Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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Vorrang des Einzelstatuts

A. Vorrang des Einzelstatuts

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      1. Ist aus Sicht des deutschen Kollisionsrechts, eventuell nach Beachtung eines renvoi, auf eine Sachfrage eine bestimmte lex causae anwendbar, so interessiert es grundsätzlich nicht, wenn andere Rechtsordnungen anders anknüpfen oder bestimmte Rechtsnormen für zwingend anwendbar halten. Von diesem Grundsatz weicht Art. 3a Abs. 2 ab, wenn das Recht des Staates, in dem sich eine Sache befindet, diese Sache besonderen Vorschriften unterstellt. Art. 3a Abs. 2 gilt nur noch gegenüber Kollisionsnormen des im deutschen IPR geregelten Internationalen Familienrechts („Verweisungen im Dritten Abschnitt“). Bis zum 16.8.2015 galt Art. 3a Abs. 2 aF auch im Verhältnis zum Erbstatut. Dagegen gilt Art. 3a Abs. 2 nicht mehr im Verhältnis zu Erbfällen, die seit dem 17.8.2015 eintreten und daher der EU-ErbVO unterliegen; insoweit gilt der ähnlich strukturierte Art. 30 EU-ErbVO.

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      2. Hintergrund dieser schon im Jahre 1900 im EGBGB enthaltenen Regelung (Art. 28 aF; Art. 3 Abs. 3 idF von 1986) sind Spannungen zwischen dem Belegenheitsrecht und dem sog Gesamtstatut: Das IPR unterstellt die Verhältnisse von Personen in einzelnen Sachfragen (Beerbung, Ehewirkungsrecht, Ehegüterrecht) jeweils einem einheitlichen Statut, das für das gesamte von der Sachfrage erfasste Vermögen, unbeschadet des Lageortes, eingreift, dem Gesamtstatut. Jede der hiervon berührten Sachen hat aber unter sachenrechtlichem Blickwinkel auch ein eigenes Sachenrechtsstatut, das Einzelstatut, welches sich international anerkannt nach der lex rei sitae bestimmt. Wo sich dieses Einzelstatut gegen ein Gesamtstatut durchsetzen will, weicht das deutsche IPR zurück; es erscheint nicht sinnvoll, praktische Durchsetzungskonflikte gegenüber dem Belegenheitsstaat zu provozieren.

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      Art. 3a Abs. 2 gibt in zwei Fällen dem Einzelstatut Vorrang vor dem Gesamtstatut:

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      Nicht genügend ist es dagegen, wenn eine Rechtsordnung den Übergang des Eigentums an einem Grundstück von einer Genehmigung abhängig macht, jedoch nicht in die Bestimmung der Person des Berechtigten eingreift.

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      2. Erheblich größere Bedeutung hat die Anwendung auf kollisionsrechtliche Sondervorschriften. Insoweit beruht die Anwendbarkeit über den Wortlaut hinaus auf einer ganz herrschenden Rechtsprechung. Unterstellt die Rechtsordnung des Belegenheitsstaates eine Sache, meist eine Immobilie, besonderen, vom Gesamtstatut abweichenden Kollisionsregeln, so ist das zu beachten. Das gilt gerade auch dann, wenn unser IPR nicht im Wege der Gesamtverweisung auf jenes IPR verweist. Voraussetzung ist nicht, dass diese abweichende Behandlung auf hoheitlichen Erwägungen beruht.

      So zB im Fall des früheren § 25 Abs. 2 DDR-RAG: § 25 Abs. 1 DDR-RAG unterstellte die Beerbung – wie Art. 25 Abs. 1 – dem letzten Heimatrecht des Erblassers; § 25 Abs. 2 DDR-RAG erklärte für Grundstücke, die in der DDR belegen waren, das Recht der DDR für anwendbar.

