Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung. Stefan Goertz
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Als Politisch motivierte Kriminalität (PMK) werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sog. klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.[1]
Als solche klassischen Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: §§ 80 bis 83, 84 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB).
Auch Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter PMK, wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind.[2]
Anhaltspunkte für eine politische Motivation einer Tat sind gegeben:
• | wenn sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen soll, |
• | wenn sie der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dient, |
• | wenn sie sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richtet, |
• | wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richtet, |
• | wenn sie eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel hat, |
• | wenn sie durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, |
• | wenn sie sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richtet (sog. hate crime, Hasskriminalität), |
• | dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden.[3] |
Anmerkungen
BfV 2017a, S. 21.
Ebd.
BfV 2017a, S. 22.
II Begriffsbestimmungen › 2. Freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO)
2. Freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO)
Im Grundgesetz wird der Begriff freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) zwei Mal verwendet, in Art. 18 GG und in Art. 21 II GG. Mit dem Begriff freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) ist die demokratische Ordnung in Deutschland gemeint, in der demokratische Prinzipien – ausgeführt in Art. 20 GG – und demokratische Grundwerte gelten, die unantastbar sind.[1] Von höchster Bedeutung ist dabei die Würde jedes einzelnen Menschen, Art. 1 GG. In der deutschen Demokratie herrschen Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz, ist Diktatur ausgeschlossen, in regelmäßigen allgemeinen Wahlen bestimmt das Volk selbst, wer regieren soll.[2] Dabei hat die wahlberechtigte Bevölkerung die Auswahl zwischen konkurrierenden Parteien und Parteiprogrammen. Wer die Mehrheit der Wählerstimmen erhält, regiert, aber immer nur für einen bestimmten Zeitraum, weil Demokratie immer nur Herrschaft auf Zeit ist.
Als grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) hat das Bundesverfassungsgericht genannt:
• | die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, |
• | die Volkssouveränität, |
• | die Gewaltenteilung, |
• | die Verantwortlichkeit der Regierung, |
• | die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, |
• | die Unabhängigkeit der Gerichte, |
• | das Mehrparteienprinzip und |
• | die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Ausübung einer Opposition.[3] |
Nach Art. 79 III GG sind wesentliche Grundsätze unabänderlich, insbesondere der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 I GG, und die in Art. 20 GG enthaltenen Prinzipien der staatlichen Ordnung (Demokratie, Föderalismus, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit).
Anmerkungen
https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16414/freiheitliche-demokratische-grundordnung; 2.1.2021.
Ebd.
Ebd.
II Begriffsbestimmungen › 3. Extremismus
3. Extremismus
Alle Varianten des Extremismus sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den demokratischen Verfassungsstaat, die fdGO, ablehnen, ihn bzw. sie beseitigen oder einschränken wollen, einerseits seine konstitutionelle Komponente (Gewaltenteilung, Grundrechtsschutz), andererseits seine demokratische (Volkssouveränität, menschliche Fundamentalgleichheit).[1] Daher negieren alle Varianten des Extremismus im Kern die Pluralität der Interessen, das damit verbundene Mehrparteiensystem und das Recht auf Opposition.[2] Durch die Identitätstheorie, durch Freund-Feind-Stereotype, durch ein hohes Maß an ideologischem Dogmatismus und oftmals durch ein Missionsbewusstsein geprägt, ist Extremismus vom Glauben an ein objektiv erkennbares