Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung. Stefan Goertz
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Kurz gesagt beschreiben die deutschen Verfassungsschutzbehörden Islamismus als eine religiös-politische Ideologie, deren Anhänger sich auf religiöse Normen des Islams berufen und diese politisch interpretieren.[4] Diese Definition von Islamismus durch die deutschen Verfassungsschutzbehörden ist quasi identisch mit den gängigen Definitionen von Islamwissenschaftlern:
Beim Islamismus handelt es sich um Bestrebungen zur Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen, die als islamisch gesehen angesehen werden. […] Eine Verabsolutierung des Islams für die Gestaltung des individuellen, gesellschaftlichen und staatlichen Lebens, kombiniert mit dem Ziel der weitgehenden Durchdringung der Gesellschaft. […] Die Forderung, statt der westlichen Volkssouveränität die ‚Souveränität Gottes‘ ins Werk zu setzen. Das führt zu starker Ablehnung von ‚menschengemachten Gesetzen‘, als die alle von Parlamenten beschlossenen Gesetze angesehen werden. [5]
Die politisch-religiösen Ziele der Islamisten bestehen nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden darin, „mittelfristig die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland – in Teilen auch mit Gewalt – im Sinne ihrer Ideologie zu ändern“.[6] Besonders wichtig ist es hierbei, diese religiös-politische Ideologie des Islamismus von der durch das Grundgesetz geschützten Religion des Islam zu unterscheiden, weil Islamisten die Religion Islam nicht ausschließlich als Religion, sondern als rechtliches Rahmenprogramm für die Gestaltung aller Lebensbereiche interpretieren: Von der Staatsorganisation über die Beziehungen zwischen den Menschen bis ins Privatleben des Einzelnen.[7]
Aus dem islamisch-theologischen Verständnis von „Glaube an die Einheit und Einzigartigkeit Gottes“ (tauhid) ergibt sich für Islamisten, dass nur Allah der legitime Herrscher, Souverän und Gesetzgeber sein darf, was sich wiederum in der islamistisch angestrebten Einheit von Religion und Staat (din wa daula) ausdrückt.[8]
Zusammenfassend muss die islamistische religiös-politische Ideologie und ihre als für alle verbindlich angestrebte Religionspraxis als im eindeutigen Widerspruch zu demokratischen Verfassungsordnungen stehend beurteilt werden.[9] Entsprechend widerspricht das von Islamisten angestrebte Konzept eines Gottesstaates, in dem jegliche staatliche Legitimation unmittelbar von Gott hergeleitet werden soll, demokratischen Prinzipien von Volkssouveränität und Gewaltenteilung. Des Weiteren lehnt das Weltbild des Islamismus Pluralität, Säkularismus, Individualität und Gleichberechtigung von Mann und Frau als unzulässige Neuerungen und daher als unislamisch ab und schließt die universelle Geltung der Menschenrechte, wie zum Beispiel der Menschenwürde, aus. Die islamistische Forderung nach einer Durchsetzung der sog. „Hadd“-Strafen (Körperstrafen) wie das Abtrennen von Gliedmaßen für Diebstahl, die Todesstrafe für Ehebruch oder den Abfall vom Glauben sprechen in diesem Zusammenhang für sich.[10]
Anmerkungen
BfV 2016a, S. 150.
BfV 2012, S. 5.
Ebd.; LfV Hessen 2014.
BfV 2016a, S. 150; BfV 2012, S. 5; LfV Hessen 2014.
Seidensticker 2015, S. 9; Halm 2014, S. 85-89; Goertz 2017d, S. 11-15.
LfV Bayern 2016a, S. 5.
Goertz 2017d, S. 13.
Brachman 2009, S. 44; Goertz 2017d, S. 14.
„Demokratie ist in den Augen der Islamisten eine falsche ‚Religion‘“; MIK NRW 2014, S. 137.
Goertz 2017d, S. 13.
III Islamismus, Salafismus und islamistischer Terrorismus › 1. Der Phänomenbereich Islamismus › 1.1 Definition und Kurzzusammenfassung
1.1 Definition und Kurzzusammenfassung
Islamismus
ist eine religiös-politische Ideologie mit dem konkreten Anspruch darauf, das politische System und das gesellschaftliche und kulturelle Leben auf der Grundlage einer extremistischen Interpretation des Islam zu ändern und nur diese eigene Koraninterpretation anzuerkennen.[1]
Islamismus
• | ist eine Form des politischen Extremismus; |
• | ist religiös-politische Ideologie, deren Anhänger sich auf religiöse Normen des Islam berufen und diese politisch interpretieren; |
• | zielt auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) der Bundesrepublik Deutschland ab; |
• | geht von der Existenz einer gottgewollten und daher „wahren und absoluten“ Ordnung aus, die über von Menschen gemachten Ordnungen (Verfassung, Gesetze) steht; |
• | für den Islamismus ist Religion, hier: der Islam, nicht nur eine persönliche, private „Angelegenheit“, sondern soll das gesamte gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung regeln; |
• | hat als politisches Ziel die Einheit von Religion und Staat (din wa daula), was gegen das demokratische Prinzip des Säkularismus verstößt; |
• | will die westliche, demokratische Volkssouveränität durch die „Souveränität Gottes“ ersetzen; |
• | strebt mittelfristig eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland – teilweise auch mit Gewalt – an; |
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