Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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Hat ein Kind, für das die Abstammung zum Vater zu bestimmen ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bosnien und Herzegowina, so verweist Art. 19 Abs. 1 S. 1 auf bosnisch-herzegowinisches Recht. Beide Ansichten prüfen eine Rückverweisung am BuH-IPRG. Ist der Mann Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, so nimmt Art. 41 BuH-IPRG die Verweisung an. Die Gegenansicht würde jetzt die maßgebliche Teilrechtsordnung wieder nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 bestimmen, sofern das Kind in einer Teilrepublik seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, weil dies als Bezeichnung der maßgebenden Rechtsordnung verstanden wird. Fehlt ein gewöhnlicher Aufenthalt in Bosnien und Herzegowina, richtet sich die hM nach dem BuH-ILRG. Die hier vertretene Ansicht wendet hingegen nach Annahme der Verweisung nur noch das interne Recht des ausländischen Staates an, also das BuH-ILRG, das stufenweise auf den gemeinsamen Wohnsitz, die gemeinsame Republikzugehörigkeit oder Wohnsitz bzw Republikzugehörigkeit des Klägers abstellt (Art. 22 BuH-ILRG).
IV. Mehrrechtsstaaten im EuIPR
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1. Ist die Verweisung in Mehrrechtsstaaten durch Kollisionsnormen im EU-Recht eine Sachnormverweisung (Rn 391 ff), so interessiert gespaltenes IPR nicht. In Anwendung von Art. 34 EU-ErbVO muss dagegen bei Mehrrechtsstaaten, wie im deutschen IPR, ein maßgebliches IPR eines Teilgebiets des verwiesenen Staates ermittelt werden. Da es dem EuIPR an einer einheitlichen Kodifikation mit einem allgemeinen Teil des IPR mangelt, enthält jede einzelne Verordnung Bestimmungen zur Unteranknüpfung (Art. 22 Rom I-VO, Art. 25 Rom II-VO, Art. 14 ff Rom III-VO, Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 15 ff HUntStProt 2007; Art. 36, 37 EU-ErbVO; Art. 33, 34 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO).
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2. Bei interlokaler Spaltung wird jede Teil-Jurisdiktion wie ein eigenständiger Staat behandelt (Art. 22 Abs. 1 Rom I-VO, Art. 25 Abs. 1 Rom II-VO, Art. 14 Rom III-VO). Räumliche Bezugnahmen führen ohne weiteres in eine Teilrechtsordnung. Interlokales Recht der verwiesenen Rechtsordnung spielt keine Rolle. Anders verfahren Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 16 Abs. 2 HUntStProt 2007, Art. 36 Abs. 1 EU-ErbVO und Art. 33 Abs. 1 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO: Dort bestimmt primär das interlokale Recht des verwiesenen Staates; nur bei Ermangelung eines einheitlichen interlokalen Rechts weist räumliche Bezugnahme der Kollisionsnorm unmittelbar in eine Teilrechtsordnung.
Bezugnahmen einer Kollisionsnorm auf die Staatsangehörigkeit sind in Art. 14 lit. c Rom III-VO, Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 16 Abs. 1 lit. d, e HUntStProt 2007, Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 lit. b EU-ErbVO und Art. 33 Abs. 1 lit. b EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO behandelt: Sie werden über das interlokale Recht des verwiesenen Staates auf die Teilrechtsordnungen verteilt; fehlt eine interlokale Regelung, so ist die engste Verbindung maßgeblich. Soweit eine Rechtswahlbefugnis besteht (Rom III-VO und EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO), ist auch die unmittelbare Wahl einer Teilrechtsordnung zuzulassen.
Haben deutsche Ehegatten, die in London leben, als Scheidungsstatut „das Recht des Vereinigten Königreichs“ vereinbart (wählbar nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III-VO) und leben sie bei Antragstellung in Deutschland, so wird mangels interlokaler Regelungen im Recht des UK auf die engste Verbindung abgestellt, die hier zum englischen Recht besteht. Besser beraten hätten sie sogleich englisches Recht wählen können.
