Rechtsmedizin. Ingo Wirth

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Rechtsmedizin - Ingo Wirth Grundlagen der Kriminalistik

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zunehmender Mumifizierung nimmt die Haut eine braune Farbe und eine lederartig derbe Beschaffenheit an. Auch die Weichteile schrumpfen, sodass sich Muskel- und Sehnenstränge deutlich sichtbar unter der Haut abzeichnen. Insgesamt verringert sich durch den Wasserverlust das Körpergewicht erheblich. Eine Veränderung der Haarfarbe ist möglich. Am häufigsten entsteht ein rötlicher Farbton.

      Mumifizierte Leichen sind in unseren Breiten am ehesten auf zugigen Dachböden, in Schuppen und Scheunen, in trockenen Gewölben und Grüften oder im Freien (im Wald Erhängte) zu erwarten. Eine vollständige Mumifikation erfordert einen längeren Zeitraum, mindestens mehrere Wochen. Häufiger sind Teilmumifizierungen, bei denen ein Mischbild verschiedener Leichenveränderungen vorliegt.

      Gelangt eine auf natürliche Weise mumifizierte Leiche in ein feuchtes Milieu, quellen die Weichteile auf. Dadurch kann eine kürzere Leichenliegezeit vorgetäuscht werden.

      Die kriminalistische Bedeutung der Mumifikation liegt darin begründet, dass

äußere Konturen erhalten bleiben und dadurch eine Identifizierung erleichtert werden kann,
bestimmte Verletzungen wie Strangfurchen, Stich-, Schnitt-, Hieb- und Schusswunden konserviert werden und
eine längere Liegezeit der Leiche angenommen werden muss.

      Unter Fettwachsbildung versteht man eine Umwandlung der Weichteile, beginnend mit dem Körperfett, in eine grau-weiße, körnige, zuerst feucht-pastenartige, später trocken-gipsähnliche Masse mit ranzig-erdigem Geruch. Das Fettwachs (Adipocire) entsteht durch hydrolytische Spaltung des Körperfetts in Glycerol und Fettsäuren. Notwendige Bedingungen sind feuchtes Milieu, Luftabschluss und die Mitwirkung bestimmter Bakterien.

      Die gebräuchliche Bezeichnung Fettwachs hat sich als chemisch falsch erwiesen. Das Umwandlungsprodukt enthält kaum Fett und kein Wachs, sondern besteht hauptsächlich aus gesättigten höheren Fettsäuren (vor allem Palmitin- und Stearinsäure). Es wird besser als Leichenlipid bezeichnet.

      Bei Wasserleichen kann Fettwachs bereits nach wenigen Wochen auftreten, während es sich im feuchten Erdgrab erst im Laufe vieler Monate entwickelt. Die Fettwachsbildung zählt wie die Mumifizierung zu den konservierenden Leichenveränderungen. Daraus leitet sich dieselbe kriminalistische Bedeutung ab.

      Wird ein Verstorbener alsbald nach dem Tod eingefroren, führt das ebenfalls zu einer Konservierung. Solche Eisleichen können unter natürlichen Bedingungen während Frostperioden, in Gletscherregionen und in Polargebieten entstehen.

      Von Tätern wird der Konservierungseffekt des Einfrierens genutzt, um eine Leiche oder Leichenteile wenigstens zeitweilig beiseitezuschaffen.

      Eine sog. Faulleichenkonservierung tritt ein, wenn sich der Leichnam oder Leichenteile längere Zeit in einer luft- und wasserdichten Umhüllung (z. B. Plastiksack, Folie, Beton) befinden. Unter diesen Bedingungen setzen die mikrobiellen Abbauprozesse zwar ein, kommen jedoch bald durch die Anhäufung von Stoffwechselendprodukten zum Stillstand.

