Das Leben ist ein Abenteuer. Hans-Peter Vogt

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Das Leben ist ein Abenteuer - Hans-Peter Vogt

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im Zentrum herrschte eine eiserne Disziplin. Krawalle wurden nicht geduldet. Das Zentrum war ein Freiraum, der von seinen Akteuren und den Nutzern beschützt wurde. Neben Jochens Kampfsportlern gab es noch Romans harte Jungs und die Boxer rund um den Türken Hakim. Da gab es inzwischen auch eine Thailändische Gang und noch andere. Sie alle verkehrten im Zentrum. Die Musiker, die Tänzer, die Actionkünstler und die Theaterleute, sie alle sahen das Zentrum als einen schützenswerten Raum. Es war das Projekt der Kids. Von den Kids für die Kids. Freizeitzentrum, Schule und Eventmittelpunkt. Viele arbeiteten freiwillig in der Verwaltung oder in einer der vielen Einrichtungen. Wer Krawall machen wollte, der erlebte im Zentrum schnell seine Grenzen kennen. Er ordete sich entweder unter, oder er ging. In der Stadt gab es genug Ausweichmöglichkeiten, wo man Ärger machen konnte. Im Zentrum gab es nicht einmal eine Polizei. Das Zentrum organisierte seinen Schutz selbst, und weil es hier seit Jahren keine Gewalt mehr gab, wurde das Zentrum auch von den Berliner Behörden großzügig unterstützt.

      Nils war ein Teil dieser Familie aus mehreren zehntausend Kids, für die das Zentrum wirklich ihr Lebensmittelpunkt war. Es bot Unterhaltung, Kurzweil und eine Lebensperspektive. Ja wirklich. Schulabgänger fanden hier einen Job, oder sie wurden in Ausbildungsstellen vermittelt. Das Zentrum hatte seine eigene Jobbörse. Von Kids für Kids, und wenn das Zentrum Lehrlinge oder Arbeitskräfte vermittelte, dann konntest du als Arbeitgeber sicher sein, dass du da nicht irgendeinen Schrott bekommst. Die Mutter von Nils war eisern. Firmen, die Zusagen nicht einhalten, die wurden gnadenlos von der Liste gestrichen und geächtet. „Wer nimmt, ohne zu geben“, pflegte Nils Mutter immer wieder zu sagen, „den können wir hier nicht brauchen. Das betrifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zuverlässigkeit ist ist die Basis unseres Handelns. Wir wollen Freiräume. Wir wollen ausprobieren, spielen und spinnen. Wir müssen kreativ sein dürfen, aber eine Kreativität ohne Disziplin, das gibt es nicht.“

      Es gab zwei Büros von Presseagenturen, das Fernsehen hatte mehrere Studios, die Zeitungen schickten ständig ihre Vertreter. Im Zentrum geschah viel, über das man berichten konnte, und die Presse beobachtete das Geschehen schon lange. Der Ruf des Zentrums war beachtlich. Weit über die Grenzen Europas hinaus. Das akzeptierten sogar die harten Gangs. Im Zentrum ordneten sie sich ein.

      Alleine in Romans Sportschule, die insgesamt drei Niederlassungen in Berlin hatte, gab es über vierhundert Mädchen, die regelmäßig zum Training kamen. Es gab Eltern, die schickten schon ihre sechsjährigen Kinder in diese Schule. Roman galt als zuverlässig und er war kein Schläger.

      Für die Kleinsten war das natürlich ein spielerisches Training. Es ging um Spaß und Körperbewegung. Nils sah manchmal zu oder mischte sich ein, ließ die Kids Überschläge machen oder Purzelbäume schlagen. Er liebte diese Kinder und ihre unnahmlichen Art, gute Laune zu verbreiten, spontan zu lachen oder loszuheulen, wenn etwas schief ging. Manchmal nahm er sie in die Arme und tröstete sie, ermunterte, oder lachte mit ihnen.

      Nils hatte seine Schwester ein paar mal mitgeschleppt. Eva hatte einen Film über die Kids gemacht, der sogar im Fernsehen gezeigt worden war. Eva war in Sachen Video ein richtiger Klabautermann, eine Elfe, eine Hexenkünstlerin. Es gab viele verschiedene Bezeichnungen für Eva. Sie war im Bereich Video ein Crack.

      In der Sportschule gab es mehrere Trainingsräume. Die Aufwärmübungen machten die größeren Kids in der Regel gemeinsam. Mädchen und Jungen. Es gab Trainer und Trainerinnen. Manchmal trainierten die Mädchen mit den Jungen zusammen, manchmal getrennt.

      Nach der Aufwärmphase nahmen die Kids Aufstellung. Es gab bestimmte Grundstellungen, Drehbewegungen, Schläge und Sprünge, die immer wieder geübt wurden.

