Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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d) Im deutschen IPR wird ein Staatenloser gemäß Art. 5 Abs. 2 behandelt.
aa) Anzuwenden ist das Recht des Staates, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines gewöhnlichen Aufenthalts ihren schlichten Aufenthalt hat. Schon wegen der systematischen Stellung in Art. 5 (Personalstatut) setzt das natürlich voraus, dass in der anzuwendenden Verweisungsnorm die Staatsangehörigkeit dieser Person Anknüpfungskriterium ist, da nur in diesen Fällen das Fehlen einer Staatsangehörigkeit zu einer kollisionsrechtlichen Lücke führt.
Die Voraussetzungen der Eheschließung eines Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland beurteilen sich gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 5 Abs. 2 nach deutschem Recht. Wer der Vater eines Kindes ist, beurteilt sich hingegen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 nach dem Aufenthaltsrecht des Kindes; dabei ist es einerlei, ob der vermutliche Vater Deutscher, Ausländer oder Staatenloser ist; dies spielt jedoch eine Rolle, wenn die Vaterschaft nach der alternativen Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1 S. 2 (Heimatrecht des jeweiligen Elternteils) festgestellt werden soll.
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bb) Art. 5 Abs. 2 gilt nicht nur für Staatenlosigkeit de iure, sondern auch für Staatenlosigkeit de facto („kann ihre Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden“). Art. 5 Abs. 2 gilt auch dann, wenn ein Rechtsverhältnis einer Person im IPR nicht nach der eigenen Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, sondern nach der Staatsangehörigkeit einer anderen Person, zB an das Heimatrecht eines Elternteils (zB die alternative Anknüpfung der Abstammung in Art. 19 Abs. 1 S. 2). Entscheidend ist nur, dass die Anknüpfung in der konkreten Situation auf die Staatsangehörigkeit einer Person abstellt, die keine Staatsangehörigkeit hat.
Die väterliche Abstammung des in Frankreich lebenden Kindes einer Französin und eines in Deutschland lebenden staatenlosen Palästinensers kann gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 iVm Art. 5 Abs. 2 nach deutschem Recht festgestellt werden, weil der Vater als Anknüpfungssubjekt (Art. 19 Abs. 1 S. 2) mangels feststellbarer Staatsangehörigkeit ein deutsches Aufenthalts-Personalstatut (Art. 5 Abs. 2) hat.
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e) Ein der Staatenlosigkeit ähnliches Phänomen ist die Rechtsstellung als GFK-Flüchtling oder Asylberechtigter. Ist ein Flüchtling oder Asylberechtigter nicht staatenlos (sonst ohnehin Art. 5 Abs. 2), so wird er häufig die Staatsangehörigkeit gerade des Staates besitzen, in dem er verfolgt wurde oder aus dem er im Zuge kriegerischer Wirren geflohen ist. Jedenfalls im ersten Fall (zur Interessenlage bei vorübergehend Schutz Suchenden Rn 204) entspricht es meist nicht seinem Interesse, in Angelegenheiten des Personalstatuts nach dem Recht seines Heimatstaats behandelt zu werden, der ihm gerade keinen Schutz bietet. Zudem würde die Anwendung des Heimatrechts angesichts der zunehmenden und unterschiedlichen Flüchtlingsströme die Justiz der Aufnahmestaaten vor zusätzliche Probleme der Ermittlung der Staatsangehörigkeit und des Inhalts des fremden Rechts stellen.
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aa) Die maßgeblichen Regelungen unterstellen daher das Personalstatut von Flüchtlingen dem Recht ihres Wohnsitzes, hilfsweise des schlichten Aufenthalts. Personalstatut ist auch hier in dem Sinn zu verstehen, dass die Sonderanknüpfung nicht nur das Personen-, Familien- und Erbrecht betrifft, sondern immer eingreift, wenn das IPR ansonsten die Staatsangehörigkeit beruft.[31] Ausgangsbestimmung ist Art. 12 Abs. 1 GFK (Rn 102). Nach zutreffender Ansicht ist der bei Abschluss der Konvention 1951 noch unbekannte Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ durch Auslegung an die Stelle des Begriffs „Wohnsitz“ zu setzen,[32] was eine international einheitliche Handhabung bewirkt. Das entspricht auch der Entwicklung bei den Staatenlosen, wo Art. 5 Abs. 2 bewusst[33] von Art. 12 Abs. 1 des UN-Staatenlosen-Übereinkommens von 1954 abweicht; anderenfalls müsste bei einem Flüchtling zusätzlich die oft schwierige Prüfung einer – zusätzlichen – Staatenlosigkeit angestellt werden.
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bb) Ursprünglich war die Genfer Flüchtlingskonvention gemäß Art. 1 GFK nur auf europäische Flüchtlinge anwendbar, die im Zuge der Ereignisse vor, während und kurz nach dem 2. Weltkrieg (Ereignisse vor dem 1.1.1951) geflohen waren. Durch das Genfer Protokoll vom 31.1.1967[34] wurde dem schlimmen Umstand Rechnung getragen, dass das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert der Flüchtlinge geworden war. Aus der Definition des „Konventionsflüchtlings“ wurde die zeitliche (Fluchtgrund vor 1.1.1951) und die räumliche Begrenzung (europäische Flüchtlinge) gestrichen. Tatbestandlich erforderlich ist die Flucht aus bestimmten Fluchtgründen: „aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“. Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention ist damit auch auf solche Flüchtlinge anzuwenden. Die Flüchtlingseigenschaft iSd Art. 1 GFK wird in Deutschland nach § 3 Abs. 4 AsylG förmlich zuerkannt; die Zuerkennung ist jedoch nur positiv bindend (§ 6 AsylG), ihr Fehlen schließt die unmittelbare Anwendung von Art. 1, 12 GFK durch ein Gericht in einer Zivilsache nicht aus.[35]
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cc) Ist das Anknüpfungssubjekt anerkannter Asylberechtigter in Deutschland, was die Eigenschaft als politisch Verfolgter iSd Art. 16a GG voraussetzt, so gewährt § 2 Abs. 1 AsylG die Rechtsstellung von Konventionsflüchtlingen, es gilt daher Art. 12 der Konvention; die förmliche Anerkennung im Verfahren nach §§ 12 ff AsylG ist hierfür konstitutiv, mit Ausnahme von Ausländern, denen vor dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet Asyl gewährt wurde (§ 2 Abs. 3 AsylG). Es kann also nicht ein Zivilgericht die Anwendung des § 2 AsylG unmittelbar auf Art. 16a GG stützen. Eine zunehmend bedeutsame Frage ist, ob eine Unterstellung unter das Recht des Zufluchtslandes immer interessengerecht ist (dazu Rn 204),[36] zumal bei Rückkehrwillen und Flucht wegen nicht-staatlicher Verfolgung die Flucht nicht mehr Abkehr vom Heimatstaat indiziert.
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dd) Soweit Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge keinen Fluchtgrund iSd Art. 1 GFK haben – was von individueller Prüfung abhängt – und nicht als Asylberechtigte iSd § 2 AsylG anerkannt sind, können sie subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr 3 AsylG erlangen, der auf der Richtlinie 2011/95/EU basiert. Dieser Personenkreis fällt kollisionsrechtlich jedoch nicht unter § 2 Abs. 1 AsylG,[37] auch wenn aufenthaltsrechtlich eine Gleichstellung erfolgt (Aufenthaltserlaubnis § 25 AufenthG): Der Schutzstatus begründet keine Asylberechtigung, sondern ist als ein eigenständiger Status konzipiert,[38] der zwar auf den