Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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Heimatrecht als Erbstatut, so unterstellt er sich damit auch der Beschränkung seiner Testierfreiheit durch das Pflichtteilsrecht.

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      b) Der klassische Anwendungsbereich der Parteiautonomie ist das Schuldvertragsrecht. In diesem Bereich ist Parteiautonomie das vorrangige Anknüpfungskriterium (Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO).

      Im IPR der Schuldverträge ist Parteiautonomie die Regel. Die Rom I-VO setzt aber, wie schon das EVÜ, gegen eine Rechtswahl in bestimmten Fällen (Art. 3 Abs. 3, Art. 6 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO) die zwingenden oder eine bestimmte schwächere Vertragspartei schützenden, die Privatautonomie begrenzenden unabdingbaren Bestimmungen des Rechts durch, das ohne Rechtswahl anwendbar wäre. Soweit deutsches Verbraucherschutzrecht auf Richtlinien beruht, die eine kollisionsrechtliche Absicherung vorsehen, erfolgt die Durchsetzung zusätzlich zu Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO auch aufgrund Art. 46b. Darüber hinaus werden Eingriffsnormen (zwingende Vorschriften zum Schutz eines öffentlichen Interesses) nach Art. 9 Rom I-VO gegen ein gewähltes aber auch gegen gesetzlich angeknüpftes Schuldstatut durchgesetzt.

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      c) In anderen Rechtsgebieten ist die Parteiautonomie seit der IPR-Reform 1986 im Vordringen, tritt jedoch immer neben eine willensunabhängige objektive Grundsatzanknüpfung. Dann ist zu unterscheiden, ob die Rechtswahl nur in bestimmten Fällen erlaubt ist oder ob sie immer zulässig ist, ggf aber nur bestimmte Rechtsordnungen wählbar sind.

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      Ob eine Rechtsordnung Rechtswahl als Grundsatz oder als Ausnahme neben einer gesetzlichen Anknüpfung formuliert, offenbart allerdings mehr die rechtspolitische Zielsetzung und ist im Ergebnis meist einerlei; soweit Rechtswahl nämlich erlaubt wird, verdrängt sie notwendigerweise das nach objektiven Kriterien bestimmte Recht. ZB normiert das schweizerische IPR – weil es die Ehegatten zur Wahl auffordern will – die Wahl des Ehegüterstatuts als Grundsatz (Art. 52 Abs. 1 schweizIPRG), erlaubt aber dennoch nur die Wahl bestimmter Rechtsordnungen (Art. 52 Abs. 2 schweizIPRG). Art. 15 Abs. 1 normiert zwar das Ehegüterstatut grundsätzlich objektiv, Art. 15 Abs. 2 erlaubt aber die Rechtswahl umfassend und lässt sogar einen größeren Kreis von Rechtsordnungen zur Wahl zu als das schweizerische Recht. Dagegen erlaubt Art. 14 Abs. 2 und 3 eine Wahl des Ehewirkungsstatuts nur in bestimmten Konstellationen und begrenzt den Kreis der wählbaren Rechtsordnungen.

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      Rechtswahl ist im deutschen IPR zulässig im Namensrecht (Art. 10 Abs. 2 und 3; in bestimmten Konstellationen und nur bestimmte Rechtsordnungen wählbar), im Ehewirkungsrecht (Art. 14 Abs. 2 und 3; in bestimmten Konstellationen und nur bestimmte Rechtsordnungen wählbar), bis zum Inkrafttreten der Rom III-VO auch im Scheidungsstatut (Art. 17 Abs. 1 aF iVm Art. 14 Abs. 2, 3, zur Rom III-VO Rn 296), im Ehegüterrecht (Art. 15 Abs. 2; immer, jedoch nur bestimmte Rechtsordnungen wählbar) und bis zum Inkrafttreten der EU-ErbVO eng begrenzt im Erbrecht (Art. 25 Abs. 2 aF; nur deutsches Recht für inländische Immobilien wählbar).

