Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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Für den häufigen Fall des hinkenden Kindschaftsverhältnisses aufgrund einer nicht in allen beteiligten Staaten als wirksam angesehenen Anerkennung oder Abstammungsvermutung erlaubt Art. 20 S. 2 sogar ausdrücklich die Anfechtung des Kindschaftsverhältnisses nach dem Aufenthaltsrecht des Kindes, ohne dass die Abstammung nach dem Aufenthaltsrecht bestehen muss. Dem Aufenthaltsrecht als dem grundsätzlich für die Bestimmung der Abstammung berufenen Recht wird also im Interesse der Statuswahrheit angesonnen, ein Statusverhältnis zu beseitigen, das aus der Sicht dieses Rechts nicht besteht.
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4. Wenn das Statusverhältnis aus deutscher Sicht unwirksam ist, stellt sich die Frage des Vertrauensschutzes.
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a) Selbständige Anknüpfung eines solchen vorgreiflichen Rechtsverhältnisses bedeutet, den Beteiligten Ansprüche aus der – nicht anerkannten – Rechtsbeziehung zu versagen.
Hat in den Nachkriegsjahren eine deutsche Staatsangehörige vor einem befugten Vertreter der Besatzungsbehörden eines westalliierten Staates in Deutschland einen Angehörigen dieses Staates geheiratet und haben die Ehegatten Jahrzehnte in jenem Staat als Ehegatten gelebt, so erscheint die Versagung einer Witwenrente durch deutsche Behörden mit der Begründung, die Ehe sei Inlandsehe und daher nicht wirksam geschlossen (Art. 13 Abs. 3 S. 2 bzw die Vorgängernorm § 13a EheG macht eine Ausnahme nur dann, wenn beide Verlobte dem Staat angehören, der die dort genannte Person zur Eheschließung ermächtigt hat), unbillig.
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b) In solchen Fällen wird häufig versucht, durch eine unselbständige Anknüpfung das unwirksame Rechtsverhältnis zumindest in Ansehung bestimmter Rechtsfolgen zu heilen. Diese Methode der Lösung erscheint jedoch nicht richtig, weil sie keine Maßstäbe bereitstellt, welche schutzwürdiges Vertrauen in ein hinkendes Rechtsverhältnis gegen nicht schutzwürdiges Vertrauen abgrenzen; immerhin dürfte bei nahezu jedem hinkenden Statusverhältnis ein Beteiligter mit guten Gründen an dessen Wirksamkeit geglaubt haben, weil er sich die Sicht einer anderen Rechtsordnung zu eigen gemacht hat. Dann aber müsste konsequenterweise jedes berechtigte Vertrauen in ein (nur) aus deutscher Sicht hinkendes Statusverhältnis geschützt werden, was einen Rückzug des deutschen IPR aus der Beurteilung von Statusverhältnissen bedeuten würde.
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c) In Wirklichkeit handelt es sich um ein verfassungsrechtliches Problem. Ein aus bürgerlich-rechtlicher Sicht (also aus Sicht des vom deutschen IPR berufenen Zivilrechts) unwirksames Statusverhältnis kann aus verfassungsrechtlicher Sicht Schutz, insbesondere als Familie oder Ehe iSd Art. 6 Abs. 1 GG, verdienen, wenn es nach einer ausländischen Rechtsordnung, in der die Beteiligten lange Zeit gelebt haben, als wirksam angesehen wird. Hat sich ein solches hinkendes Rechtsverhältnis so weit verdichtet, dass es Grundrechtsschutz genießt, darf das Bürgerliche Recht ihm die – ggf partielle – Anerkennung nicht versagen.[8] Ist deutsches Recht berufen, so muss eine materiell-rechtliche Heilungsvorschrift bereitgestellt werden; ist ein ausländisches Recht berufen, dem man eine solche Heilung nicht entnehmen kann, so verstößt ein solches Ergebnis ggf gegen den deutschen ordre public. Einen speziellen Fall der Heilung regelte das AHK-Gesetz Nr 23, das für zwischen dem 8.5.1945 und dem 1.8.1948 in Deutschland vor einem Geistlichen geschlossene Ehen Heilung durch nachträgliche Eintragung vorsah.[9]
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 5 Erstfrage, Vorfrage und Substitution › C. Substitution
I. Problemstellung
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1. Substitution bedeutet die Ersetzung eines Rechtsinstituts der lex causae durch ein funktionell gleichwertiges Rechtsinstitut einer anderen Rechtsordnung. Meistens stellt sich die Frage aus deutscher Sicht, wenn ein Rechtsinstitut des deutschen Rechts im Tatbestand einer Norm der deutschen lex causae auftritt, dieses Tatbestandsmerkmal aber im Ausland – in Anwendung einer fremden Rechtsordnung – verwirklicht worden sein soll.
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Im Zusammenhang mit der Vorfragenanknüpfung wurde angemerkt, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Adoption eine Adoption voraussetzt, die einer Adoption deutschen Rechts funktionsgleich ist (oben Rn 506). Wurde ein ausländisches Kind durch einen Deutschen nach Bestimmungen einer ausländischen Rechtsordnung mit schwächeren Adoptionswirkungen adoptiert, so genügt die Anerkennung dieser Adoption (auf verfahrensrechtlichem Weg nach §§ 108, 109 FamFG) nicht, um dem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen. Die Ersetzung der deutschen Adoption im Tatbestand des § 6 StAG erfordert also zum einen, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht überhaupt bereit ist, eine ausländische Adoption als Ersatz für eine deutsche zu akzeptieren; in einem zweiten Schritt ist dann zu klären, wie nahe die ausländische Adoption dazu der deutschen kommen muss.
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2. Substitution unterscheidet sich von der Anknüpfung einer Vorfrage: Vorfragenanknüpfung unterstellt die Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals (zB wirksam geschlossene Ehe) einer bestimmten, ggf auch ausländischen Rechtsordnung. Substitution setzt dagegen voraus, dass die deutsche Bestimmung mit der Bezeichnung eines Rechtsinstituts inzident dessen Bedeutung und Inhalte nach deutschem Recht verbindet; sie überlässt die Ausfüllung gerade nicht einer anderen Rechtsordnung, sondern ermittelt nur, ob sich das deutsche Recht auch mit einem aus einem fremden materiellen Recht kommenden Ersatz zufrieden gibt.
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Haben die Deutschen M und F in Las Vegas, Nevada, die Ehe geschlossen und stirbt M später, so ist die Frage einer wirksamen Eheschließung (nur) Vorfrage in Anwendung des Ehegattenerbrechts in § 1931 BGB; eine Substitutionsfrage stellen wir nur deshalb nicht, weil wir unterstellen, dass eine „Ehe“ ein rechtsvergleichend austauschbares Rechtsinstitut ist.
Sind die Iraner M und F in Teheran eine Ehe auf Zeit nach shiʼitischem Recht (mut’a) eingegangen und stirbt M als Staatenloser in Deutschland (bis zum 16.8.2015: mit deutschem Personalstatut als Erbstatut, Art. 25 Abs.1 iVm Art. 5 Abs. 2 aF; seit 17.8.2015: mit deutschem gewöhnlichem Aufenthalt als Erbstatut, Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO) während dieser Ehe, so stellt sich die Substitutionsfrage, ob das Rechtsinstitut der mut’a als „Ehe“ iSd von § 1931 BGB vorausgesetzten deutschen Begriffsverständnisses angesehen werden kann.
II. Voraussetzungen der Substituierbarkeit