Rechtsmedizin. Ingo Wirth

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Rechtsmedizin - Ingo Wirth Grundlagen der Kriminalistik

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als sicheres Todeszeichen und • für die Todeszeitschätzung.

      II. Tod und Leichenuntersuchung2. Frühe Leichenveränderungen › 2.3 Erkalten

      Beim Menschen werden Wärmebildung und Wärmeabgabe so reguliert, dass die Körpertemperatur um 37 °C konstant gehalten werden kann. Mit dem Eintritt des Todes entfällt die zentrale Steuerung, und die Wärmeproduktion hört allmählich auf. Die Abkühlung der Leiche setzt ein und dauert so lange an, bis die Umgebungstemperatur erreicht ist. Über die Haut erfolgt die Wärmeabgabe durch Abstrahlung, durch Ableitung an die umgebende Luft und an die Aufliegefläche sowie durch Verdunstung. Diese physikalischen Prozesse werden von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Die entscheidende Größe ist das Gefälle zwischen Körper- und Umgebungstemperatur. Die Körpertemperatur weicht in einigen Fällen vom Normwert ab. Bei fieberhaften Erkrankungen kann die Ausgangstemperatur höher und bei Unterkühlung niedriger als 37 °C liegen. Dicke Bekleidung und Bedeckung, gut isolierende Unterlagen und eine zusammengekauerte Körperhaltung verzögern die Abkühlung. Die langsamere Wärmeabgabe fettleibiger Leichen ist vorrangig auf den größeren Körperradius zurückzuführen und nicht nur durch die isolierende Wirkung des Fettgewebes zu erklären. Luftbewegung, hohe Luftfeuchte und ein begünstigendes Milieu (kaltes Wasser, gut wärmeableitende Unterlage) bewirken eine beschleunigte Abkühlung. Säuglinge und Kleinkinder kühlen besonders rasch ab, weil bei ihnen die im Verhältnis zur Körpermasse relativ große Körperoberfläche die Wärmeabgabe begünstigt.

      Die Leichenabkühlung verläuft in drei Phasen, die sich grafisch als Sigmoidkurve der Mastdarmtemperatur darstellen lassen. In den ersten 2 bis 3 Stunden bleibt die Sterbetemperatur bestehen oder fällt nur geringfügig ab. Deshalb wird der Anfangsteil der Kurve als Temperaturplateau bezeichnet. Die initiale Hemmung der Abkühlung ist zurückzuführen auf einen Wärmeaustausch innerhalb des Körpers. Danach folgt ein nahezu geradliniges Absinken der Mastdarmtemperatur um rund 1 °C pro Stunde. Mit Verringerung des Temperaturgefälles zwischen Leiche und Umgebung verlangsamt sich die Abnahme der Körpertemperatur. Man spricht von terminaler Verzögerung als letzter Phase der Abkühlungskurve.

      Kriminalistisch bedeutsam ist

die Leichenabkühlung für die Todeszeitschätzung und
die Leichenkälte als frühes Zeichen des Todes.

      II. Tod und Leichenuntersuchung › 3. Späte Leichenveränderungen

      Die späten Leichenveränderungen führen weitaus häufiger zu einer Zersetzung als zu einer Konservierung des Leichnams. Bei der Leichenzersetzung überwiegen die bakteriell bedingten Fäulnisprozesse. Nicht selten sind Insekten beteiligt. Vor allem durch Madenfraß kann in relativ kurzer Zeit eine Skelettierung entstehen. Abhängig von verschiedenen Voraussetzungen tritt eine natürliche Leichenkonservierung ein. Am häufigsten sind Mumifizierung und Fettwachsbildung. In der Praxis überwiegen die Fälle, bei denen verschiedene Leichenveränderungen in unterschiedlichen Stadien nebeneinander zu beobachten sind.

      Der Ablauf der späten Leichenveränderungen kann von Leiche zu Leiche wie auch an ein und demselben Leichnam außerordentlich verschieden sein. So ist es möglich, dass einzelne Teile des Körpers durch Mumifizierung oder Fettwachsbildung konserviert werden, während der Rest eine fäulnisbedingte Zersetzung aufweist. Ebenso können die Abbauprozesse an einer Leiche unterschiedlich schnell voranschreiten. Kopf und Arme sind bereits skelettiert, Rumpf und Beine hingegen noch relativ gut erhalten, weil Kleidung oder andere Bedeckung diese Körperpartien vor stärkerer Zersetzung geschützt hat.

