Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Internationales Privatrecht - Thomas Rauscher страница 65

Internationales Privatrecht - Thomas Rauscher Schwerpunktbereich

Скачать книгу

oder zu einer Zwischenstufe.

      Im Ehegüterstatut geht die von Art. 15 Abs. 2 zugelassene Rechtswahl – zugunsten eines nicht effektiven Heimatrechts oder eines Aufenthaltsrechts – sogar einer aktuell bestehenden gemeinsamen Staatsangehörigkeit (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr 1) vor, ist also oberste Stufe einer erweiterten Leiter. Im Ehewirkungsstatut tritt die von Art. 14 Abs. 2 zugelassene Rechtswahl hinter die gemeinsame Staatsangehörigkeit, weil die Wahl eines nicht den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 entsprechenden gemeinsamen Heimatrechts nur erlaubt ist, wenn die Ehegatten keine gemeinsame, Art. 5 Abs. 1 genügende Staatsangehörigkeit haben.

      Weiter geht die Zulassung der Rechtswahl in der Rom III-VO. Dass sie dort formal auf erster Stufe der Anknüpfung erscheint (Art. 5 Rom III-VO), hat allerdings nur rechtspolitische Bedeutung, denn Rechtswahl, soweit sie zugelassen ist, verdrängt immer die objektive Anknüpfung, auch wenn sie systematisch an zweiter Stelle steht. Das gilt auch für Art. 22 EU-EheGüterVO, dessen Reichweite der des Art. 15 Abs. 2 ähnlich ist, der aber formal vor der objektiven Anknüpfung (Art. 26) rangiert.

      315

      

      cc) Zweck einer Anknüpfungsleiter ist es, subsidiäre Anknüpfungskriterien zur Verfügung zu stellen für Fälle, in denen die Hauptanknüpfung versagen würde. Jede einzelne Stufe einer Anknüpfungsleiter bringt aber wiederum Interessenabwägungen und Gerechtigkeitsvorstellungen zum Ausdruck; es geht nicht darum, irgendeine nächste Stufe, sondern die geeignetste nächste Stufe zu bestimmen. Die Anknüpfungsleiter des Art. 14 Abs. 1 macht insbesondere deutlich, dass auch das IPR-Neuregelungsgesetz des Jahres 1986 der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium besonderes Gewicht beimisst.

      Das kommt nicht nur in der Einordnung einer früheren gemeinsamen Staatsangehörigkeit als über dem gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt stehend zum Ausdruck; Art. 14 Abs. 3 sichert sogar durch Zulassung einer – im Ehewirkungsrecht als problematisch empfundenen und rechtsvergleichend kaum bekannten – Rechtswahl in besonderen Fällen das Staatsangehörigkeitsprinzip als vorrangiges Anknüpfungsmoment, wenn der gewöhnliche Aufenthalt ungeeignet oder eher zufällig erscheint.

      316

      a) Alternative Anknüpfung bedeutet die Bereitstellung mehrerer auf gleicher Stufe stehender Anknüpfungskriterien, unter denen das Gesetz keinen Vorrang bestimmt. Die berufenen Rechtsordnungen kommen wahlweise zur Anwendung, auch wenn die Anknüpfungskriterien für mehrere Alternativen erfüllt sind.

      317

      aa) Diese Regelungsmethode wird eingesetzt, um ein materielles Ergebnis zu begünstigen, das abstrakt wünschenswert erscheint. Damit nehmen Wertungen des materiellen Rechts Einfluss auf das IPR. Die Kollisionsnorm schafft aber nicht das erwünschte Ergebnis; sie erleichtert nur sein Zustandekommen, indem sie unterschiedliche Rechtsordnungen zur Verfügung stellt. Genügt der Tatbestand auch nur den Voraussetzungen einer dieser Rechtsordnungen, so soll das Rechtsverhältnis wirksam sein.

      318

      

       bb) Alternative Anknüpfungen enthalten

Art. 11 Abs. 1; Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO: Die Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts wird begünstigt durch wahlweise Anknüpfung an das Recht des Abschlussortes oder das Recht des Geschäftsinhalts.

