Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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Unerlaubte Handlungen werden zwar noch grundsätzlich nach dem Recht des Tatortes (lex loci delicti commissi, lat: Recht des Ortes des begangenen Delikts) beurteilt; ausgehend vom praktisch wohl häufigsten Bereich der Verkehrsunfälle kommen aber auch andere, sachnähere Anknüpfungen in Betracht (Art. 41; Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO).
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Die gewillkürte Stellvertretung (Vollmacht) wird an das Recht des Ortes angeknüpft, wo der Stellvertreter von der Vollmacht Gebrauch macht. Juristische Personen werden nach dem Recht ihres tatsächlichen Sitzes behandelt, was eine Anknüpfung an den Ort bedeutet, wo die Hauptverwaltung der Gesellschaft handelt. Im Verfahrensrecht bestimmt der Gerichtsort das anwendbare Verfahrensrecht (lex fori, lat.: Recht des Gerichts).
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Die Interessen, die zu einer Anknüpfung an Handlungsorte führen, sind unterschiedlich. Zum Teil geht es darum, die Beteiligten zu schützen, die am Ort des Geschehens Rechtsrat eingeholt haben und die kollisionsrechtliche Komponente des Falles nicht erkennen (typischerweise bei der Ortsform, welche die Wirksamkeit sicherstellen soll). Teils geht es um den Schutz des Vertrauens Dritter (zB Vollmachtsstatut und Gesellschaftsstatut). Eine echte Schwerpunktsuche führt dagegen beim Deliktsstatut zum Tatort und begründet andererseits in vielen Fällen die Abkehr von der Ortsanknüpfung: Die dort geltenden Sorgfaltsanforderungen kennzeichnen nur dann die engste Verbindung der Deliktsparteien, wenn sich diese dort zufällig deliktisch begegnen und keine andere wesentlich engere gemeinsame Bindung haben.
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c) Der Belegenheitsort (lex rei sitae, lat.: Recht der belegenen Sache, bzw lex situs, lat.: Recht der Belegenheit) von beweglichen und unbeweglichen Sachen ist maßgeblich für die daran bestehenden dinglichen Rechte im Sachenrecht.
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d) Die engste Verbindung nimmt unter den Anknüpfungskriterien eine Sonderstellung ein; sie ist kein determiniertes Anknüpfungskriterium, sondern erfordert eine generalklauselartige Gesamtschau von Einzelkriterien, die jeweils für sich genommen nicht gewichtig genug sind, um Anknüpfungskriterium zu sein. Zugleich steht die „engste Verbindung“ dem Savigny’schen Ansatz am nächsten, denn sie verlangt vom Richter im Einzelfall die Lokalisierung des Rechtsverhältnisses. Welche Einzelfaktoren in die Bewertung einfließen, hängt jeweils stark vom Gegenstand der Anknüpfung ab.
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Die engste Verbindung als subsidiäres Anknüpfungskriterium letzter Stufe im internationalen Eherecht (Art. 14 Abs. 1 Nr 3, sowie durch Verweisung aus Art. 15 Abs. 1) bezieht sich vor allem auf gemeinsame soziale Bindungen.
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Im internationalen Schuldvertragsrecht war die engste Verbindung des Vertrages bei Fehlen einer Rechtswahl nach dem EVÜ das theoretisch einheitliche objektive Anknüpfungskriterium, das jedoch durch Vermutungen konkretisiert wurde, die sich vorrangig an der räumlichen Lokalisierung der Leistungserbringung orientierten. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO nennt die engste Verbindung nur als subsidiäres Kriterium und stellt die bisherigen Vermutungen als objektive Kriterien voran (Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-VO), deren Indizfunktion aber widerlegbar bleibt (Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO). Dieser Wandel im theoretischen Ansatz, der sich kaum praktisch auswirkt, zeigt augenfällig die der Anknüpfung eigene Spannung zwischen Objektivierung und Einzelfallangemessenheit.
III. Kombination von Anknüpfungskriterien
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Mehrfache Anknüpfung durch Kombinationen von Anknüpfungskriterien in der Anknüpfungsnorm für dasselbe Rechtsverhältnis kommen in unterschiedlichen Techniken vor und haben jeweils unterschiedliche Zielsetzungen.
1. Subsidiäre Anknüpfung, Anknüpfungsleitern oder -kaskaden
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a) Subsidiäre Anknüpfung bedeutet die Reihung mehrerer Anknüpfungskriterien (die zu verschiedenen Rechtsordnungen führen können) in der Weise, dass das jeweils nächstfolgende Kriterium nur maßgeblich wird, wenn die Voraussetzungen des vorangehenden Kriteriums nicht erfüllt sind. Sie wird dann erforderlich, wenn der Gesetzgeber in erster Stufe ein Anknüpfungskriterium wählt, das nicht in allen in Betracht kommenden Fallgestaltungen vorliegen muss. Hierdurch entstehen Anknüpfungsleitern, die Stufe um Stufe von einem Hauptanknüpfungskriterium zu hilfsweisen und äußerst hilfsweisen Kriterien führen.
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b) Der im deutschen IPR wichtigste Fall, die eherechtliche Anknüpfungsleiter, ist im Zuge der Berücksichtigung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im IPR entstanden. Das vor dem 1.9.1986 geltende EGBGB stellte (verfassungswidrig) auf die Staatsangehörigkeit des Mannes ab; damit stellten sich keine anderen Anknüpfungsprobleme als im Personalstatut eines einzelnen Anknüpfungssubjekts, wo nur bei Staatenlosen eine Hilfsanknüpfung erforderlich ist (vgl Rn 236 ff). Auch die objektive Anknüpfung der Rom III-VO sieht für das Scheidungsstatut eine Anknüpfungsleiter vor, die jedoch von der des Art. 17 Abs. 1 S. 1 aF iVm Art. 14 deutlich abweicht.
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aa) Mit dem Wechsel zur gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten als Hauptanknüpfungskriterium (Art. 14 Abs. 1 Nr 1 mit Verweisungen aus Art. 15 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 aF, Art. 19 Abs. 1 S. 2 und Art. 22 Abs. 1 S. 2) entstanden zahlreiche Fälle, in denen das Kriterium versagte, weil die Ehegatten Angehörige verschiedener Staaten waren. Eine Kumulierung der beiden Heimatrechtsordnungen schied aus, da aus unterschiedlichen oder widersprechenden familienrechtlichen Regelungen (zB Gütergemeinschaft und Gütertrennung) auch im Weg der Kumulierung (Rn 330 ff) kein „gemeinsames“ Recht geschaffen werden kann.
Die vier abgestuften subsidiären Anknüpfungen (aktuelle/letzte gemeinsame Staatsangehörigkeit, derzeitiger/letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt/gemeinsame engste Verbindung) führen wieder formal zu einer alle Fälle erfassenden[59] Anknüpfungsleiter („Kegelʼsche Leiter“). Allerdings verursacht die Bestimmung einer engsten Verbindung große Probleme, weil diese Stufe der Leiter erst erreicht wird, wenn die Ehegatten immer verschiedenen Staaten angehörten und noch nie einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
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bb) Diese Leiter wird in einzelnen Bereichen des internationalen Familienrechts durch die Zulassung einer Rechtswahl überlagert. Je nachdem, ob die Rechtswahl immer zulässig ist oder ob sie auf bestimmte Fallsituationen (nicht wählbare Rechtsordnungen, vgl Rn