Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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3. Gespaltenes IPR und einheitliches internes Kollisionsrecht
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In seltenen Fällen haben Mehrrechtsstaaten kein einheitliches IPR, das Recht des Gesamtstaates enthält jedoch interne Kollisionsregeln zur Verteilung der Sachverhalte an die einzelnen (internationalprivatrechtlichen und materiellen) Teilrechtsordnungen. Für die Gesamtverweisung des deutschen IPR bedarf es einer Unteranknüpfung. Soweit es ein einheitliches internes Kollisionsrecht gibt, bestimmt dieses (Art. 4 Abs. 3 S. 1), welche Teilrechtsordnung (einschließlich ihres IPR) anzuwenden ist.
In Mexico sind das IPR und das materielle Privatrecht interlokal gespalten; jeder Bundesstaat hat einen eigenen código civil mit eigenem IPR. Dieses IPR – und einzelne bundesstaatliche interlokale Normen – finden jedoch auf interlokale Konflikte nur Anwendung, soweit nicht die mexikanische Bundesverfassung, zB zu Rechten an beweglichen und unbeweglichen Sachen, eine territoriale Kollisionsnorm enthält. Soweit ein solches einheitliches interlokales Recht fehlt, sind aus deutscher Sicht (wie Rn 397) die Anknüpfungskriterien des deutschen IPR fortzusetzen.
4. Einheitliches IPR ohne einheitliches internes Kollisionsrecht?
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a) Besitzt ein Staat ein einheitliches IPR, aber gespaltenes materielles Recht, so sind – denknotwendig – interne Kollisionsregeln vorhanden: Erklärt das IPR dieses Staates nämlich eigenes Recht für anwendbar, so müssen Gerichte dieses Staates entscheiden, welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist. Diese internen (interlokalen oder interpersonalen) Regeln können unkodifiziert oder in Zuständigkeitsregeln versteckt sein; ist zB innerstaatlich ein Gericht nur in festgelegten Konstellationen zuständig und wendet dann die lex fori an, so beinhaltet das aus deutscher Sicht eine interne Kollisionsnorm.
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b) Probleme in der Ermittlung dieses internen Kollisionsrechts treten häufig bei interpersonal gespaltenen Rechtsordnungen auf. Solche Staaten haben ganz überwiegend ein einheitliches IPR und häufig auch ausdrückliche (staatliche) Grundsätze zur Lösung interpersonaler Kollisionen. Jedenfalls in den Ländern, in denen staatliche Gerichte das religiöse Recht in Familien- und Erbsachen anwenden (zB Ägypten, Tunesien, Indien, Pakistan), stehen diese Gerichte zwangsläufig selbst vor dem interpersonalen Kollisionsproblem: Jeder Staatsangehörige kann die staatlichen Gerichte in Anspruch nehmen, das Gericht muss also das richtige religiöse Recht auswählen.
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c) Selbst in den Staaten, die diese Rechtssachen religiösen Gerichten überlassen (zB Syrien), gibt es zumindest Zuständigkeitsregeln, die als versteckte Kollisionsnormen verstanden werden können, sofern sie eine eindeutige Zuständigkeit aussprechen.
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d) Teilweise kann sich das intern anwendbare Recht auch aus dem Typus einer familienrechtlichen Beziehung ergeben, welche die Beteiligten gewählt haben. Einige ehemalige englische und französische Kolonien in Afrika sehen wahlweise eine Zivilehe und Stammesehen vor: Hier beurteilt sich dann das weitere Schicksal der Rechtsbeziehung nach dem ursprünglich gewählten Typus.
Literatur:
Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 375-429; MüKoBGB/v. Hein (6. Aufl., 2015) Art. 4 EGBGB Rn 166-251.
II. Sachnormverweisungen in Mehrrechtsstaaten
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1. Ist die deutsche Verweisung Sachnormverweisung, so spielt es keine Rolle, ob der ausländische Staat ein einheitliches IPR hat, weil auf dieses ohnehin nicht verwiesen ist. Zu unterscheiden ist nur danach, ob ein einheitliches internes Kollisionsrecht besteht.
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2. Hat der ausländische Mehrrechtsstaat ein einheitliches internes (interlokales oder interpersonales) Kollisionsrecht, so bestimmt dieses die maßgebliche materielle Teilrechtsordnung (Art. 4 Abs. 3 S. 1).
Verweist Art. 19 Abs. 1 S. 2 für die Feststellung der Vaterschaft alternativ auf das Recht von Bosnien und Herzegowina als Heimatrecht des als Vater in Betracht kommenden Mannes, so ist dies (auch) eine Sachnormverweisung. Die maßgebliche Teilrechtsordnung ist nach dem BuH-ILRG auszuwählen: Hat der Mann zB einen Wohnsitz in der Republika Srpska, so ist nach Art. 28 Abs. 1 BuH-ILRG diese Teilrechtsordnung maßgeblich (vgl Rn 394).
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3. Hat der ausländische Mehrrechtsstaat ein gespaltenes internes Kollisionsrecht, so ist die engste Verbindung des Sachverhalts maßgeblich (Art. 4 Abs. 3 S. 2), die nach deutschen Anknüpfungskriterien bestimmt wird (vgl Rn 396).
Ist im Beispielsfall (soeben Rn 405) der Mann US-Amerikaner, so besteht die engste Verbindung zu dem Bundesstaat, dessen State citizenship er besitzt, hilfsweise zum Bundesstaat seines gewöhnlichen bzw letzten gewöhnlichen Aufenthaltes.
III. Ausnahme: Bezeichnung der maßgeblichen Teilrechtsordnung durch deutsches IPR
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1. Eine Ausnahme in der Bestimmung der maßgeblichen Teilrechtsordnung greift ein, wenn das deutsche IPR die maßgebliche Teilrechtsordnung bezeichnet (Art. 4 Abs. 3 S. 1). Die Reichweite ist zweifelhaft, da das deutsche IPR – technisch betrachtet – immer eine fremde Rechtsordnung als ganze und nie eine Teilrechtsordnung bezeichnet. Gemeint sind Fälle, in denen die deutsche Kollisionsnorm ein Anknüpfungskriterium verwendet, das sich zugleich eignet, eine unter mehreren Teilrechtsordnungen auszuwählen.
Verweist Art. 11 Abs. 1 für die Form auf den Ort eines Vertragsschlusses und liegt dieser Ort in den USA, so kann mittels des Kriteriums „Ort“ eine der räumlich gespaltenen Teilrechtsordnungen ausgewählt werden – zB Vertragsschluss in Honolulu, Recht von Hawaii. Dagegen kann mit dem Kriterium „Ort“ in einer interpersonal gespaltenen Rechtsordnung keine Auswahl getroffen werden; es kommt also immer darauf an, ob die deutsche Anknüpfung mit der fremden Rechtsspaltung – zufällig – harmoniert.
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2. Unstreitig ist diese Methode der Unteranknüpfung anzuwenden, wenn das Kollisionsrecht gespalten ist oder wenn eine Sachnormverweisung in gespaltenes materielles Recht führt. Umstritten ist dagegen, ob diese Ausnahme auch eingreift, wenn in dem Mehrrechtsstaat ein einheitliches IPR gilt. Eine Ansicht bejaht das und bestimmt nach der Annahme der Verweisung durch das fremde IPR die maßgebliche Teilrechtsordnung