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3. Mit interpersonaler Spaltung befassen sich Art. 15 Rom III-VO, Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 17 HUntStProt 2007, Art. 37 EU-ErbVO und Art. 34 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO: Nach allen Normen bestimmt vorrangig das interne Kollisionsrecht der verwiesenen Rechtsordnung; bei Fehlen entscheidet jeweils die engste Verbindung. In Art. 17 HUntStProt 2007 ist dies nicht ausdrücklich bestimmt, sollte aber im Wege einer Gesamtanalogie ebenso gehandhabt werden. Bei interpersonaler Spaltung kann die jeweils auf Rechtsordnungen bestimmter Staaten eingeschränkte Rechtswahlbefugnis nicht auf eine interpersonale Rechtsordnung bezogen werden.
Haben ägyptische Ehegatten, der Ehemann sunnitischer Muslim, die Ehefrau koptische Christin, ägyptisches Recht als Scheidungsstatut gewählt (zulässig nach Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO; beachte: die Rom III-VO ist loi uniforme gemäß Art. 4 Rom III-VO, ein Bezug zu einem anderen teilnehmenden Mitgliedstaat also nicht erforderlich), so ist die Ehe gemäß dem internen ägyptischen Kollisionsrecht nach sunnitisch-islamischem Recht zu scheiden. Den Ehegatten ist es nach Art. 15 Rom III-VO nicht möglich, eine andere interne Rechtsordnung Ägyptens zu wählen.
Ein wenig sonderbar mutet folgender Fall an: Leben zwei deutsche Ehegatten in Ägypten, wählen ägyptisches Recht als Scheidungsstatut (wirksam nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III-VO) und konvertiert der Ehemann zum sunnitischen Islam, so gilt für die Bestimmung des Scheidungsstatuts vor einem deutschen Gericht wiederum Art. 15 Rom III-VO. Zwar beurteilt das interne ägyptische Kollisionsrecht religiöse Mischehen nach der Religion des Mannes, was vor ägyptischen Gerichten aber nur relevant wird, wenn das ägyptische IPR das ägyptische Recht beruft. Die beiden Deutschen würden somit ohnehin in Ägypten nach deutschem Heimatrecht des Ehemannes (Art. 13 Abs. 1 ägyptZGB[81]) geschieden werden. Da Art. 5 Rom III-VO jedoch keine Gesamtverweisung ausspricht, bleibt diese Sicht ägyptischer Gerichte irrelevant; das deutsche Familiengericht muss eine interpersonale Anknüpfung für die Ehescheidung verschiedenreligiöser Deutscher im ägyptischen Recht suchen. Ob die dann naheliegende Übernahme der Anknüpfung an die Religion des Mannes ordre public-widrig ist, erscheint angesichts der einvernehmlichen Unterstellung unter ägyptisches Scheidungsrecht fraglich.
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4. Da EuIPR nicht auf die inneren Verhältnisse eines Mitgliedstaates regelnd zugreifen kann, ist kein Mitgliedstaat mit mehreren Rechtsordnungen verpflichtet, seine internen Rechtskollisionen nach den Bestimmungen der jeweiligen EG-/EU-Verordnung zu beurteilen (Art. 22 Abs. 2 Rom I-VO, Art. 25 Abs. 2 Rom II-VO, Art. 16 Rom III-VO, Art. 38 EU-ErbVO, Art. 35 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO). Im Erb- und Ehegüterrecht betrifft dies mangels Teilnahme des UK insbesondere Spanien und seine Foralrechte (leyes forales).[82]
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 3 Verweisung › D. Intertemporale Kollisionen
I. Methoden der Anknüpfung
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1. Intertemporale Kollisionen (Rn 16 ff) können an jeder Stelle der Verweisung auftreten. Die Ablösung von altem durch neues Recht kann im deutschen und im ausländischen IPR sowie in der schließlich anwendbaren materiellen Rechtsordnung zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Beginn des Sachverhalts, betrachtet als natürlicher Lebensvorgang, erfolgt sein.
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2. Für die intertemporale Frage (ist altes oder neues Recht anzuwenden?) kommt Art. 4 Abs. 3 nicht unmittelbar zur Anwendung, da mit „Teilrechtsordnung“