Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Stefan Storr

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Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr Schwerpunkte Klausurenkurs

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der Leitung des Betriebs beauftragte Personen nach § 35 Abs. 7a GewO vorzugehen – dazu sogleich unter C.I (Rn 147).

      B. Formelle Rechtmäßigkeit

      I. Zuständigkeit

      144

      Für eine auf § 35 Abs. 7a GewO gestützte Untersagung ergibt sich die sachliche Zuständigkeit der Stadtverwaltung von S aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZuVO RP Gewerberecht. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 35 Abs. 7 S. 1 GewO als Bezirk des Sitzes der Zweigniederlassung.

      II. Verfahren

      145

      B ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG angehört worden. Allerdings soll bei einer Untersagung nach § 35 Abs. 1 GewO zusätzlich die IHK gemäß § 35 Abs. 4 GewO angehört werden. Wie aus § 35 Abs. 4 S. 3 GewO folgt, ist von einer Anhörungspflicht auszugehen, wenn – wie hier – für eine Gefahr im Verzuge keine Anhaltspunkte bestehen. § 35 Abs. 4 GewO kommt bei einer Untersagung gegenüber dem Betriebsleiter nach § 35 Abs. 7a S. 3 GewO ebenfalls zur Anwendung. Nach dem beredten Schweigen des Sachverhalts ist eine Anhörung offensichtlich unterblieben.

      Ein Verstoß gegen das Beteiligungsgebot ist indessen nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens heilbar. Die Stadtverwaltung könnte insbesondere im Widerspruchsverfahren die Anhörung der IHK nachholen.

      Exkurs:

      Geht es um die Nachholung der Anhörung des Verwaltungsaktadressaten selbst, so lässt es die Judikatur für die Heilung eines Anhörungsfehlers genügen, dass der Betroffene im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hat[77]. Nach richtiger Ansicht muss der Betroffene aber darauf hingewiesen werden, dass das Widerspruchsverfahren der Heilung des Mangels dient[78]. Umstritten ist, ob die Nachholung der Anhörung bei Ermessensentscheidungen der Widerspruchsbehörde anvertraut werden kann oder ob dies durch die Ausgangsbehörde geschehen muss[79].

      III. Form

      146

      Formverstöße sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt eine Begründung für die Untersagung gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG vor.

      C. Materielle Rechtmäßigkeit

      I. Einleitung eines Verfahrens gegen die MS Ltd

      147

      Nach § 35 Abs. 7a S. 2 GewO kann das Verfahren gegen den Betriebsleiter unabhängig vom Hauptverfahren gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Hieraus folgt, dass vor oder spätestens zeitgleich mit dem Verfahren nach § 35 Abs. 7a GewO ein Untersagungsverfahren gegen den Gewerbetreibenden nach § 35 Abs. 1 GewO eingeleitet werden muss[80]. Dies ist hier geschehen. Fraglich ist, ob das Verfahren nach § 35 Abs. 7a GewO darüber hinaus den – erfolgreichen – Abschluss des Verfahrens gegen die MS Ltd. voraussetzt. Dies wird teilweise angenommen und auf die Verwendung des Worts „auch“ in § 35 Abs. 7a S. 1 GewO gestützt[81]. Allerdings wird durch den Wortlaut des § 35 Abs. 7a S. 2 GewO anerkannt, dass die Verfahren gegen den Gewerbetreibenden und gegen den Betriebsleiter oder Vertretungsberechtigten einen völlig unterschiedlichen Verlauf nehmen können. Es soll gerade auch ermöglicht werden, gezielt gegen den eigentlichen Problemverursacher vorzugehen. Es reicht deshalb aus, dass ein Verfahren gegen den Gewerbetreibenden eingeleitet wurde[82]. Im Ergebnis besteht also nur eine eingeschränkte Akzessorietät der Verfahren hinsichtlich der Adressaten.