      Manchmal hatte einer der Trainingspartner einen Stock, eine Kette oder eine gepolsterte Lederwurst in den Händen. Manchmal gab es Wurfübungen mit dem gefährlichen Dreizack oder Messerattacken (aus weichem Kunststoff), denen man ausweichen musste.

      Sie trainierten wirklich jeden erdenklichen Ernstfall, sogar die Abwehr von Schusswaffen, Griffe zum Abführen eines Gegners oder zielgerichtete Schläge auf markierte Ziele.

      Heute hatte Nils die sechzehnjährige Ellen als Trainingspartnerin. Ellen war gut durchtrainiert. Sie hatte mit ihren sechzehn Jahren gerade den 1. Dan gemacht und sie war ziemlich besessen von dem Sport.

      „Moment“, bat Nils. „Bevor wir das Training miteinander aufnehmen, will ich dir heute mal was zeigen. Schließ die Augen, lege die Handflächen aneinander und atme tief und langsam durch. Du hast viel Kraft, aber du brauchst innere Ruhe, um sie besser zu entfalten. Lass die andern mal trainieren. Hör nicht hin. Ruhe in dir selbst. Konzentriere dich jetzt, schalte ab. Stelle dir die Drehbewegung vor, die du gleich brauchst, um den Holzstab in meinen Händen zu zerschlagen, mit dem ich gleich einen Angriff simuliere, bist du soweit?“

      Ellen wusste, dass Sie Nils nicht gewachsen wäre, wenn es darauf ankommt. Er war einfach viel zu schnell. Was Nils eben von ihr verlangte, war eine sehr schwere Übung. Sie nickte und konzentrierte sich.

      „OK“, fragte Nils. Sie nickte wieder.

      „Gut, dann los.“ Sie nahmen Aufstellung, Nils hielt den Stab in beiden Händen, wie um ihr damit an die Kehle zu gehen, oder den Stab in eine Hand zu wechseln und mit der Spitze des Stabes zuzustechen. „Ich halte den Stab vor mein Gesicht“. Jetzt schlag zu.“

      Ellen konzentrierte sich, dann kam eine schnelle Drehbewegung, ihr Arm wirbelte durch die Luft... und traf ins Leere. Nils hatte den Stab blitzschnell weggezogen. Während der Schwung ihren Oberkörper nach vorne beugte, war Nils schon hinter ihr und drückte ihr den Stab an die Kehle. „Abgeloost“, meinte er.

      „OK, OK”, ergänzte er, “vielleicht war das unfair. Aber denk daran, dass der Gegner nicht immer das tut, was du erwartest. Außerdem hättest du mit diesem Schlag den Stock niemals gebrochen. Du hättest dir wehgetan. Ich nehm jetzt mal die Sandwurst und weiche nicht aus. Denk’, es ist ein Stock, dann schlag zu.“

      Sie trainierten das. Immer wieder. Nils gab Tips. Er nickte. „Das wird noch viel Training. Soll ich dir zeigen, dass es geht?“ Ellen nickte, dann sah sie zu den anderen. „Hört mal kurz auf, Nils will uns was zeigen.“

      Sie nahmen Aufstellung, dann explodierte Nils. Mit einer Schraube holte er Anlauf, dann ging er direkt in die Gegnerin rein, stieß einen Schrei aus und schug mit der Handkante zu. Der Stab zerspitterte in zwei Hälften und Ellen konnte trotz ihrer Kraft die Enden nicht halten, sie fielen auf den Boden und sprangen davon. Bevor Nils den Boden wieder berührte, gab er unbewußt einen Angriffsstoß mit den Füßen in Helens Bauchgegend. Sie taumelte und fiel auf den Rücken.

      Nils machte einen schnellen Schritt zurück und verbeugte sich leicht. Die Hände vor der Brust berührten sich.

      Die Übung gehörte eigentlich in den Bereich Karate. Sie war deshalb so schwierig, weil die Hände, welche die Hartholz-Stockenden halten, flexibel und nachgiebig sind. Es ist fast unmöglich, solch einen Stock zu zerschlagen. Der Trainer erklärte. „Leute. Ihr habt gerade gesehen, was der Schwung und die Atemübung bewirken. Ich kenne höchstens zwei oder drei, die das können. Ihr habt auch den zweiten Angriffsstoß gesehen. Das war sehr wirkungsvoll. Viel Kraft ist für diese Übung nicht unbedingt notwendig. Ihr müsst eure Kraft nur zielgerichtet und punktgenau einsetzen. Lasst euch davon jetzt aber nicht den Kopf verdrehen. Wir üben das, aber wir üben das zunächst mit anderen Mitteln. Sandwurst, Luftcatchen, Drehbewegung, Atemübungen und Angriff. Ach übrigens. Hätte Nils den Schädel von Ellen getroffen, dann wäre sie jetzt tot. Alles klar? Dann mal weiter.“

      Nach dem Training, bat Ellen. „Nils. Kannst du mir ein wenig helfen? Deine Schnelligkeit, die kriege ich nie

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