Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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1. Jede Verweisungsnorm enthält außer dem Anknüpfungskriterium auch eine Bestimmung über den Zeitpunkt, in dem dieses Anknüpfungskriterium mit den tatsächlichen Verhältnissen („anknüpfungsrelevante Tatsachen“) ausgefüllt wird.
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2. Ist der Zeitpunkt auf ein bestimmtes Ereignis festgelegt, so heißt die Anknüpfung unwandelbar. Vorherige und spätere Änderungen der anknüpfungsrelevanten Tatsachen haben keinen Einfluss auf das Statut.
Nach Art. 15 Abs. 1 unterliegen die güterrechtlichen Verhältnisse dem Recht, das im Zeitpunkt der Eheschließung für die allgemeinen Ehewirkungen (Verweisung auf Art. 14) maßgebend ist. Anknüpfungszeitpunkt ist der Moment der Eheschließung. Die relevanten Tatsachen sind die in Art. 14 genannten: Haben die Ehegatten bei Eheschließung keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und leben sie beide in Deutschland, so ist deutsches Recht Ehegüterstatut; dabei bleibt es – unwandelbar – auch wenn die Ehegatten beide Österreicher werden oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Polen verlegen.
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Unwandelbar sind auch Anknüpfungen, die zunächst nur latent vorhanden sind, sich aber in einem bestimmten Zeitpunkt konkretisieren und dann nicht mehr von einer Änderung der Verhältnisse betroffen sind.
Jeder Mensch hat theoretisch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens ein Erbstatut, das aber nur materielle Wirkungen hervorbringt, wenn es in einem Zeitpunkt aktualisiert wird. Das kann auch vor dem Tod sein (Art. 26 Abs. 5 S. 1 aF bzw. Art. 24 Abs. 1 EU-ErbVO), wenn er zu dieser Zeit letztwillig verfügt. Beerbt wird er jedoch nach dem Recht, das im Zeitpunkt seines Todes berufen ist (Art. 25 Abs. 1 aF bzw. Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO).
Jede Ehe hat theoretisch seit der Eheschließung ein Scheidungsstatut (würde Scheidungsantrag gestellt, müsste das Gericht eine maßgebliche Rechtsordnung bestimmen). Aktualisiert und nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 aF im selben Moment unwandelbar festgelegt wird das Scheidungsstatut jedoch im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags (§ 124 S. 1 FamFG: Einreichung der Antragsschrift). Gleiches gilt für Art. 8 Rom III-VO (Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts).
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3. Ist der Zeitpunkt dagegen nicht auf ein Ereignis festgelegt, so führt jede Änderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen zu einer Neubestimmung des Statuts. Diese Situation kann sich nur bei Dauerrechtsverhältnissen ergeben.
In derselben Ehe (Rn 436) ist das Statut der persönlichen Ehewirkungen wandelbar – und immer aktuell, denn Ehewirkungen treten dauernd ein (Art. 14 enthält keine Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt). Die Ehegatten haben also zunächst ein deutsches Ehewirkungsstatut. Der gemeinsame Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft[89] führt zu einem österreichischen Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 Nr 1), die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Polen ändert das Ehewirkungsstatut, wenn sie vor Erwerb der gemeinsamen Staatsangehörigkeit erfolgt; sie bleibt aber ohne Wirkung, wenn sie danach erfolgt, da bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit der gewöhnliche Aufenthalt nicht mehr Anknüpfungskriterium ist.
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4. Unwandelbare Anknüpfungen können nie per se zu einem Statutenwechsel im engeren Sinn führen, weil sie gegenüber der Änderung der Verhältnisse immun sind. Es ist allerdings ein Statutenwechsel aufgrund der Gesamtverweisung möglich, wenn das verwiesene fremde Recht wandelbar anknüpft.
Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit haben nach Eheschließung zunächst in New York gelebt. Art. 15 Abs. 1 knüpft ihr Ehegüterstatut unwandelbar an das Recht von New York (Unteranknüpfung!) an; dieses nimmt für bewegliches Vermögen die Verweisung an (domicile). Verlegen sie ihr domicile nach Texas, so verweist das IPR von New York weiter, denn es knüpft die ehegüterrechtlichen Wirkungen einer Ehe wandelbar an das jeweilige domicile an. Auch das IPR der Schweiz sieht bei Fehlen einer Rechtswahl ein wandelbares Ehegüterstatut vor (Art. 54 schweizIPRG), so dass eine Gesamtverweisung in schweizerisches IPR zur Anknüpfung an den aktuellen Wohnsitz führt.
III. Auswirkungen des Statutenwechsels
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1. Vor einem Statutenwechsel abgeschlossene Tatbestände werden durch das neue Statut nicht berührt. Insoweit wird – ähnlich dem Fall der materiellen Rechtsänderung – das Vertrauen geschützt.
Hat ein Ehegatte den anderen unter Geltung eines deutschen Ehewirkungsstatuts durch ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie (§ 1357 BGB) wirksam verpflichtet, so kann diese Verpflichtung nicht entfallen, wenn die Ehegatten ein anderes Ehewirkungsstatut erwerben.
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2. Noch nicht abgeschlossene Tatbestände werden in allen Tatbestandselementen von dem neuen Statut erfasst; das gilt gleichermaßen für Sachverhalte, die bereits unter dem alten Statut begonnen, aber nicht abgeschlossen wurden (sog „gestreckte“ Sachverhalte), als auch für gänzlich neu begonnene Sachverhalte.
Tatbestandselemente, die bereits unter Geltung des alten Statuts verwirklicht waren, müssen jedoch nicht wiederholt werden, wenn sie dem Tatbestand im neuen Statut genügen.
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3. Rechte, die unter dem alten Statut erworben wurden, bleiben erhalten. Ihr Inhalt bestimmt sich ab dem Zeitpunkt des Statutenwechsels nach dem neuen Statut. Das gilt auch für den Inhalt dinglicher Rechte an beweglichen Sachen; ein Statutenwechsel tritt ein, wenn die Sache in einen neuen Belegenheitsstaat verbracht wird. Auch der Inhalt des Namensrechts, insbesondere der Schutz des Namens sowie die Voraussetzungen, unter denen der Name geändert werden kann, beurteilen sich vom Zeitpunkt des Statutenwechsel nach dem neuen Namensstatut (Art. 10 Abs. 1: Heimatrecht des Namensträgers). Der Name selbst wird dagegen vom Statutenwechsel nicht berührt.
„Von K“ ist 1910 in Österreich geboren. 1919 wurde die Monarchie in Österreich gestürzt und alle Adelstitel abgeschafft; auch ihre Führung als Namensbestandteil wurde verboten. 1935, also noch vor dem „Anschluss“ Österreichs, verlässt K Österreich und wird in Deutschland auf seinen Antrag hin eingebürgert. Er bleibt auch nach dem 2. Weltkrieg Deutscher. Er meint, er heiße „von K“, da er Deutscher sei und in Deutschland zur selben Zeit zwar der Adel, nicht aber die aus dem Adel abgeleiteten Familiennamen abgeschafft wurden. Kʼs Namensstatut war von Geburt bis zu seiner Einbürgerung in Deutschland das österreichische Recht; sein Name wurde also 1919 von „von K“ in „K“ geändert. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 6, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG) liegt darin übrigens nicht, weil es damals am Inlandsbezug zu Deutschland fehlte. Bei Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wechselte Kʼs Namensstatut. Der frühere Verlust des „von“ ist davon aber nicht berührt, weil der Namensträger mit seinem bisherigen Namen in das neue Statut eintritt.[90]
Anmerkungen