      Hinweis:

      Diese Anforderung kann auch als Frage der formellen Rechtmäßigkeit erörtert werden[83].

      II. B als mit der Leitung des Betriebs beauftragte Person

      148

      B müsste richtiger Adressat einer Verfügung nach § 35 Abs. 7a GewO sein. Eine mit der Leitung des Betriebs beauftragte Person ist, wer aufgrund seiner Stellung im Betrieb, insbesondere aufgrund des Anstellungsvertrages, den Betrieb tatsächlich leitet. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse, ob nämlich die Person im erklärten oder geduldeten Einvernehmen die Geschicke des Gewerbebetriebs bestimmt[84]. Nach dem Sachverhalt ist B der Betriebsleiter der Zweigniederlassung, der in S verantwortlich die Geschäfte für die MS Ltd. führt und auch für die steuerlichen Angelegenheiten zuständig ist. B erfüllt die Anforderungen an eine mit der Leitung des Betriebs beauftragte Person.

      III. Akzessorietät hinsichtlich der untersagten Tätigkeiten

      149

      Fraglich ist, ob auch bei einer Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO die bei Gewerbetreibenden im Verhältnis zwischen § 35 Abs. 1 S. 1 und § 35 Abs. 1 S. 2 GewO bestehende strikte Akzessorietät zu beachten ist (s.a. Fall 7). In diesem Fall dürfte B vice versa nur dann die weitere Betätigung als Betriebsleiter untersagt werden, wenn ihm vorsorglich auch die künftige Tätigkeit als selbstständiger Bewachungsunternehmer untersagt wird. Da § 35 Abs. 7a S. 1 GewO mit der „Untersagung“ diejenige nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO meint[85] und § 35 Abs. 7a S. 3 GewO auf den restlichen § 35 Abs. 1 GewO verweist, gilt das Verhältnis dieser Vorschriften auch hier[86].

      Die Stadtverwaltung hat mit der ausdrücklichen Untersagung der künftigen selbstständigen Ausübung des Bewachungsgewerbes diese Akzessorietät zwischen „Grundverfügung“ und erweiternden Untersagungen gewahrt.

      IV. Unzuverlässigkeit des B im Hinblick auf die untersagten Tätigkeiten

      150

      Fraglich ist, ob B unzuverlässig ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß zu betreiben[87]. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der trotz der anzustellenden Prognose gerichtlich voll überprüfbar ist[88]. Es müssten also Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des B in Bezug auf die untersagten Tätigkeiten dartun. Solche Tatsachen könnten in der durch das Finanzamt mitgeteilten Nichtabführung der Lohnsteuer der Mitarbeiter in Höhe von 350 000 € liegen. Auch das Vermögen der öffentlichen Hand unterfällt dem Schutz des § 35 GewO, weshalb auch Steuerrückstände die Unzuverlässigkeit begründen können[89]. Allerdings müssen die Rückstände ein erhebliches Gewicht aufweisen. Dazu müssen sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur steuerlichen Gesamtbelastung beträchtlich sein[90]. Steuerrückstände von 350 000 € sind in ihrer absoluten Höhe beträchtlich[91]. Auch in Relation zur steuerlichen Gesamtbelastung der Zweigniederlassung dürften sie ein erhebliches Gewicht haben. Hinzu kommt, dass es sich bei der Lohnsteuer um vom Gewerbebetrieb treuhänderisch vereinnahmte Steuern handelt, weshalb ihre Nichtabführung ein gravierendes Fehlverhalten darstellt[92]. Schließlich ist auch der Zeitraum beachtlich.

      Wird dem Betriebsleiter die künftige selbstständige Ausübung des bislang nur in unselbstständiger Leitungsfunktion wahrgenommenen Bewachungsgewerbes untersagt (§ 35 Abs. 7a S. 1 GewO), kommt es darauf an, ob er zukünftig nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens ein seiner bisherigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe als Selbstständiger ordnungsgemäß

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