Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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      Das in vielen interreligiös gespaltenen Rechtsordnungen auf Muslime anwendbare islamische Recht kennt den mahr (Morgengabe), der bei Eheschließung vertraglich vereinbart wird. Wird eine in einem solchen Rechtskreis geschlossene Ehe geschieden und vor einem deutschen Gericht Verurteilung zur Zahlung des damals vereinbarten mahr begehrt, so muss eine Anknüpfung für dieses dem deutschen Recht unbekannte Rechtsinstitut gefunden werden.

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      2. Auch für diese Frage kommt eine Qualifikation aus Sicht des deutschen Rechts oder der anderen betroffenen Rechtsordnung in Betracht. Sie unterscheidet sich von der dritten Frage insoweit, als der Sachverhalt – rein tatsächlich – bereits von Anfang an mit einer Rechtsordnung verbunden war, die sich die Beteiligten, gleichviel ob seinerzeit kollisionsrechtlich korrekt oder in laienhafter Anknüpfung, zum Vorbild genommen haben.

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      1. Das fünfte Qualifikationsproblem tritt auf, wenn das deutsche IPR eine Rechtsfrage oder einen Lebenssachverhalt anders qualifiziert als das verwiesene IPR: Aufgrund der eigenen Qualifikation wird die Rechtsfrage als einem bestimmten Systembegriff zugehörig behandelt; die dafür vorgesehene Verweisung führt als Gesamtverweisung in das Recht eines Staates, aus dessen Sicht das zu entscheidende Problem einem anderen Systembegriff angehört. Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn das deutsche IPR ausnahmsweise eine unselbständige Anknüpfung einer Vorfrage in einer ausländischen Norm vorsieht, weil auch in diesem Fall dem ausländischen Recht und seinem IPR die Anknüpfung übergeben wird.

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      Eine Italienerin heiratet in Deutschland einen Deutschen; für die Frage, wie die Ehefrau nach Eheschließung heißt, verweist Art. 10 Abs. 1 in ihr italienisches Heimatrecht. Das italienische IPRG behandelt den Namenserwerb durch Eheschließung jedoch nicht als Frage des Namensstatuts, sondern als Frage des Ehewirkungsstatuts (Art. 24 Abs. 1 Hs. 2 italIPRG). Wendet der deutsche Standesbeamte die italienische namenskollisionsrechtliche Norm an oder bestimmt er das Ehewirkungsstatut – aus deutscher oder aus italienischer Sicht?

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      Schadensersatzansprüche wegen Verlöbnisbruch werden im deutschen IPR familienrechtlich analog Art. 13 Abs. 1 qualifiziert, wobei strittig ist, welche der beiden von Art. 13 Abs. 1 berufenen Rechtsordnungen bei Verlobten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit entscheidet. Das französische Recht ordnet Verlöbnisbruchansprüche deliktisch ein, knüpft also an den Ort der Deliktsbegehung an.

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      2. Die Antwort auf diese Qualifikationsfrage liegt aus ähnlichen Gründen wie jene auf die erste Frage (oben Rn 445) geradezu auf der Hand und ist unstrittig: Durch die Gesamtverweisung hat das deutsche IPR die Frage an das fremde IPR übergeben; Ziel der Gesamtverweisung ist die Entscheidungsharmonie, die nur dadurch erreichbar ist, dass die Kollisionsnorm Anwendung findet, die nach dem fremden Recht anwendbar ist.

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      Der deutsche Standesbeamte folgt also bei der Bestimmung des Namensstatuts der italienischen Qualifikation und bestimmt das – aus italienischer Sicht – maßgebliche Ehewirkungsstatut.

      Eine Rück- oder Weiterverweisung des französischen Deliktskollisionsrechts ist für die Verlöbnisansprüche beachtlich; das kann freilich sodann zu einem Problem des dritten Typs führen, wenn die letztlich anwendbare Rechtsordnung keine deliktischen, aber familienrechtliche Ansprüche bereithält.

      Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 4 Qualifikation › B. Methoden der Qualifikation

B. Methoden der Qualifikation

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      2. Der Rechtsvergleichung kommt jedoch eine wichtige Aufgabe bei der Qualifikation zu, die aber nicht in der Schaffung eines übernationalen Systems besteht, sondern in der Ermittlung der Funktion einer ausländischen oder deutschen Bestimmung, die in dem angewendeten System nicht ohne weiteres randscharf einem bestimmten Systembegriff unterfällt (funktionelle Qualifikation, dazu Rn 473 ff).

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      3. Zur Lösung der Qualifikationsfragen durch Rückgriff auf eine nationale Rechtsordnung werden verschiedene Methoden erörtert, die sich grundsätzlich unterscheiden lassen in Qualifikation nach eigenem Recht (autonome Qualifikation) und nach ausländischem Recht (heteronome Qualifikation).

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