Terrafutura. Carlo Petrini
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Einleitung
Carlo Petrini
Am 13. September 2013 hielt ich mich wegen meiner Arbeit in Paris auf, als das Telefon klingelte. Unbekannte Nummer, zeigte das Smartphone an. »Papst Franziskus hier«, hörte ich mein Gegenüber, und in einer Mischung aus Ungläubigkeit und Erregung begannen wir eine Unterhaltung, die mit einer virtuellen Umarmung endete. Eine Woche zuvor hatte ich ihm einen Brief geschrieben, nachdem er zum Zeichen der Solidarität mit den über das Mittelmeer geflüchteten Migranten seine erste offizielle Reise nach Lampedusa angetreten hatte; doch ich hätte mir niemals träumen lassen, seine Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören. Wir unterhielten uns über die Erde, über Ökologie, über Ernährung und Religion. Wir sprachen über unsere Großmütter und über die Weisheit der piemontesischen Bauern. Wir lachten und nahmen uns fest vor, uns bald persönlich zu treffen.
Diesem ersten Telefonat folgten etliche Briefe, und so entstand gemeinsam mit meinem Freund, dem Bischof von Rieti, Domenico Pompili, allmählich die Idee zu den Laudato-si’-Gemeinschaften. Es sollte sich dabei um spontane, heterogene Gruppen von Menschen unterschiedlichster Herkunft handeln, die der Wunsch vereint, das zentrale Thema der Enzyklika Laudato si’ von Papst Franziskus, nämlich das Konzept der »ganzheitlichen Ökologie«, voranzubringen. Die Gelegenheit war günstig und die Zeit reif; gemeinsam suchten wir den Heiligen Vater auf, um ihm das Projekt vorzustellen. Sofort bestand Einigkeit. Franziskus und ich sind zwei Menschen mit extrem unterschiedlichen Biografien und Erfahrungen, aber wir haben sehr schnell zueinandergefunden. Ein Agnostiker und ein Papst, ein Exkommunist und ein Katholik, ein Italiener und ein Argentinier, ein Gastronom und ein Theologe. Aus dieser ersten Begegnung erwuchs die Idee zu einem Dialog, der in Buchform gebracht werden könnte. Die folgenden Seiten sind das Ergebnis dieses Austauschs, der sich während dreier Treffen innerhalb von drei Jahren entwickelt hat. Wir haben uns entschlossen, das Gesagte nicht zu aktualisieren und es zu belassen, wie es ist, um es in seinem historischen Moment und als Frucht des Augenblicks, in dem es entstanden ist, zu bewahren. Drei Gespräche, die versuchen, einige der großen Fragen unserer Zeit ungezwungen, aber nicht verkürzend, ernsthaft, aber heiter zu ergründen. Im Anschluss daran finden Sie vertiefende Beiträge zu den einzelnen Themen, die das Ergebnis individueller, aber miteinander einhergehender und in dieselbe Richtung weisender Reflexionen sind. Viel Spaß beim Lesen!
Dialog vom 30. Mai 2018
Carlo PetriniIch habe Ihnen etwas mitgebracht, ein Buch, das ich gemeinsam mit José »Pepe« Mujica und Luis Sepúlveda verfasst habe. Es heißt Vivere per qualcosa (»Für etwas leben«).
Papst FranziskusIch werde es gerne lesen.
CWir sind drei etwas eigensinnige Persönlichkeiten, jeder mit seinen Besonderheiten, aber wir waren uns sofort einig. Wir schätzen uns gegenseitig sehr. Außerdem hege ich große Bewunderung für Pepe und Luis, weil sie außergewöhnliche Menschen sind, die ihr Leben dem aktiven Kampf für eine bessere Welt gewidmet haben. Sie haben gekämpft, ohne sich jemals von den Ereignissen unterkriegen zu lassen, und haben stets Rückgrat bewiesen.
FPepe ist tüchtig, wirklich tüchtig, er hat öffentliche Ämter bekleidet, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Er ist immer Bauer geblieben!
CEr ist ein Phänomen. Und auch Luis Sepúlveda ist eine großartige Persönlichkeit. Man hat uns gefragt, wofür es sich lohnt zu leben, und wir haben versucht, die Frage zu beantworten. Und wir waren uns einig, dass es sich tatsächlich für den Einsatz für eine gerechte Sache zu leben lohnt. So mühsam es auch sein mag, ist das doch die wahre Quelle des Glücks.