      Den späten Leichenveränderungen geht die Autolyse voran. Es handelt sich um eine Selbstverdauung der Körpergewebe, die durch Zellenzyme bewirkt wird. Die Autolyse vollzieht sich an den inneren Organen unter anderem als Erweichung des Nebennierenmarks, der Magenwand und der Bauchspeicheldrüse.

      Für die kriminalistische Praxis hat die Hauterweichung (Mazeration) von Neugeborenen eine gewisse Bedeutung. Gelegentlich endet eine Schwangerschaft mit dem Tod der Frucht in der Gebärmutter. Nach dem Absterben setzen die Autolyse sowie eine Hauterweichung durch das Fruchtwasser ein. Das äußere Erscheinungsbild der Mazeration einer Leibesfrucht darf nicht als Leichenfäulnis verkannt werden. Das würde zu einer erheblichen Überschätzung der Leichenliegezeit führen.

      II. Tod und Leichenuntersuchung3. Späte Leichenveränderungen › 3.1 Fäulnis und Verwesung

      Die Fäulnis der Leiche führt zu

Farbveränderungen der Gewebe und Organe,
Entwicklung von Gasen sowie
Erweichung und Verflüssigung von Geweben und Organen bis zur Skelettierung.

      Die Ursache der Fäulnis sind Bakterien unterschiedlicher Herkunft. Zum einen handelt es sich um körpereigene Keime, die normalerweise die Haut, die Mundhöhle, den Nasen-Rachen-Raum, den Darm und die Scheide besiedeln, zum anderen um Fremdkeime aus dem umgebenden Milieu (z. B. Wasser). Sind schon zu Lebzeiten Erreger von Infektionskrankheiten in das Blut gelangt und auf dem Blutweg im Körper verbreitet worden, schreitet die Fäulnis schneller voran. Wenn jemand aber wegen einer Infektion hoch dosiert mit Antibiotika behandelt wurde, kann das die Fäulnisprozesse um Tage oder sogar um Wochen verzögern.

      Chemisch stellt die Fäulnis einen reduktiven Abbau der Körperbestandteile dar. Der Eiweißabbau vollzieht sich über einige Zwischenstufen zunächst bis zu den Aminosäuren, also den einfachsten Bausteinen der Eiweißkörper. Daraus entstehen durch Abspaltung von Kohlendioxid die Ptomaine (z. B. Kadaverin, Putreszin, Tyramin). Bei deren weiterem Abbau bilden sich schließlich Gase wie Ammoniak, Kohlendioxid, Methan und Schwefelwasserstoff. Zusammen mit Ammoniak ergibt das Tyramin (tyros, griech. = Käse) den charakteristischen Fäulnisgeruch. Wie die Eiweiße werden auch die Kohlenhydrate und die Fette über verschiedene Zwischenstufen abgebaut.

      Der von Laien mitunter benutzte Begriff Leichengift ist unzutreffend, denn ein spezifisches Leichengift im Wortsinn gibt es nicht. Die Eiweißzerfallsprodukte sind bei Hautkontakt ungefährlich. Obwohl die intakte Haut eine wesentliche Barriere für Krankheitserreger darstellt, empfiehlt es sich, beim Umgang mit Leichen aus hygienischen Gründen Handschuhe zu tragen. Bestimmte Erreger (z. B. Tuberkelbakterien, Hepatitisviren, HIV), die im Leichnam noch einige Zeit weiterleben, können zur Infektionsquelle werden. Je stärker die Fäulnis fortschreitet, desto geringer wird die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern.

      Der Fäulnisprozess wird durch Wärme und Feuchtigkeit begünstigt. Kühlt eine Leiche nur langsam ab (z. B. hohe Umgebungstemperatur, fettleibige Person), setzt die Fäulnis rasch ein und verläuft schnell. Demgegenüber sind alle anderen Einflussfaktoren (z. B. Krankheitserreger im

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