      319

      

Art. 1 Haager Testamentsformübereinkommen: Die Formwirksamkeit eines Testaments wird durch zahlreiche alternative Anknüpfungen begünstigt.

      320

im internationalen Deliktsrecht wird bei sog „Distanzdelikten“ (Auseinanderfallen von Handlungs- und Erfolgsort) der Geschädigte im Anwendungsbereich von Art. 40 begünstigt durch ein Bestimmungsrecht; er kann statt der Anknüpfung an das Recht am Ort der schädigenden Handlung das Recht am Ort des Eintritts des schädigenden Erfolgs zur Anwendung bringen (Art. 40 Abs. 1 S. 2, 3); vor 1999 handelte es sich um eine von Amts wegen auszuwählende alternative Anknüpfung. In Art. 4 Rom II-VO, der an den Erfolgsort anknüpft, ist ein Günstigkeitsprinzip nach Wahl des Geschädigten oder des Gerichts hingegen nicht mehr vorgesehen.

      321

      

      b) Ein Sonderfall ist die alternative Zusatzanknüpfung.

      aa) Tritt die gewünschte Rechtsfolge nicht nach dem primär anwendbaren Recht ein, so ist eine weitere Rechtsordnung berufen, die zur Wirksamkeit führen kann. Im Gegensatz zur alternativen Anknüpfung ist hier fraglich, ob die Anknüpfung erster Stufe erfolglos geprüft werden muss, um das in zweiter Stufe berufene Recht anwenden zu können. Häufig kann dies verneint werden: Wenn die Kollisionsnorm ein rechtliches Ergebnis anstrebt, kann dieses Ergebnis auch nach einer nur subsidiär-alternativ formulierten Zusatzanknüpfung festgestellt werden. Das gilt nicht, wenn das IPR an die Feststellung bzw Gestaltung eines Rechtsverhältnisses nach einer Rechtsordnung auch weitere Rechtsfolgen nach dieser Rechtsordnung knüpft (zB Art. 17 Abs. 1 S. 1 und S. 2 aF: der Scheidungsausspruch nach einem Recht bestimmt auch Scheidungsfolgen nach diesem Recht, so dass die vorgegebene Reihenfolge gewahrt werden muss).

      322

      Von der subsidiären Anknüpfung (Rn 311 ff) unterscheidet sich diese Technik dadurch, dass die Subsidiarität nicht auf der Tatbestandsseite, sondern auf der Rechtsfolgenseite der Kollisionsnorm besteht: Subsidiäre Anknüpfungen greifen ein, wenn ein Anknüpfungsmerkmal nicht gegeben ist; alternative Zusatzanknüpfungen greifen ein, wenn ein berufenes Recht nicht zu dem gewünschten Erfolg führt.

      323

      bb) Alternative Zusatzanknüpfungen finden sich vor allem im Kindschaftsrecht:

Art. 19 Abs. 1 S. 1 unterstellt die Abstammung eines Kindes primär dem Recht an dessen gewöhnlichem Aufenthalt; Art. 19 Abs. 1 S. 2 erlaubt auch die Bestimmung nach dem Heimatrecht des jeweiligen Elternteils, Art. 19 Abs. 1 S. 3 nach dem Ehewirkungsstatut der Mutter, wenn diese verheiratet ist (vgl dazu auch Rn 326 ff: bedingte alternative Anknüpfung). Begünstigt wird die Feststellung der Eltern-Kind-Beziehung als solche, dh das Ergebnis ist die Abstammung oder die Nicht-Abstammung. Die Rechtsfolgen aus dieser Beziehung sind unabhängig (Art. 21: immer nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt) von der Rechtsordnung, nach der die Beziehung begründet wurde. Deshalb kann, wie schon unter dem bis 30.6.1998 geltenden Recht, die Zusatzanknüpfung sogleich geprüft werden, ohne dass die Primäranknüpfung versagt hat.

      324

Art. 20 S. 1 unterstellt die Anfechtung der Abstammung

Скачать книгу