Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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das gegenwärtig geltende IPR; ob intertemporal früheres IPR anzuwenden ist, entscheidet die Rechtsordnung des verwiesenen Staates, nicht der deutsche Anknüpfungszeitpunkt.[60]

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      b) Diese schon vor dem 1.9.1986 bestehende Regel verfolgt den Zweck, internationalen Entscheidungseinklang zu erreichen. Auch ein Gericht des Staates, in den unsere Kollisionsnorm verweist, würde ja zunächst das eigene IPR anwenden. Sie erreicht diesen Zweck allerdings nicht vollständig: Folgen beide Staaten dem Grundsatz der Gesamtverweisung und erklären die beiden Kollisionsrechte das Recht des jeweils anderen Staates für anwendbar, so muss dieses Hin und Her der Verweisung irgendwo beendet werden, was letztlich zur Bevorzugung des eigenen Rechts führt.

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      c) Der Gegenbegriff zur Gesamtverweisung ist die Sachnormverweisung. Spricht eine deutsche Kollisionsnorm – ausnahmsweise – eine Verweisung auf „Sachvorschriften“ aus, so bezieht sie sich auf die (materiellen) Rechtsnormen der maßgebenden Rechtsordnung unter Ausschluss des IPR (Art. 3a Abs. 1).

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      a) Die Anwendung ausländischen Kollisionsrechts im Rahmen einer Gesamtverweisung kann zu drei unterschiedlichen Ergebnissen führen:

      Entweder entscheidet das fremde Kollisionsrecht ebenso wie das deutsche IPR, erklärt also die eigene Rechtsordnung für anwendbar, es nimmt die Verweisung an. Damit ist auch aus deutscher Sicht die kollisionsrechtliche Prüfung beendet; es kommen die Sachvorschriften des fremden Staates zur Anwendung. Dabei sind die fremden Kollisionsnormen so anzuwenden, wie sie in der Rechtspraxis des fremden Staates Anwendung finden. Auch Tatbestandsmerkmale und Anknüpfungskriterien sind im Sinn des verwiesenen IPR zu verstehen. Es ist jedoch auch das fremde IPR am deutschen ordre public zu messen und kann wegen Verstoß gegen diesen unanwendbar sein (im Einzelnen Rn 581 ff).

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      b) Erklärt das fremde IPR das deutsche Recht für anwendbar, so spricht man von Rückverweisung.

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      aa) Art. 4 Abs. 1 S. 2 beendet in diesem Fall die Verweisungskette; es kommt zur Anwendung der deutschen Sachvorschriften. Das deutsche IPR nimmt eine Rückverweisung immer an. Dabei ist es unerheblich, ob die vom fremden IPR ausgesprochene Verweisung selbst eine Gesamtverweisung oder eine Sachnormverweisung ist. Wir verfahren also anders als das fremde Gericht mit der Verweisung des fremden Rechts auf deutsches Recht: Es würde eine Sachnormverweisung auf deutsches Recht im materiellen deutschen Recht enden lassen, eine Gesamtverweisung jedoch auf die deutsche Kollisionsnorm richten und dadurch zurückverwiesen werden.

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      bb) In diesem Fall wird also der internationale Entscheidungseinklang nicht erreicht, sofern auch das fremde Recht der Theorie des renvoi folgt und ebenfalls die Rückverweisung annimmt. Verweist A auf B und B auf A, so wenden schließlich beide Staaten ihr eigenes Recht an. Dieser Folge des renvoi lassen sich jedoch andere Vorteile abgewinnen: Die Anwendung des eigenen Rechts ist praktikabel; das Gericht ist mit dem eigenen Recht vertraut, es muss nicht mit Mühe und Kosten den Inhalt des fremden Rechts ermitteln, die Rechtssache wird zügig entschieden. Historisch wurde dieses „Heimwärtsstreben“ sogar dem renvoi als Zweck unterstellt: Dem eigenen Recht – und damit den eigenen Gerechtigkeitswertungen – werde zur Durchsetzung verholfen. Dieses Argument ist vom Standpunkt des IPR abzulehnen: Sucht man mit der Kollisionsnorm den Sitz des Rechtsverhältnisses, so kann man nicht andererseits das eigene Recht für jedenfalls gerechter halten; dann wäre immer die lex fori anzuwenden.

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      cc) Ursache der Rückverweisung ist immer eine abweichende Anknüpfung im IPR des verwiesenen Staates. Diese kann auf einem anderen Anknüpfungskriterium beruhen oder auf einem anderen Anknüpfungssubjekt.

      Ein Däne und eine Deutsche, die in Deutschland leben, heiraten vor einem deutschen Standesamt. Die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung beurteilen sich für die Deutsche nach ihrem deutschen Heimatrecht (Art. 13 Abs. 1, keine Verweisung), für den Dänen nach seinem dänischen Heimatrecht (Art. 13 Abs. 1, Gesamtverweisung nach Art. 4 Abs. 1). Nach dänischem IPR bestimmen sich die Voraussetzungen der Eheschließung nach dem Recht des Domizils; es kommt also wegen eines abweichenden Anknüpfungskriteriums zur Rückverweisung auf deutsches Recht.

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      Ursache der abweichenden Anknüpfung kann auch eine abweichende kollisionsrechtliche Einordnung des Sachverhalts (Qualifikation) sein.

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      aa) Ausgehend vom deutschen IPR ist jedoch auch der Weiterverweisung zu folgen. Da eine Art. 4 Abs. 1 S. 2 entsprechende Regel (Annahme der Rückverweisung) nicht existiert und für das Abbrechen der Verweisung bei dem zweiten ausländischen Staat auch keine dem Heimwärtsstreben vergleichbaren Interessen feststellbar sind, führt die Weiterverweisung nicht ohne weiteres in das materielle Recht. In welcher Weise der Weiterverweisung gefolgt wird, hängt von dem weiterverweisenden Recht – nicht vom deutschen Gesamtverweisungsprinzip – ab.

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      bb) Versteht das erstverwiesene IPR seine eigene Verweisung auf das Recht eines dritten Staates als Sachnormverweisung, so bleibt es bei der Anwendung der Sachnormen dieses dritten Staates. In diesem Fall wird der internationale Entscheidungseinklang erreicht und ein sinnvolles Ende der Verweisungskette gefunden.

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