Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer

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Staatsrecht III - Hans-Georg Dederer Schwerpunkte Pflichtfach

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In der Bundesrepublik neigt die hL eher dem gemäßigten Dualismus zu (s. Rn 65 f).

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      In der Staatenpraxis werden Probleme bei der innerstaatlichen Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen durch vermehrte Kodifikationen des Völkerrechts etwas entschärft, indem dabei auch Fragen des Verhältnisses von Völkerrecht und nationalem Recht geregelt werden. Dennoch können diese Kodifikationen natürlich nicht die theoretische Grundfrage lösen und ebenso wenig nationale Gerichtsentscheidungen verhindern, welche ein Nebeneinander von Völkerrecht und damit kollidierendem nationalem Recht verfassungsrechtlich für möglich halten.

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      Auch der Fall 2 (Rn 39 und Rn 56) lässt sich auf diesem Weg einer (freilich nicht den Theorienstreit entscheidenden) Lösung zuführen. Das völkerrechtliche Recht der Verträge (= Fragen des Abschlusses, Inkrafttretens, der Geltung, der Auflösung etc) ist in der WVRK kodifiziert (s. Rn 282 ff). Art. 46 dieser Konvention bestimmt:

      „Ein Staat kann sich nicht darauf berufen, daß seine Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein, unter Verletzung einer Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts über die Zuständigkeit zum Abschluß von Verträgen ausgedrückt wurde und daher ungültig sei, sofern nicht die Verletzung offenkundig war und eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf.“

      Wendet man diese Bestimmung auf den Fall 2 (Rn 39 und Rn 56) an, so zeigt sich, dass das Vorbringen des Bundesaußenministers nur dann stichhaltig sein kann, wenn der Grund für die Nichtigkeit des Zustimmungsgesetzes den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 46 WVRK entspricht (vgl auch Art. 27 Satz 2 WVRK). Ist dies nicht der Fall, ist das Vorbringen unerheblich. Dies führt zwar nicht zur Lösung des Theorienstreits, reduziert aber von vornherein die mögliche Anzahl der Konfliktfälle (vgl auch Fall 8, Rn 434 und Rn 442).

      § 2 Völkerrecht, Europarecht und nationales Recht › A. Völkerrecht und nationales Recht › IV. Regelung im GG und in den Länderverfassungen

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      Das GG enthält keine ausdrückliche Regelung der Verhältnisfrage im Sinne einer klaren Entscheidung für eines der monistischen bzw dualistischen Modelle. Auch das BVerfG vermied lange Zeit eine eindeutige Stellungnahme und legte sich zunächst nur auf eine gemäßigte Variante fest, die sich gleichermaßen im Monismus wie im Dualismus verorten ließ (BVerfGE 45, S. 83 ff, 96):

      „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es denkbar, daß ein Vertragsgesetz die Verfassung verletzt, während der Vertrag, auf den es sich bezieht, völkerrechtlich bindet. In solchen Fällen mag der Staat zwar völkerrechtlich verpflichtet sein, den abgeschlossenen Vertrag durchzuführen; er kann aber die Pflicht haben, den dadurch geschaffenen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, soweit dies möglich ist (BVerfGE 6, 290 [295]; vgl auch BVerfGE 16, 220 [227 f]; 36, 1 [14]). Der Gesetzgeber kann gehalten sein, alle ‚Möglichkeit(en) eines irgendwie gearteten Ausgleichs‘ (BVerfGE 38, 49 [51]) auszuschöpfen, um auf diese Weise den Erfordernissen beider Rechtskreise Rechnung zu tragen.“

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      In der Literatur werden von den Vertretern der beiden Theorien einzelne Bestimmungen des GG als Nachweis der jeweils eigenen Lösung herangezogen. So bestimmt Art. 25 GG, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind, den Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen. Art. 25 GG kann einerseits als deklaratorische Kodifikation des Monismus verstanden (= Völkerrecht und Bundesrecht bilden eine Einheit), andererseits aber insofern als Nachweis des Dualismus angesehen werden, als durch diese Bestimmung die allgemeinen Regeln des Völkerrechts als Bestandteil einer getrennten Rechtsordnung ins innerstaatliche Recht aufgenommen werden und ihnen ein bestimmter Rang (= über den Gesetzen) eingeräumt wird. Gerade Letzteres ist nur nach dem Dualismus möglich, da nach monistischer Sicht mit Völkerrechtsprimat dem Völkerrecht immer der Vorrang gegenüber dem gesamten staatlichen Recht und nicht nur gegenüber den Gesetzen zukommt.

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      Von den Dualisten wird zudem noch Art. 100 Abs. 2 GG angeführt, wonach das BVerfG zu entscheiden hat, ob eine Regel des Völkerrechts gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (s. Rn 1302). Dabei – so wird vorgebracht – müsse das BVerfG nicht nur über die Eigenschaft einer Regel des Völkerrechts als Bundesrecht, sondern inzidenter auch über die Existenz dieser Regel entscheiden. Dass ein staatliches Organ eine derartige Entscheidung treffen könne, sei nur im Rahmen des Dualismus erklärbar.

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      Entsprechendes gilt für die wenigen, dem Art. 25 GG vergleichbaren Bestimmungen der Länderverfassungen (Art. 84 der Verfassung von Bayern, Art. 122 der Verfassung von Bremen, Art. 67 der Verfassung von Hessen).

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      Von einem rechtstheoretischen Standpunkt aus lässt sich sagen, dass das GG und die Länderverfassungen die Verhältnisfrage nicht normativ lösen, sondern allenfalls deklaratorisch eine der beiden Theorien wiedergeben können. Wenn man die beiden angeführten Artikel des GG heranzieht, dann kann man danach lediglich die Sicht des Verfassungsgebers, aber nicht die normativ verbindliche Lösung der Verhältnisfrage herauslesen. Aus der Entstehungsgeschichte des GG ergibt sich, dass der Parlamentarische Rat bei der Ausarbeitung des GG eher von einem Dualismus ausgegangen ist.

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      Dieser Sicht ist schließlich auch das BVerfG im Jahre 2004 gefolgt. Ohne den Dualismus ausdrücklich zu nennen, hat es sich recht eindeutig auf ihn festgelegt (BVerfGE 111, S. 307 ff, 318):

      „Dem Grundgesetz liegt deutlich die klassische Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei dem Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher Rechtskreise handelt und dass die Natur dieses Verhältnisses aus der Sicht des nationalen Rechts nur durch das nationale Recht selbst bestimmt werden kann; dies zeigen die Existenz und der Wortlaut von Art. 25 und Art. 59 Abs. 2 GG.“

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      Dabei geht das BVerfG im Grundsatz von einem gemäßigten Dualismus aus. Dem Völkerrecht widersprechendes nationales Recht bleibt

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