädchen waren Aymara-Indianer, einige bedienten die Gäste. Dennis und Bübchen hatten dafür gesorgt, dass sie englisch lernten. Einige lernten sogar französisch und japanisch. Dennis und Bübchen (der als Direktor alles im Hotel befehligte) sorgten gut für die Indios und sie honorierten jede gute Leistung.
Schließlich war auch die Siedlung von Papas Stiftung gebaut worden, in der alle diese Indios lebten. Die Indios hatten damals darüber diskutiert, sie hatten abgestimmt, sie hatten an den Bauarbeiten mitgewirkt, und sie hatten ihre Familien hergeholt. Ihr Herzblut steckte in dieser Siedlung. Inzwischen wohnten dort über 5000 Indios, Erwachsene und Kinder.
Die Familie von Dennis und ihre Freunde waren für die Indios wie das beschützende und sorgende Oberhaupt ihres Clans.
Théra hatte jetzt eine große „Familie“ bekommen. Alle diese Indios waren „ihre Familie“. Manchmal kam sie alleine mit ihren beiden Hunden und ließ sich von den Indios einladen. Sie aß mit ihnen. Manchmal schlief sie bei ihnen. Théra war ein Teil dieses Clans. Sie konnte überall ein- und ausgehen. Sie kannte nicht jeden der 5000 Indios, aber doch viele von ihnen. Auch bei den Kindern genoss sie eine seltene Hochachtung.
18.
Eigentlich durfte man nicht mehr nur von zwei Hunden sprechen.
Théra war im Frühjahr mit Papa einmal ins Tal des Wasserfalls gesprungen. Die Familie hatte drei Hütehunde, die Para ihnen besorgt hatte und die inzwischen schon wieder eigene Nachkommen hatten.
Papa fand, es sei an der Zeit, dass Théras großer irischer Wolfshund eigene Kinder bekommt. So wurde Suse (so hieß Théras Wolfshund) von dem Leitrüden der Hundemeute gedeckt.
Im Herbst brachte Suse sechs Welpen zur Welt. Es war eine Mischung zwischen Wolfshund und den großen struwweligen Hirtenhunden aus dem Tal des Wasserfalls. Zunächst hatten sie noch ein kurzes dichtes Fell. Sie waren blind. Später öffneten sie die Augen und wackelten auf ihren kurzen Beinchen herum. Sie hatten immer Hunger und piselten überall hin.
Théra und Clara liebten diese Welpen. Es war eine aufregende Zeit.
Clara, die längst gelernt hatte, mit den Tieren zu sprechen, lag manchmal mit der kleinen Meute in dem großen Hundekorb, der Suse und ihren Welpen als Bett diente. Die Welpen turnten auf ihr herum. Manchmal nahm Suse die Welpen ins Maul, und setzte sie von Clara weg, wenn sie gar zu aufdringlich wurden. Suse sorgte für Clara genauso gut wie für Théra und ihre eigenen Welpen.
Am liebsten hätten Théra und Clara alle sechs Welpen behalten. Aber Papa entschied, dass vier der Hunde ins Tal des Wasserfalls gebracht wurden. Théra und Clara durften sich jeweils einen der kleinen Welpen aussuchen.
19.
In diesem Jahr passierte noch etwas. Papa baute unweit der Hütte ein großes Haus. Es hatte einen Keller aus Stahlbeton und vier Etagen. In der obersten Etage würde eine Wohnung für die Familie gebaut. Zum See hin würde es sogar einen Balkon geben mit einem wunderbaren Ausblick. In den unteren Etagen würden Büroräume entstehen.
Noch wohnte die Familie in diesem Holzhaus, das Théra so liebte. Im nächsten Frühling würden sie umziehen. Théra nahm ihrem Vater das Versprechen ab, das Holzhaus nicht abzureißen. Théra wollte es behalten.
Mit ihren kindlichen Worten hatte Théra Papa erklärt: „Du hast mir viel von der Geschichte unserer Familie erzählt. Auch dieses Holzhaus ist ein Teil unserer Geschichte. Es ist mein Leben. Bitte laß es so, wie es jetzt ist. Wir Kinder können das Haus zum spielen und toben benutzen. Ich möchte dort noch oft mit den Spinnen, den Tausendfüsslern und den Mäusen reden und ich möchte das auch meinem kleinen Bruder zeigen.“
Dennis hatte genickt. Das war ein sehr vernünftiger Vorschlag und er hatte Théra versprochen, das Holzhaus würde bleiben.
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