Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer

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es mit dem Völkerrecht in Einklang steht (vgl BVerfGE 111, S. 307 ff, 321 ff). Wohl in einer gewissen Abwehrhaltung gegen monistische Vorstellungen hebt das BVerfG explizit hervor, dass das GG „nicht die Unterwerfung der deutschen Rechtsordnung unter die Völkerrechtsordnung und den unbedingten Geltungsvorrang von Völkerrecht vor dem Verfassungsrecht“ anordnet (BVerfGE 112, S. 1 ff, 25). Aus Sicht des Gerichts korreliert das mit dem allgemeinen Völkerrecht, wonach „(d)as gegenwärtige Völkerrecht … keine aus übereinstimmender Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung entspringende allgemeine Regel dahin (enthält), daß Staaten verpflichtet wären, ihre Verträge in ihr innerstaatliches Recht zu inkorporieren und ihnen dort Geltungs- oder Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht beizumessen“ (BVerfGE 73, S. 339 ff, 375).

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      In Ausnahmefällen fordert das BVerfGE allerdings einen in Teilen radikalen Dualismus mit der Folge, dass sich Völkerrecht und nationales Recht unversöhnlich im Sinne strikter Trennung gegenüber stehen. Das mit dem Völkerrecht unvereinbare nationale Recht muss bestehen bleiben, und die Bundesrepublik Deutschland muss einen Völkerrechtsbruch in Kauf nehmen. Dazu hat das BVerfG Folgendes ausgeführt (BVerfGE 111, S. 307 ff, 319):

      „Das Grundgesetz … verzichtet aber nicht auf die in dem letzten Wort der deutschen Verfassung liegende Souveränität. Insofern widerspricht es nicht dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit, wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist.“

      Ergänzend heißt es in BVerfGE 112, S. 1 ff, 26, dass das GG „die letzte Verantwortung für die Achtung der Würde des Menschen und die Beachtung der Grundrechte durch die deutsche öffentliche Gewalt (nicht) aus der Hand … geben“ wollte (s. auch Rn 255 ff).

      Diesen in Richtung auf einen ausnahmsweise radikalen Dualismus verweisenden Ton hat das BVerfG in jüngster Zeit noch verschärft.

      Denn das Gericht betont, es habe mit der vorgenannten Rechtsprechung gerade „nicht entschieden, dass der Gesetzgeber nur zur Wahrung tragender Verfassungsgrundsätze von völkerrechtlichen Vereinbarungen abweichen dürfe“ (BVerfGE 141, S. 1 ff, 24). Vielmehr könne der Gesetzgeber bindende völkerrechtliche Verträge durch seine Gesetze verdrängen (sog. treaty override; dazu Rn 837 ff), ohne dass hierin ein Verfassungsverstoß läge. Dieser Auffassung ist das Sondervotum der Richterin König mit guten Gründen entgegen getreten (BVerfGE 141, S. 1 ff, 44 ff). Das Verfassungsgebot der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG (Rn 236 ff) dürfte dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich verbieten, dem Völkerrecht widersprechende Gesetze zu erlassen (s. Rn 242).

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      Mit seiner dualistischen Sicht steht das BVerfG keineswegs allein. Andere Verfassungsgerichte (zB Russlands oder Italiens) vertreten vergleichbare Rechtsauffassungen. Selbst der EuGH hat sich (hinsichtlich des Verhältnisses von Unionsrecht zum Völkerrecht) diese radikal-dualistische Sichtweise zu eigen gemacht (und sich insoweit von seiner früheren, als Monismus mit Völkerrechtsprimat gedeuteten Rechtsprechung abgekehrt). Danach kann die Erfüllung einer Resolution des Sicherheitsrates der VN an elementaren Grundsätzen der Union, namentlich an den Unionsgrundrechten, mit der Folge scheitern, dass sich das Unionsrecht in einen normativ unauflösbaren Widerspruch zum Völkerrecht setzt (s. EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Slg. 2008, S. I-6351 ff, Randnrn 290 f; vgl hierzu BVerfGE 123, S. 267 ff, 401).

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      Zum Grundsatz der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des GG s. Rn 236 ff.

      § 2 Völkerrecht, Europarecht und nationales Recht › A. Völkerrecht und nationales Recht › V. Literatur

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      Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, Berlin 2003; Bernhardt, Völkerrecht und Landesrecht: Neuere Aspekte eines alten Problems, in: FS Mußgnug, S. 281 ff; Bleckmann, Das Verhältnis des Völkerrechts zum Landesrecht im Lichte der „Bedingungstheorie“, ArchVR 18 (1979/80), S. 257 ff; Fassbender, Triepel in Luxemburg, DÖV 2010, S. 333 ff; ders., Heinrich Triepel und die Anfänge der dualistischen Sicht von „Völkerrecht und Landesrecht“ im späten 19. Jahrhundert, in: Gschwend/Müller-Chen/Schindler/Wildhaber (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter – Festgabe Schweizerischer Juristentag 2015 in St. Gallen, Zürich 2015, S. 449 ff; Griller, Völkerrecht und Landesrecht – unter Berücksichtigung des Europarechts, in: Walter/Jabloner/Zeleny (Hrsg.), Hans Kelsen und das Völkerrecht, Wien 2004, S. 83 ff; Guggenheim, Völkerrecht und Landesrecht, in: Wörterbuch, Bd. 3, S. 651 ff; Hwang, Die EMRK im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG: Die Entwicklung eines Grundrechtspluralismus zur Überwindung des Gegensatzes von Monismus und Dualismus?, EuR 2017, S. 512 ff; Keller, Rechtsvergleichende Aspekte zur Monismus-Dualismus-Diskussion, SZIER 1999, S. 225 ff; Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts. Beitrag zu einer reinen Rechtslehre, 2. Aufl., Tübingen 1928; Rudolf, S. 128 ff; ders., Recht, innerstaatliches und Völkerrecht, in: Lexikon, S. 313 ff; Scelle, Manuel de Droit International Public, 1948; Seidl-Hohenveldern, Transformation or Adoption of International Law into Municipal Law, ICLQ 12 (1963), S. 8 ff; Thürer, Völkerrecht und Landesrecht, SZIER 9 (1999), S. 217 ff; Wagner, Monismus und Dualismus: eine methodenkritische Betrachtung zum Theorienstreit, AöR 89 (1964), S. 212 ff; Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig 1899; Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung, Tübingen 1923; Zorn, Grundzüge des Völkerrechts, 2. Aufl., 1903.

      § 2 Völkerrecht, Europarecht und nationales Recht › B. Europarecht und nationales Recht

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      Fall 3:

      Die deutsche Winzerin W stellte den Antrag auf Genehmigung der weinbergsmäßigen Neuanpflanzung eines ihr gehörenden Grundstücks. Die zuständige Verwaltungsbehörde verweigerte die Genehmigung mit der Begründung, dass gemäß der nach dem Weinwirtschaftsgesetz von der Behörde zu beachtenden Verordnung des Rates der EU über die gemeinsame Marktorganisation für Wein Neuanpflanzungen verboten seien und dass keine der in dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen vorliege. Nach erfolglosem Widerspruch erhob W Klage und brachte zur Begründung unter anderem vor, dass die Verordnung gegen ihre Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG verstoße und daher nichtig oder zumindest unanwendbar sei. Ist diese Ansicht richtig, wenn man von einer Grundrechtsverletzung durch die Verordnung ausgeht? Lösung: Rn 107

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      Bei der Frage des Verhältnisses des Europarechts

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