Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung. Stefan Goertz
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz, der deutsche Inlandsnachrichtendienst des Bundes, definiert den islamistischen Terrorismus wie folgt:
Islamistischer Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für islamistische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in § 129 a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. [2]
In der internationalen, sicherheitspolitischen Forschung hat sich in den letzten Jahren weitgehend die Auffassung durchgesetzt, dass es „den“ Terrorismus nicht gibt, dass Terrorismus kein kohärentes, eindeutiges Phänomen ist, sondern als Strategie verstanden werden muss, die von sehr unterschiedlichen Akteuren in sehr unterschiedlichen politischen Situationen angewendet wird.[3]
Damit hängt eine weitere, für die Terrorismusforschung sehr zentrale Position zusammen, indem Terrorismus als strategische Wahl eines rational handelnden Akteurs verstanden wird: „Terrorism can be considered a reasonable way of pursuing extreme interests in the political arena. It is among the many alternatives open to radical organizations.“[4]
Neben im engeren Sinne sozialwissenschaftlicher Forschung sind es sozialpsychologische und rational choice-Ansätze, die besonders die strategische Wahl des Terrorismus als Ergebnis einer rationalen Abwägung betonen.
So zeigt die aktuelle Analyse der Strategie der internationalen jihadistischen Großorganisationen „Islamischer Staat“ und Al Qaida, dass diese Organisationen Terrorismus als ein taktisches Mittel von vielen nutzen.[5] Der IS als nichtstaatlicher Akteur (Terrororganisation) ist gegenüber den von ihm angegriffenen Staaten der westlichen Welt von einem eindeutigen Macht- und Ressourcen-Ungleichgewicht geprägt. Terroristische Gewalt ist für ihn ein Mittel in Form eines kommunikativen Aktes zur Erreichung religiös-politischer Ziele.[6]
Die Akteure des internationalen (auch transnationalen) Terrorismus operieren in zahlreichen Staaten auf unterschiedlichen Kontinenten, haben keine unveränderlichen lokalen Bezugspunke und die räumliche Wahl ihrer Ausbildungseinrichtungen und Basen beruhen auf strategischen und ökonomischen Erwägungen. Das Beispiel Al Qaida zeigt, dass sich sowohl Strategien als auch Taktiken wiederholt ändern können.
Als Charakteristika des internationalen Terrorismus sind zu nennen
• | dezentrale Netzwerk-Struktur auf substaatlicher Ebene, |
• | multiple private Finanzquellen und Logistik, |
• | internationale Zielsetzung, |
• | Multinationalität der Mitglieder, |
• | hohe taktische Flexibilität. |
Internationale islamistisch-terroristische Organisationen verfügen sowohl in westlichen, demokratischen Staaten (wie z.B. in den USA, Kanada, Australien und in zahlreichen europäischen Staaten) über Zellen in ethnischen und religiösen Milieus (Diaspora Communities) und sind über solche Milieus auch in Konfliktregionen wie Afrika, den Nahen und Mittleren Osten und den Kaukasus vernetzt.
Die empirische Analyse des Islamischen Staates zeigt, dass der IS Terrorismus als eine taktische Methode, ein taktisches Mittel von vielen nutzt. Terroristische Gewalt ist für den IS ein Mittel in Form eines kommunikativen Aktes zur Erreichung religiös-politischer Ziele. Die Al Qaida im islamischen Maghreb beweist seit ca. vierzehn Jahren in Nord- und West-Afrika ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde, regionale Rahmenbedingungen. Verbunden ist dies auch mit ihrer Fähigkeit, sich mit Hilfe ihrer transnationalen jihadistischen Ideologie an praktisch jeden Konflikt der Welt, an dem Muslime beteiligt sind, anzugliedern und dort neue Anhänger zu mobilisieren.
Anmerkungen
BND 2017.
BfV 2017b.
Tilly 2004, S. 5-13.
Crenshaw 2010.
„Alte“ sozialwissenschaftliche Kriterien wie staatlich vs. nichtstaatlich, operativ-taktischer Terrorismus vs. Guerillakriegführung bzw. Insurgency erfassen nicht, dass der „Islamische Staat“ zur gleichen Zeit ein quasi-staatlicher (auf dem von ihm kontrollierten und regierten Territorium) und ein nichtstaatlicher Akteur ist, zur gleichen Zeit operativ-taktisch sowohl das Mittel des Terrorismus (z.B. durch Selbstmordattentate in Staaten der „islamischen Welt“, in denen der IS noch nicht quasi-staatliche Funktionen hat und in Staaten der westlichen Welt) als auch Mittel regulärer Gefechtsarten wie Angriff und Verteidigung durch militärische Verbände anwenden kann. Goertz 2017b, S. 3-4.
Goertz 2017e, S. 29-33.
1.3.1 Definition und Kurzzusammenfassung
Islamistischer Terrorismus
wendet Aufsehen erregende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und staatliche Stellen an, um Angst und Schrecken zu verbreiten und dadurch politische Entscheidungen von Staaten zu beeinflussen. Die politischen und gesellschaftlichen Ziele des islamistischen Terrorismus basieren auf einer extremistischen Interpretation der Religion Islam und ihrer Rechtsquellen.[1]
Islamistischer Terrorismus
• | ist der strategisch und taktisch geführte Kampf für islamistische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum erreicht werden sollen; |
• | Terrorismus ist kein kohärentes, stringentes Phänomen, sondern eine Strategie mit zahlreichen unterschiedlichen Taktiken, die von unterschiedlichen Akteuren in unterschiedlichen politischen Situationen angewendet werden; |
• | Terrorismus ist die strategische und taktische Wahl eines rational handelnden Akteurs; |
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„Homegrown“-Terroristen sind radikalisierte Islamisten ab der zweiten Einwanderergeneration, in europäischen/westlichen Ländern geboren und/oder aufgewachsen und sie lehnen aufgrund
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