Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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dem 17.8.2015 verstorbene Erblasser sein Heimatrecht gewählt (Art. 22 EU-ErbVO), so ist deutsches Recht anzuwenden; § 1931 BGB regelt das gesetzliche Erbrecht des „überlebenden Ehegatten“. Das Bestehen einer Ehe ist ein präjudizielles Rechtsverhältnis im Tatbestand des § 1931 Abs. 1 BGB.

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      Eine Vorfrage im Tatbestand einer deutschen Kollisionsnorm wird oft als Erstfrage oder kollisionsrechtliche Vorfrage bezeichnet. Wichtiger als diese Nomenklatur ist die strukturelle Besonderheit der Erstfragen. In einer logisch aufgebauten Abfolge der Fallprüfung ist in dem Zeitpunkt, da sich die Erstfrage stellt, eine lex causae noch nicht gefunden. Damit kann für die Beantwortung der Erstfrage immer nur vom eigenen Recht ausgegangen werden, wobei sich allerdings die Alternative zwischen dem materiellen Recht der lex fori (man wendet das BGB an) und dem IPR der lex fori (man wendet das vom EGBGB für die Materie der Erstfrage berufene Recht an) stellt; richtig dürfte es sein, vom IPR auszugehen.

      Art. 21 handelt von dem Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern. Die Frage, ob zwischen drei Personen K, V und M eine Beziehung von einem „Kind“ und seinen „Eltern“ existiert, berührt ein präjudizielles Rechtsverhältnis, also eine Erstfrage; erforderlich ist, dass K von M und V im Rechtssinne abstammt, worüber das gemäß Art. 19 bestimmte Abstammungsstatut entscheidet. Falsch wäre es, „Kind“ in Art. 21 in einem natürlich-biologischen Sinn als reine Tatsache aufzufassen.

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      1. Vorfragen im Tatbestand einer materiellen deutschen Norm (deutsches Recht ist lex causae) lassen in gleicher Weise nur die Alternative zwischen der Ausfüllung der Vorfrage nach deutschem Recht und der Anwendung des deutschen IPR. In diesem Fall ist noch nicht einmal potentiell eine fremde Rechtsordnung beteiligt, da die Hauptfrage ja vom deutschen Recht bestimmt wird.

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      2. Vorfragen im Tatbestand einer ausländischen Rechtsnorm treten seltener im IPR, häufig aber im materiellen Recht auf. Da die Verweisung einen Lebenssachverhalt nur deshalb der fremden lex causae übergibt, weil er als einem bestimmten Statut zugehörig qualifiziert ist und dieses Statut den bestimmten Systembegriff beherrscht, kann nicht ohne weiteres jede präjudizielle Frage auch nach dieser Rechtsordnung beantwortet werden. Vor allem käme es zu merkwürdigen Ergebnissen, wenn ein in vielen Konstellationen vorgreifliches Rechtsverhältnis immer nach dem Statut der jeweiligen Hauptfrage – mit wechselnden Ergebnissen im selben Fall – beantwortet würde.

      Das Bestehen einer Ehe ist vorgreiflich für das Ehewirkungs-, das Ehegüter-, das Unterhalts- und das Erbstatut. Ist zB die materielle Wirksamkeit der Ehe fraglich, so besteht die Gefahr, dass deutsche Gerichte für güterrechtliche Ansprüche von einer wirksamen Ehe, für das Erbrecht aber von einer Nichtehe ausgehen.

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      Gelegentlich wird gegen die Vorfrage und Erstfrage die sog Teilfrage abgegrenzt. Die Figur der Teilfrage bezieht sich auf die Anknüpfung im deutschen IPR, dort aber nicht auf präjudizielle Fragen. Gemeint sind solche Elemente des einheitlichen Lebenssachverhalts, die im IPR aus der Hauptfrage herausgelöst und einem eigenen Statut unterstellt werden. Anders als bei der Vorfrage oder Erstfrage hängt hier die Anknüpfung der Hauptfrage nicht von der Beantwortung der abgespaltenen Teilfrage ab.

      Hat ein Deutscher ein Testament in den USA errichtet, später die brasilianische Staatsangehörigkeit erworben und verstirbt mit Wohnsitz in Brasilien, so beurteilt sich die Beerbung (Hauptfrage) nach brasilianischem Recht. Die Formwirksamkeit des Testaments (Teilfrage) bestimmt sich aber nach dem Haager Testamentsformübereinkommen (alternative Anknüpfungen) und die Testierfähigkeit (Teilfrage) nach dem Erbstatut im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (Art. 26 Abs. 5 S. 1 aF/Art. 24 Abs. 1 EU-ErbVO).

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      Teilfragen können rechtspolitisch problematisch werden, wenn das IPR einen Lebenssachverhalt so zersplittert, dass die Ergebnisse der verschiedenen Teilstatute zueinander inkompatibel sind.

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      Nicht mit einer Vorfrage zu verwechseln ist die Folgerung aus einer Vorfrage, die in einer ausländischen lex causae ggf in anderer Weise gezogen wird als im deutschen Recht. Theoretisch liegt der Unterschied zur Vorfrage auf der Hand: Die Folgerung aus einer bestimmten Beantwortung der Vorfrage steht auf der Rechtsfolgenseite der ausländischen Bestimmung. Die Vorfrage gehört zum Tatbestand, ist für diesen präjudiziell. In der praktischen Fallbehandlung sind diese Bereiche schwer abzugrenzen, wenn die ausländische Rechtsordnung einen rechtlich relevanten Vorgang nicht oder nicht mit denselben Folgen anerkennt, wie das deutsche Recht.

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      Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 5 Erstfrage, Vorfrage und Substitution › B. Anknüpfung

B. Anknüpfung

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      1. Die einfachste Lösung bestünde darin, die Vorfrage ohne Einschaltung eines IPR nach deutschem Recht zu beantworten. Diese Methode hat den offenkundigen Nachteil, dass die Erst- oder Vorfrage nach einer Rechtsordnung behandelt würde, die über diese Frage nicht zu befinden hätte, wenn sie sich isoliert als Hauptfrage stellt. Da anlässlich der Beurteilung als Hauptfrage immer das IPR vorzuschalten ist – das deutsche IPR, wenn man die Frage aus deutscher Sicht, ein ausländisches IPR, wenn man sie aus der Sicht dieser Rechtsordnung behandelt – erscheint die Beantwortung lege fori systematisch falsch.

      505

      

      2. Dennoch ist in Ausnahmefällen eine andere Lösung nicht praktikabel. Diese Methode muss immer dann in Betracht gezogen werden, wenn ansonsten die Ermittlung der maßgeblichen Rechtsordnung in einen logischen Zirkel gerät, insbesondere wenn ein Anknüpfungsmerkmal

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