      Die Konservierung von Leichen im Moor wird durch Humin- und Gerbsäuren bestimmt. Begünstigende Bedingungen sind Kälte und Luftabschluss. Die einzelnen Körpergewebe unterliegen unterschiedlichen Veränderungen: Die Haut wird gegerbt, die Weichteile und die inneren Organe verwesen, die Knochen werden entkalkt und dadurch biegsam, färben sich schwarz und erinnern an Hartgummi.

      Erfahrungsgemäß haben Moorleichen in der weitaus größten Anzahl der Fälle eine archäologische Bedeutung, doch ist eine kriminalistische Relevanz nicht von vornherein auszuschließen.

      Durch Einwirkung von Salz in fester oder gelöster Form können Salzleichen entstehen (z. B. Tod im Salzbergwerk oder im Solebecken). Entscheidend ist der Wasserentzug des Körpers durch den hygroskopischen Effekt vieler Salze, am ehesten vergleichbar mit dem Pökeln.

      Ergänzend soll die künstliche Leichenkonservierung erwähnt werden. Am bekanntesten sind die Balsamierungsrituale im alten Ägypten, aber auch heute noch werden durch verschiedene physikalische und chemische Verfahren (z. B. Tieffrieren, Paraffin- und Formalindurchtränkung, Plastination) Leichen und Leichenteile haltbar gemacht. Das kann erforderlich sein zur Aufbewahrung bei unklarer Identität, zur Überführung in andere Staaten oder für medizinische Präparatesammlungen.

      II. Tod und Leichenuntersuchung › 4. Ärztliche Leichenschau

      Die ärztliche Leichenschau ist durch landesrechtliche Bestimmungen geregelt. Folglich gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsvorschriften zum Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen. Nachfolgend kann nur eine länderübergreifende Darstellung grundlegender Aspekte der ärztlichen Leichenschau gegeben werden, wobei auf die wichtigsten Ausnahmen hingewiesen wird. Für Detailfragen sind unbedingt die gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes zu beachten.

      Mit den Bestimmungen zur Leichenschau verfolgt der Gesetzgeber mehrere Ziele:

Verhütung irrtümlicher Todesfeststellung (Feststellung des Todes durch einen Arzt),
Medizinalstatistik (Häufigkeit der einzelnen Todesursachen als Grundlage für gesundheitspolitische Entscheidungen),
Seuchenbekämpfung (Anzeigepflicht bei bestimmten Erkrankungen im Todesfall),
Rechtsinteressen (Erkennung polizeilich bzw. rechtlich relevanter Todesfälle).

      Nach den Landesgesetzen muss in jedem Sterbefall ein Arzt eine Leichenschau durchführen und darüber eine ärztliche Bescheinigung ausstellen. Eine Ausnahme bildet Schleswig-Holstein. Dort darf auf einigen Inseln und Halligen auch eine andere geeignete Person zur Vornahme der Leichenschau ermächtigt werden.

      Die obligatorische ärztliche Leichenschau wird gelegentlich auch als allgemeine Leichenschau bezeichnet. Um deren Ergebnis zu dokumentieren, werden Formulare verwendet, die unterschiedlich gestaltet sind. Diese Vordrucke können – je nach Bundesland – Todesbescheinigung, Leichenschauschein oder Totenschein heißen.

      Die ausgefüllten Formulare müssen auf dem Standesamt zur Beurkundung des Sterbefalles vorgelegt werden. Erst danach darf die Bestattung erfolgen. Jede Leiche muss an einem dafür vorgesehenen Ort bestattet werden.

      In allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern ist vor einer Feuerbestattung, bei der die Leiche verbrannt und die Asche meist in einer Urne beigesetzt wird, eine zweite (amtsärztliche) Leichenschau erforderlich. Eine solche Leichennachschau dient der Feststellung von Kennzeichen eines nichtnatürlichen Todes und zur Freigabe für die Einäscherung.

      Die landesrechtlichen Regelungen verpflichten den Leichenschauarzt zu folgenden Feststellungen:

Tod,
Todeszeitpunkt,
Todesursache,
Todesart (natürlicher oder nichtnatürlicher

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