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      Die EU-rechtlichen Kollisionsnormen im Familien- und Erbkollisionsrecht setzen verstärkt, jedoch in deutlich unterschiedlichem Maß, auf Rechtswahl: Art. 5 Rom III-VO (VO EU Nr 2010/1259) erweitert die Wahlmöglichkeiten des Scheidungsstatuts deutlich gegenüber Art. 17 aF, Art. 22 EU-ErbVO (VO EU 2012/650) erlaubt für das Erbstatut nur die Heimatrechtswahl und damit eine Rückoption zum Staatsangehörigkeitsprinzip, Art. 22 der noch nicht anzuwendenden EU-EheGüterVO (VO EU 2016/1103) und EU-ELPGüterVO (VO EU 2016/1104) sind in der Bandbreite wählbarer Rechte Art. 15 Abs. 2 EGBGB ähnlich. Wahlfreiheit wird ausdrücklich als Kompensation der durch den Übergang zum Aufenthaltsprinzip (dazu Rn 274) verursachten Vorhersehbarkeitsrisiken verstanden. Wenig bedacht wird hierbei, dass Rechtswahl im IPR nur dann ihrer Funktion gerecht wird, wenn ein Bewusstsein der Wahlmöglichkeit in beteiligten Verkehrskreisen besteht; dieses Bewusstsein kann in Fragen des Personalstatuts nicht vorausgesetzt werden, so dass allenfalls juristisch beratene Beteiligte hieraus Nutzen ziehen. Ein Problembewusstsein Betroffener dürfte eher im Ehegüter- und Erbstatut als im Scheidungsstatut zu erwarten sein.

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      Im deutschen außervertraglichen Schuldrecht (dem auch neben der Rom II-VO ein sachlicher Anwendungsbereich verbleibt) wirkt sich die Rechtswahl mittelbar für die bereicherungsrechtliche Leistungskondiktion aus, weil diese an das Vertragsstatut anknüpft (Art. 38 Abs. 1). Das Deliktsstatut kann (nach der Tat – Art. 42 – aber auch vorher, zB für Delikte, die sich anlässlich einer Sonderbeziehung ereignen können – Art. 41 Abs. 2 Nr 1) gewählt werden.

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      Die sachlich weitgehend für das außervertragliche Schuldrecht ab dem 11.1.2009 als loi uniforme anwendbare Rom II-VO (VO EG Nr 864/2007) knüpft ebenfalls die Leistungskondiktion an das (ggf gewählte) Vertragsstatut an (Art. 10 Abs. 1 Rom II-VO). Dasselbe gilt für das Deliktsstatut, wenn das Delikt in enger Verbindung zu einem Vertrag steht (Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO). Überdies ist für alle außervertraglichen Schuldverhältnisse eine nachträgliche freie Rechtswahl und zwischen Unternehmern auch eine vorherige freie Rechtswahl vorgesehen (Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO; zu Einschränkungen Abs. 2, 3, dazu Rn 1412 ff).

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      a) Der schlichte Aufenthalt hat nur als äußerst hilfsweises Anknüpfungskriterium Bedeutung. Er bestimmt das Personalstatut für Staatenlose, die keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 5 Abs. 2). Der schlichte Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland erlaubt die Bestellung eines Betreuers nach deutschem Recht (Art. 24 Abs. 1 S. 2). Es genügt für den schlichten Aufenthalt die tatsächliche Anwesenheit des Betroffenen; die Dauer oder Beständigkeit des Aufenthalts ist ohne Belang.

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      b) Der Ort einer Handlung ist noch immer ein verbreitetes Anknüpfungskriterium, auch wenn seine Bedeutung geringer ist als manchmal von Nichtkundigen vermutet.

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      Wegen der Manipulierbarkeit und Zufälligkeit ist die früher als objektive Anknüpfung bei Fehlen einer Rechtswahl vieldiskutierte und in anderen Rechtsordnungen noch bekannte Anknüpfung der materiellen Beurteilung von Verträgen an den Abschlussort einer Gesamtschau von Kriterien im Sinne der engsten Verbindung gewichen. Auch die materielle Beurteilung familienrechtlicher Verhältnisse unterliegt nicht dem Eheschließungsort (eine in Las Vegas geschlossene Ehe ist also nicht etwa in ihren Wirkungen vom Recht Nevadas beherrscht).

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      Für die Anknüpfung der Form von Rechtsgeschäften ist der Abschlussort gleichberechtigtes alternatives Anknüpfungsmerkmal neben dem Geschäftsstatut (Art. 11 Abs. 1). Für die Form der Eheschließung in Deutschland ist die Anknüpfung an den Ort sogar das einzige Anknüpfungskriterium

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