Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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auf das bei Vertragsschluss bestimmte Vertragsstatut vertrauen und deshalb nur im Einverständnis ein neues Vertragsstatut eintreten sollte.

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      Für familienrechtliche Rechtsverhältnisse bestimmt Art. 220 Abs. 2 eine Ausnahme: Ihre Wirkungen unterliegen vom Stichtag 1.9.1986 an dem neuen IPR.

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      Dagegen wird der nach früherem Recht erlangte familienrechtliche Status nicht von dem dadurch möglicherweise eintretenden Statutenwechsel berührt; Ehen und Kindschaftsverhältnisse bleiben – selbstverständlich – bestehen.

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      Für das Ehegüterrecht hat der Gesetzgeber in Art. 220 Abs. 3 eine sehr komplizierte Übergangsregelung geschaffen, die Vertrauensschutz gewähren soll, aber verfassungsrechtlich bedenklich ist (dazu unten Rn 802 ff).

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      1. Bis zum 2.10.1990 wendeten Gerichte der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zur DDR nicht die Bestimmungen des IPR an, da die DDR staatsrechtlich nicht Ausland war. Es wurden vielmehr aus den Grundsätzen des IPR entsprechende innerdeutsche Kollisionsregeln entwickelt, wobei an die Stelle der Staatsangehörigkeit der gewöhnliche Aufenthalt in einem der beiden deutschen Staaten trat.

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      2. Durch den Einigungsvertrag ist eine komplexe intertemporale Situation eingetreten; es wurde nahezu das gesamte Recht der Bundesrepublik – darunter auch das Zivilrecht – am 3.10.1990 im Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt. Eine Besonderheit dieses Vorgangs besteht darin, dass er nur aus Sicht des Beitrittsgebiets als intertemporale Frage anzusehen ist; aus Sicht des bisherigen Bundesgebiets liegt dagegen keinerlei Rechtsänderung vor. Art. 230 bis 236 bestimmen (mit zahlreichen späteren Änderungen, die vor allem die Sachen- und Schuldrechtsbereinigung betreffen) Übergangsregelungen, die den intertemporalen Vorgang aus Sicht der ehemaligen DDR/des Beitrittsgebietes behandeln, dabei aber nicht berücksichtigen, dass sich das EGBGB an alle deutschen Gerichte wendet, also auch an jene in den alten Bundesländern, für die vom 2.10. zum 3.10.1990 keine Rechtsänderung erfolgte.

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      3. Die inzwischen ganz herrschende Ansicht ordnet deshalb jeden Sachverhalt, der eine Übergangsfrage im „innerdeutschen“ Verhältnis betrifft, zunächst einem der beiden ehemaligen Teile zu. Nur wenn der Sachverhalt vor dem 2.10.1990 der DDR zugeordnet war, wird er als Übergangsfall nach Art. 230 ff behandelt. Maßstab für diese Zuordnung ist das vor dem 3.10.1990 angewendete innerdeutsche Kollisionsrecht (vgl Rn 428).

      Ist 1989 in Leipzig ein vietnamesischer Staatsangehöriger verstorben, der dort und in Düsseldorf je ein Bankguthaben hatte, so ist schon fraglich, welches IPR anzuwenden ist. Art. 236 § 1 behandelt den Übergang zum 3.10.1990 wortgleich mit dem für das Inkrafttreten des IPRG am 1.9.1986 geschaffenen Art. 220 Abs. 1. Das „bisherige IPR“ ist nur aus Sicht des Beitrittsgebietes ein anderes IPR als das „neue IPR“, weil dort bis 2.10.1990 das Rechtsanwendungsgesetz galt. Also muss zunächst festgestellt werden, ob es sich um einen „DDR-Altfall“ handelt. Zwar hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der DDR. Bis zum 2.10.1990 hätten bundesdeutsche Nachlassgerichte aber eine Zuständigkeit zur Erteilung eines Erbscheins nach § 2369 BGB für den Nachlass im Bundesgebiet gehabt und zur Bestimmung des Erbstatuts Art. 25 Abs. 1 (idF 1986) angewendet; daran soll sich nichts ändern, nur weil der Erbschein – zufällig – erst nach dem 3.10.1990 beantragt wird. Dasselbe gilt für den beweglichen Nachlass in der ehemaligen DDR; insoweit ist das dortige und nach Art. 236 § 1 intertemporal das bisherige IPR anzuwenden, also § 25 Abs. 1 RAG.

      Literatur:

      Dörner Das deutsche Interlokale Privatrecht nach dem Einigungsvertrag, FS W. Lorenz (1991) 321; Staudinger/Rauscher (2016) Art. 230 EGBGB Rn 45-89.

      Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 3 Verweisung › E. Statutenwechsel und Anknüpfungszeitpunkt

E. Statutenwechsel und Anknüpfungszeitpunkt

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      1. Als Statutenwechsel werden unterschiedliche Phänomene bezeichnet.

      Im engeren Sinn bedeutet er eine Veränderung der für das jeweilige Rechtsverhältnis maßgeblichen Rechtsordnung durch Änderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen bei gleichbleibenden Rechtsnormen.

      Nach Art. 14 Abs. 1 Nr 2 ist in einer gemischtnationalen Ehe Ehewirkungsstatut das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts. Leben die Ehegatten zunächst in Frankreich und ziehen dann gemeinsam nach Deutschland um, so ändert sich die anknüpfungsrelevante Tatsache ihres gewöhnlichen Aufenthalts. Damit ändert sich das für ihre Ehewirkungen maßgebliche Recht, ohne dass in irgendeiner Rechtsordnung eine Rechtsvorschrift geändert würde. Zuerst war französisches Recht anwendbar, nun ist es deutsches.

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      2. In einem weiteren Sinn wird aber auch der Wechsel des anwendbaren Rechts, der auf einer Rechtsänderung im eigenen oder ausländischen IPR beruht, als Statutenwechsel bezeichnet.

      Verschiedennationale Ehegatten leben seit ihrer Eheschließung (1960) in Deutschland. Bis 8.4.1983 haben sie ein englisches Ehegüterstatut, weil der Ehemann Brite mit letztem britischen gewöhnlichem Aufenthalt in London (Unteranknüpfung an die Teilrechtsordnung von England) ist (Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr 3), ab 9.4.1983 haben sie ein deutsches Ehegüterstatut nach Art. 220 Abs. 3 S. 2, 3 (vgl Rn 427). Grund des Statutenwechsels ist, dass das deutsche IPR bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen auf ein anderes Anknüpfungskriterium abstellt.

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      3. Gegen den Statutenwechsel abzugrenzen ist die materielle Rechtsänderung im maßgeblichen Recht.

      Ein deutsches Ehepaar lebt seit Eheschließung (1955) in Deutschland. Im Jahr 1957 tritt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in Kraft. Hier hat nicht die anzuwendende Rechtsordnung (das „Statut“) gewechselt, sondern der Inhalt dieser Rechtsordnung. Ob das neue Recht anwendbar ist, ist eine intertemporale Frage im materiellen Recht.

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