FGut, ich danke Ihnen. Lassen Sie uns nun schauen, welche Geschenke ich für Sie mitgebracht habe: Dieses Buch ist ein Interview, das Dominique Wolton mit mir auf Französisch geführt hat; das hier ist die italienische Übersetzung.1
CWunderbar, danke, die italienische Ausgabe! Ich habe den französischen Text gelesen und war vom Inhalt sehr beeindruckt, wirklich sehr schön.
FDie italienische Version habe ich selbst nicht gelesen. Aber dafür die französische, bevor sie in den Druck ging.
CIch habe das Buch ganz auf Französisch gelesen und wunderbare Dinge darin gefunden. Besonders beeindruckt hat mich das, was Sie über Humor sagen.
FHumor ist sehr wichtig!
CSie sprechen oft davon, wie wichtig es sei, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und über sich selbst lachen zu können, über die eigenen Schwächen. In dem Band mit Wolton gibt es eine Passage, da sagen Sie, dass der Sinn für Humor auf menschlicher Ebene am weitesten heranreiche an …
F… die Gnade. Für mich grenzt er an göttliche Gnade. Er ist in meinen Augen der erhabenste Zustand eines Menschen, an der Schwelle zu Gott. Nur ein Mensch, der eine bestimmte Ebene erreicht hat, kann Sinn für Humor haben. Dieses Buch ist ein kleines Andenken an das fünfte Jahr meines Pontifikats, in der Hoffnung, dass es nicht das letzte sein möge.
CAußerdem findet sich dort noch das Zitat aus dem Gedicht von Thomas Morus, in dem er zu Gott betet und ihn bittet ihm zu helfen, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und stets über sich lachen zu können; ich fand das derart modern und tiefsinnig, dass ich, als Agnostiker, es mir zu eigen gemacht habe.
Gut, Franziskus, lassen Sie uns beginnen. Die Idee zu diesem Interview ist aus unserer Begegnung vor einigen Monaten erwachsen, und ich danke Ihnen für diese wertvolle Bereitschaft. Wenn sich dieses Gespräch in Buchform bringen ließe, etwa in Verbindung mit einigen Ihrer bedeutendsten Reden der letzten Jahre, wäre das vielleicht eine gute Gelegenheit, um an das Erscheinen Ihrer Enzyklika Laudato si’ vor drei Jahren zu erinnern und die Gemeinschaften zu stärken, die im Namen der von Ihnen dargelegten Prinzipien überall in Italien und in der Welt entstehen und wachsen. Die Laudato-si’-Gemeinschaften sind lose Gruppierungen, die sich zu einer ganzheitlichen Ökologie und der konkreten Verantwortung für die Sorge um unser gemeinsames Haus bekennen. Es ist eine Aufforderung an alle, sich für den Schutz unseres gemeinsamen Erbes und den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeiten mitverantwortlich zu fühlen. Ich würde mich freuen, wenn dieses Interview auch Ihnen ein zusätzliches Instrument an die Hand gäbe, denn die Schaffung von Räumen für aktive Teilhabe und Austausch ist in meinen Augen heute wichtiger denn je. Wir müssen wieder zueinanderfinden, zusammenarbeiten und versuchen, Veränderungen im Kleinen zu bewirken, damit daraus die notwendigen globalen Veränderungen entstehen.
FJa, ja, unbedingt.
CIch würde tatsächlich gern mit der Enzyklika Laudato si’ beginnen. Ein Dokument, das den Rahmen des ökologischen und sozialen Diskurses verändert und das Denken der katholischen Kirche auf Bereiche gelenkt hat, die, zumindest auf höchster Ebene, bisher nicht vollständig im Blickfeld lagen. Nun, drei Jahre nach seinem Erscheinen, was hat Ihrer Meinung nach dieser Text bewirkt, auf allen Ebenen, auch unter den Nichtgläubigen? Vielleicht haben noch nicht alle seine inhaltliche Tragweite erfasst, aber aus intellektueller und moralischer Sicht geht er zweifellos an einen Punkt, von dem es kein Zurück gibt. Es handelt sich um ein außergewöhnlich kraftvolles Dokument, das tatsächlich den Ausgangspunkt für die Neubelebung des Denkens und Handelns bilden dürfte.
FWenn