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      Auch die schlichte kollisionsrechtliche Spaltung des Gesamtstatuts ist nach hM von Art. 3a Abs. 2 erfasst, sofern ein Nachlassteil dem Belegenheitsrecht unterstellt wird. Das Gegenargument, vor einer bloß kollisionsrechtlich gespaltenen Anknüpfung, die gar kein Sondervermögen schaffe, müsse das Gesamtstatut nicht zurückweichen, ist nicht unplausibel. Jedenfalls greift Art. 3a Abs. 2 nicht ein, wenn das fremde Kollisionsrecht das Gesamtstatut insgesamt anders anknüpft. Auch wenn das Phänomen hauptsächlich im Konflikt zu einem deutschen Gesamtstatut bekannt ist, ist Art. 3a Abs. 2 EGBGB auch anzuwenden, wenn sich ein Belegenheitsrecht gegen ein ausländisches Gesamtstaut durchsetzt.

      Besaß ein 2014 verstorbener deutscher Erblasser eine Eigentumswohnung in Florida, so ist Erbstatut zwar deutsches Recht (Art. 25 Abs. 1 aF); da aber das Kollisionsrecht von Florida die Beerbung in Immobilien nach der lex rei sitae behandelt und die Immobilie sich in Florida befindet, ist insoweit das deutsche Recht als Erbstatut verdrängt und es findet das Erbrecht von Florida Anwendung. Deutlich wird hier auch der Unterschied zu einer Anwendung des fremden Kollisionsrechts innerhalb des renvoi: Die lex rei sitae-Anknüpfung setzt sich im Rahmen des Art. 3a Abs. 2 natürlich nur für Grundstücke durch, die im jeweiligen Staat belegen sind. Bei einer Verweisung für die Beerbung eines US-Amerikaners mit Unteranknüpfung nach Florida käme es hingegen auch für Grundstücke zB in Italien zu einer lex rei sitae-Weiterverweisung.

      Ist der Erblasser seit dem 17.8.2015 verstorben, so ist weiterhin deutsches Recht Erbstatut, wenn er in Deutschland gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder sein Heimatrecht gewählt hatte (Art. 21, 22 EU-ErbVO). Fraglich ist, ob auch Art. 30 EU-ErbVO zur Anwendung floridianischen Rechts auf die dortige Immobilie führt. Während Art. 3a Abs. 2 –praxistauglich – den schlichten Durchsetzungswillen des Belegenheitsstaates genügen lässt, verlangt Art. 30 eine Sonderbehandlung aus „wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Erwägungen“, was bei präziser Anwendung legislatorische Motivsuche im fremden Recht erfordert und bei der im Common Law traditionellen Kollisionsnorm, die auf einem sachenrechtlichen Vorverständnis des Eigentumsübergang an Immobilien beruht, nicht leicht begründbar erscheint. Hingegen sind Höfeordnungen, aber auch gezielte kollisionsrechtliche Restriktivnormen wie § 25 Abs. 2 RAG aF erkennbar wirtschaftlich motiviert.

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      In der Praxis erfordert Art. 3a Abs. 2 vor allem bei im Ausland belegenen Grundstücken erhebliche Vorsicht. Anders als im Fall der Gesamtverweisung wird ein deutsches Gericht nicht zwangsläufig zur Anwendbarkeit des fremden IPR im betreffenden Fall geleitet. Hier kann in einem vermeintlich rein deutschrechtlichen Güterrechtsfall (Art. 3a Abs. 2) oder Erbfalls (Art. 30 EU-ErbVO) die Zusammensetzung des Vermögens das anwendbare Recht bestimmen. In Erbscheinsverfahren, wo der Bestand des Nachlasses nicht Entscheidungsgegenstand ist und dem Gericht nur aus dem eingereichten Nachlassverzeichnis bekannt wird, bedarf es einer besonderen Aufmerksamkeit, zumal seit in Inkrafttreten des FamFG nicht nur Eigenrechtserbscheine mangels eines Antrags nach § 352c FamFG nicht gegenständlich auf das Inland begrenzt sind (Rn 2310).

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      Nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages stellte sich bei zahlreichen Erbscheinen, die (bundes-)deutsche Nachlassgerichte als Eigenrechtserbscheine (also unbeschränkt, § 2369 aF BGB) in Anwendung des BGB-Erbrechts

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